Wirtschaft

Jetzt den Stecker ziehen E-Autos und Öko-Sprit: Das Klima braucht beides

Die großen Elektro-Träume scheitern an der Realität.  Was am besten ist, ist - wie so häufig - nicht das, was am leichtesten umzusetzen ist.

Die großen Elektro-Träume scheitern an der Realität. Was am besten ist, ist - wie so häufig - nicht das, was am leichtesten umzusetzen ist.

(Foto: picture alliance/dpa)

Das Bekenntnis des neuen VW-Chefs Blume zu E-Fuels hat nicht nur Symbolkraft, es war überfällig. Die Politik sollte jetzt die Rahmenbedingungen für Öko-Sprit schaffen. Den Rest entscheidet der Markt.

Es tut sich was. Ein Hauch von Wende in der Zeitenwende liegt in der Luft, ganz still und leise. Doch sie bringt grüne Wunschvorstellungen der deutschen Umweltpolitik mit Macht ins Wanken. Wer hätte erwartet, dass E-Fuels, die lange Zeit verpönte Verbrenner-Alternative zu Elektroautos, am Ende doch noch salonfähig werden könnten?

Elektromobilität galt ein Jahrzehnt lang als der Klimaretter schlechthin. Von Technologieoffenheit in der Politik keine Spur. Alternative, klimaneutrale Antriebe für den Verbrennermotor - angetrieben mit Wasserstoff in Form von synthetischen Treibstoffen (E-Fuels) oder auf Basis biologischer Abfälle und Müll in Form von HVO 100 oder als Beimischungen - wurden vom Bundesumweltministerium oder in Brüsseler Amtsstuben kategorisch abgelehnt. Autohersteller wie BMW oder der VDA mahnten Technologieoffenheit an, wurden aber nie gehört.

Es ist ein böses Erwachen. Empfindliche Produktionsunterbrechungen bei Bauteilen, Corona-bedingte Störungen beim Autoabsatz, Verknappung und Verteuerung wichtiger Rohstoffe und vor allem Risse in den wichtigen Lieferketten aus China aufgrund der rigorosen Lockdown-Politik Pekings haben der rigiden Elektromobilität zugesetzt. Den Autoherstellern konnte es egal sein. Sie profitierten durch den Mangel von deutlichen Preiserhöhungen, und nutzten die Zeit, ihr Modellangebot auf die margenträchtigen oberen Marktsegmente zu konzentrieren.

Blume, Lindner und E-Fuels

Rückblick: Der Beschluss der EU-Umweltminister Mitte Mai 2022, wonach der Verbrennermotor in Neuwagen in Europa ab 2035 faktisch über nicht erfüllbare Abgasvorschriften schlicht verboten wurde, war der Gipfel der jahrelagen Elektro-Fixierteit. Auch Deutschlands Vertreter - federführend durch Wirtschaftsminister Robert Habeck vertreten - stimmten dem zu.

Nur aufgrund heftiger Interventionen durch Finanzminister Christian Lindner, dem angeblich intensive Beratungsgespräche mit Porsche-Chef Oliver Blume, der ab nächster Woche die Führung bei Volkswagen übernimmt, vorausgegangen sein sollen, ließen die EU-Umweltminister in allerletzter Minute noch wasserstoffbasierte Treibstoffe in Form von E-Fuels für Verbrenner zu.

Zwar standen dabei der Luft- und Schiffsverkehr im Fokus, weniger Pkws. Aber: ein Verbrennermotor mit Öko-Sprit durfte dem Gesetzvorschlag nach immerhin weiterleben. Dann gab Blume vor wenigen Tagen den neuen Kurs beim größten deutschen Autobauer vor: Um fit für eine CO2-arme Zukunft zu werden, will Volkswagen auch auf synthetische Kraftstoffe. Eine Ansage, die in ihrer Symbolkraft kaum zu übertreffen ist.

Die drohende Versorgungsknappheit bei russischem Erdgas und die Furcht vor Stromausfällen hat für eine Wende in den Köpfen gesorgt und eine alte Diskussion neu entfacht. Plötzlich ist die Erkenntnis gesackt, dass Strom in Deutschland bislang auch nur zur Hälfte nachhaltig, also "grün" mit Wind und Sonne erzeugt wird. Für den Rest des wachsenden Bedarfs, auch zur Betankung der geplanten Flotte von einer Million vollelektrischer Fahrzeuge bis 2030, ist "schmutziger" Strom unverzichtbar. er wird hergestellt aus heimischer Kohle, Erdgas aus Russland oder Erdöl aus aller Welt. Oder er kommt aus AKWs in Frankreich oder uneren verbliebenen verbliebenen drei AKWs.

Das Umdenken war überfällig

Wie sinnvoll diese Wende im Kopf war, zeigen die Argumente. Für vollelektrische Fahrzeuge ohne Zweifel, :

  • dass BEV im Fahrverhalten und Komfort jedem Verbrenner, selbst 12-Zylindern, überlegen sind. Sogar Nobel-Champion RollsRoyce will ab 2030 auf Elektroantrieb umsteigen.
  • Wenn sie ausschließlich mit "grünem" Strom betrieben und die Akkus mit "grünem" Strom produziert werden, sind vollelektrische Fahrzeuge das umweltpolitische Optimum. Sie sind am klimafreundlichsten.

Das ist nicht von der Hand zu weisen. Aber,

  • "sauberer" Strom in den benötigten Mengen ist leider dauerhaft in Deutschland nicht verfügbar. Deutschland ist auf den Import von "schmutzigem" Strom zum Betrieb seiner E-Auto-Flotte angewiesen. Klimavorteile kehren damit sich in Klimanachteile um.
  • Vollelektrische Fahrzeuge sind Stand heute in der Reichweite wie vom Ladekomfort auch noch nicht optimal. Daran wird sich auch vorerst nichts ändern.
  • Die global 1,6 Milliarden Verbrennerautos lassen sich allein ressourcenmäßig nicht 1:1 durch vollelektrische Autos ersetzen.
  • Von der Energieverfügbarkeit kommen die Fahrzeuge für rund zwei Drittel des Weltmarktes als Verkehrsmittel gar nicht in Frage. Im Süden leidet die Bevölkerung unter Strommangel. Im Norden erfordert der Aufbau nachhaltiger Energiequellen und Leitungsnetze sowie Ladeinfrastruktur für E-Autos gewaltige Ressourcen und staatliche Investitionssummen.
  • Vollelektrische Fahrzeuge sind teurer. Deshalb sind sie nur für die Mittel- und Oberschicht erschwinglich. Das hat zur Folge, das die bestehende "schmutzige" Autoflotte erheblich länger im Verkehr bleibt ("Havannisierung") – zulasten der Umwelt.

E-Fuels oder sauberer Dieselersatz HVO100 sind deshalb eine sinnvolle Ergänzung. Für sie sprechen folgende Argumente:

  • E-Fuels benötigen bei der Herstellung Wasserstoff und CO2, den sie im Fahrbetrieb aber wieder freisetzen. Sie sind nicht CO2-frei, aber von der Anwendung her klimaneutral, wenn Wasserstoff durch Elektrolyse und E-Fuel durch Synthese nachhaltig mit "grünem" Strom produziert werden. Verbrennerautos, mit E-Fuels befeuert, stoßen kein zusätzliches CO2 in die Atmosphäre.
  • Anders als Strom lassen sich Wasserstoff und E-Fuels ähnlich wie Rohöl heute via Pipeline oder Tanker leicht nach Europa transportieren, und in die vorhandene Verteilungs- und Tankinfrastruktur einspeisen.
  • Volkswirtschaftlich rechnet sich der Einsatz von E-Fuels in Verbrennern anstelle von Strom in vollelektrischen Fahrzeugen allemal, da mit E-Fuels der gesamte globale Altbestand der Verbrennerflotte mit Mini-Modifikationen nicht verschrottet werden muss. Der positive Klimaeffekt tritt sofort und nicht erst bei der Neuzulassung eines Elektroautos ein.

Aber auch gegen E-Fuels gibt es stichhaltige Argumente:

  • E-Fuels haben eine schlechtere Antriebseffizienz in Verbrennerautos als Strom in Elektroautos (laut Wissenschaft ca. 1:7). Rein betriebswirtschaftlich entsteht also ein hoher Kosten- und Wettbewerbsnachteil. Das gilt jedoch nur auf Basis einer Berechnung mit deutschen Stromkosten. Findet die E-Fuel Produktion mit Atomstrom oder mit "grünem" Strom aus Sonne und Wind in Ländern wie Katar oder Chile statt, sind E-Fuels bereits heute wettbewerbsfähig gegenüber Batterie-Elektroautos.
  • E-Fuels haben den großen Nachteil, dass sie bislang nicht bedarfsgerecht an der Tankstelle zur Verfügung stehen, sondern nur im Reagenzglas und in wissenschaftlichen Veröffentlichungen (Ausnahme: HVO100 ist in Europa an 8500 Tankstellen erhältlich).

E-Mobilität mit vollelektrischen Autos wäre ohne Frage die beste Lösung. Der große Haken an der Sache ist jedoch: Es ist Wunschkonzert! Die Ablösung der Verbrennerflotte durch Elektro-Fahrzeuge ist wegen fehlender grüner Energie und dauerhaft höherer Anschaffungskosten in der Breite nicht umsetzbar. Die E-Mobilitäts-Initiative der Bundesregierung für eine klimafreundlichere Zukunft war sicherlich sinnvoll. Ein weiter so, nur mit fossilen Verbrennern kann und darf es nicht geben. Doch diese Initiative stößt auf Grenzen.

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Die Lösung kann nur ein Mix der Technologien sein. E-Fuels in Verbrennerautos sind zugegebenermaßen nur die zweitbeste Lösung. Aber sie sind klimaneutral. Sie haben den großen Vorteil, global an jedem Ort der Erde in den Pkw-Flotten der ganzen Welt einsetzbar zu sein.

Aus Klimagründen wird beides – E-Autos und E-Fuels - dringend gebraucht. Die Aufgabe der Politik sollte es jetzt sein, die Rahmenbedingungen für die Verfügbarkeit von Öko-Sprit an der Tankstelle sicher zu stellen. Der Gesetzgeber muss die Wettbewerbsgleichheit herstellen. BEV hat der Staat mit Kaufprämien gefördert. Für die Bereitstellung von E-Fuels sorgen private Investoren. Den Rest soll der Markt entscheiden.

Quelle: ntv.de

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