Wirtschaft

Angst vor Staatspleite wächst Griechenland hält Europa in Atem

Verschmelzende Flaggen von EU und Griechenland auf erodierendem Asphalt.

Verschmelzende Flaggen von EU und Griechenland auf erodierendem Asphalt.

(Foto: imago/Ralph Peters)

Der EZB-Präsident appelliert an Athen, EU-Kommissar Oettinger fürchtet ein "Notstandsgebiet", Kanzlerin Merkel hofft auf eine Einigung: Die Verhandlungen zwischen Griechenland und den Gläubigern sind längst ein Nervenkrieg.

Im festgefahrenen griechischen Schuldenstreit sieht die Europäische Zentralbank (EZB) Athen am Zug. Der Ball liege jetzt im Feld der griechischen Regierung, sagte EZB-Präsident Mario Draghi vor dem Wirtschafts- und Währungsausschuss des EU-Parlaments in Brüssel. Es sei eine "starke und umfassende" Vereinbarung zwischen dem hochverschuldeten Euroland und seinen Geldgebern nötig - "und wir brauchen diese sehr bald". Die EZB tue alles, um einen erfolgreichen Abschluss zu erleichtern.

Nachdem am Wochenende Vermittlungsbemühungen der EU-Kommission erfolglos geblieben waren, wird die Finanzlage für Griechenland immer prekärer. Das bereits zweimal verlängerte Hilfspaket für Griechenland läuft Ende Juni aus. Dann droht dem Land die Staatspleite. Zurzeit drehen sich die Verhandlungen um die letzte Tranche des noch laufenden Programms in Höhe von 7,2 Milliarden Euro. Athen benötigt das Geld, um Kredite des Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückzuzahlen.

Derweil wächst die Furcht vor einer Staatspleite Griechenlands. Nach dem vorläufigen Abbruch der Gespräche zwischen Athen und den Geldgebern verlangt EU-Kommissar Günther Oettinger einen Notfallplan für den Fall, dass eine Einigung über ein Reformpaket endgültig scheitert. Dann werde Griechenland zum 1. Juli "Notstandsgebiet", sagte er. Bundesbankpräsident Jens Weidmann warnte: "Die Zeit läuft ab, die Wahrscheinlichkeit, dass keine Lösung gefunden wird, steigt von Tag zu Tag."

Unvollständige Vorschläge aus Athen

Ein Vermittlungsversuch von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker war am Sonntagabend gescheitert. Umstritten sind insbesondere Reformen bei den Renten oder der Mehrwertsteuer. Nach Angaben eines Kommissionssprechers liegen die Pläne der Geldgeber und Griechenlands um etwa zwei Milliarden Euro pro Jahr auseinander. "Außerdem bleiben die griechischen Vorschläge unvollständig", bemängelte der Sprecher. Im Streit um den Primärüberschuss, also das Haushaltssaldo ohne Zins und Tilgung, kam Athen den Geldgebern inzwischen entgegen.

Eine Sprecherin der EU-Kommission bestätigte, dass die Regierung in Athen die Forderung der Gläubiger akzeptiert habe, in diesem Jahr einen Primärüberschuss von einem Prozent zu erzielen. "Die Frage lautet, wie glaubwürdig die Verpflichtungen sind, um dieses Ziel zu erreichen." Der Primärüberschuss gilt als die zentrale Messgröße für eine Gesundung des chronisch klammen Staatshaushaltes.

Die Athener Zeitung "Kathimerini" veröffentlichte die Reformliste, die die Regierung den Geldgebern am Wochenende vorgelegt hatte. Danach will Athen die Unternehmen, die 2014 mehr als eine Million Euro Gewinne gemacht hatten, mit zwölf Prozent Sondersteuer belasten. Die Ausgaben des Verteidigungsministeriums sollen um 200 Millionen Euro gekürzt werden.

Merkel will Griechenlands Verbleib in Währungsunion

Finanzminister Yanis Varoufakis brachte in der "Bild"-Zeitung erneut einen Schuldenerlass ins Gespräch. Bundeskanzlerin Angela Merkel setzt weiter auf eine Einigung. Regierungssprecher Steffen Seibert bekräftigte: "Wir wollen, dass Griechenland im Euro bleibt." Die Erwartungen an das Treffen der Euro-Finanzminister am Donnerstag wurden in Berlin allerdings gedämpft, da es bisher keine politische Lösung gibt, über die abgestimmt werden kann.

Der griechische Staatspräsident Prokopis Pavlopoulos zeigte sich zuversichtlich, dass sein Land in der Eurozone bleiben werde. Gleichzeitig rief er alle politischen Kräfte Griechenlands zur Zusammenarbeit auf. "Ich will Ihnen versichern: Der Kurs des Landes in Europa und in der Eurozone wird fortgesetzt", sagte er im Staatsfernsehen.

IWF-Chefvolkswirt Olivier Blanchard forderte Bewegung von Athen und den europäischen Geldgebern. Einer Lösung der Krise gingen harte Entscheidungen und Verpflichtungen voraus, schrieb er am Sonntag im IWF-Blog. Die griechische Regierung mahnte Blanchard zu einer Reform des Mehrwertsteuer- und Rentensystems. Die Europäer wiederum sollten bereit sein, Griechenland bei den Schulden durch eine Verlängerung der Tilgungsdauer und niedrigeren Zinsen entgegenzukommen.

"Es gibt eine Grenze für das, was Griechenland tun kann, und eine Grenze, wie viel Finanzierung und Schuldenerlass die Kreditgeber geben wollen und realistisch gesehen geben können, wenn man bedenkt, dass sie an ihre eigenen Steuerzahler denken müssen", schrieb er.

Quelle: ntv.de, wne/dpa/DJ

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