Wirtschaft

Linksruck beeindruckt nicht "Griechenland hat ein Problem, nicht Europa"

Syriza-Chef Alexis Tsipras hat viel versprochen. Die Frage ist, was er davon halten kann.

Syriza-Chef Alexis Tsipras hat viel versprochen. Die Frage ist, was er davon halten kann.

(Foto: picture alliance / dpa)

Das Warten in Griechenland geht weiter. Erst wenn Syriza einen Koalitionspartner gefunden hat, können auch die Verhandlungen mit den internationalen Geldgebern beginnen. Experten sehen den Gesprächen allerdings gelassen entgegen.

In Griechenland ist noch nichts entschieden. Da Syriza nicht über die absolute Mehrheit verfügt, folgen jetzt die obligatorischen Koalitionsverhandlungen. Erst danach kann das Linksbündnis mit seinem Koalitionspartner oder -partnern die Verhandlungen über die Reformauflagen seiner internationalen Geldgeber starten. Dann wird sich zeigen, ob Syriza-Chef Alexis Tsipras seinen Mund zu voll genommen hat oder nicht.

"Das Mandat des griechischen Volks schließt ohne Zweifel den Teufelskreis des Sparens", hatte Tsipras vor Tausenden jubelnden Anhängern am Sonntagabend gerufen. Er hält bis zum Schluss die Hoffnungen seiner Wähler hoch und weckt zugleich Befürchtungen der internationalen Gläubiger, die bislang keine Bereitschaft signalisieren, auf Forderungen zu verzichten. Ökonomen reagieren gelassen. Nicht Europa, sondern Griechenland habe ein Problem, lautet die vorherrschende Meinung.

EZB: "Keine Ansteckungsgefahr"

Die Europäischen Zentralbanker (EZB) versuchen ebenfalls mit entsprechenden Wortmeldungen zu den Finanzmarktteilnehmern durchzudringen. Benoit Coeure, Direktor der EZB betonte, durch die Situation in Griechenland gebe es keine Ansteckungsgefahr für andere Länder wie Portugal und Irland. "Die Finanzmärkte verstehen, dass die Situation anders ist", sagte Coeure.

Die neue griechische Regierung müsse die Schulden zurückzahlen. Möglich seien allerdings Gespräche über eine Laufzeitverlängerung der Kredite. Da der Großteil der Schulden gegenüber anderen Ländern der Eurozone bestehe - und damit gegenüber den Steuerzahlern - liege die Entscheidung über die griechischen Schulden bei den Finanzministern dieser Länder, sagte Coeure.

Der finnische Premierminister Alexander Stubb äußerte sich ebenfalls in diese Richtung. Sein Land werde keine Kredite an Athen erlassen, sei aber offen für Gespräche über eine Laufzeitverlängerung. Die finnische Regierung respektiere das demokratische Wahlergebnis in Griechenland, sagte Stubb. Ein "schmutziger Austritt" aus der Eurozone würde niemandem helfen.

Athen und Troika müssen sich einigen

Mit einer langen Hängepartie rechnet kein Finanzmarktbeobachter. Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, erwartet eine "vorübergehende Unsicherheit". Trotz "markiger Wahlkampfsprüche" werde sich Griechenland mit der Staatengemeinschaft "am Ende einigen - auch weil jetzt schon das Geld für die geplanten Sozialprogramme fehlt". Auch die Staatengemeinschaft habe Interesse an einem Kompromiss, weil die Regierungen bei einem Euroaustritt Griechenlands ihren Wählern sonst erklären müssten, "dass die Hilfskredite verloren sind".

Für Griechenland sei der Wahlausgang "eine mögliche Katastrophe", für Europa aber nicht, bringt es Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank auf den Punkt. "Europa habe inzwischen alle Instrumente, um mit Ansteckungsgefahren im Falle eines Euroaustritts umzugehen, beschwichtigt er: "Die EZB wird Staatsanleihen kaufen, was eine Ansteckung über den Rentenmarkt verhindert. Die Bankenunion hilft, die kleinen Gefahren für den Bankensektor auszuschalten. Und der niedrige Ölpreis bringt die Euro-Konjunktur in Gang." Griechenland müsse sich jetzt entscheiden, ob es die erfolgreiche Politik der Regierung Samaras fortsetzen wolle oder sich aus der Eurozone verabschieden, und damit in eine tiefe Krise zurückfallen wolle. "Das ist weit mehr eine griechische als eine europäische Frage."

Schwierige Verhandlungsbasis

Die Verhandlungen zwischen der neuen griechischen Regierung und der Troika dürften aber trotzdem schwierig werden. Davon darf man wohl schon jetzt ausgehen. "Die zentralen Forderungen von Syriza im Wahlkampf, ein Ende der Sparpolitik sowie ein weiterer Schuldenschnitt für Griechenland, stellen einen schwierigen Ausgangspunkt für die weiteren Verhandlungen dar", sagt Stefan Bielmeier, Chefvokswirt bei der DZ Bank. Er hält einen weiteren Schuldenschnitt für Griechenland für den Euroraum für "mittelfristig sehr schwierig".

Als Gründe führt Bielmeister an, dass es nicht sichergestellt sei, dass Griechenland in einigen Jahren nicht wieder vor derselben Situation steht wie aktuell. Problematisch sieht er auch, dass der Anreiz für die restlichen Eurostaaten noch geringer werden würde, strukturelle Reformen anzugehen. Insofern sei es auch bedenklich, dass die EZB in der letzten Woche den Ländern noch einmal kräftig unter die Arme gegriffen habe. Ein Auseinanderbrechen der Eurozone hält aber auch Bielmeister für unwahrscheinlch. Trotz aller Schwierigkeiten gelte: "Der institutionelle Rahmen im Euroraum ist gefestigt. Man kann also eigentlich die Verhandlungen mit Griechenland gelassen angehen."

Es gibt aber auch skeptischere Stimmen. Die Analysten der Essener National Bank sehen durchaus Risiken. "Der Wahlsieg fiel insgesamt deutlicher aus, als es erwartet worden war." Das Risiko, dass das gemeinsame Währungsgebiet vielleicht doch nicht in der heutigen Form auf Dauer fortbestehen werde, sei dadurch gestiegen. Sie setzen ihre Hoffnungen auf die neue griechische Regierung. Ihr müsse klar sein, "dass sie ohne zusätzlich Unterstützung der Partner kaum eine Chance hat, das Land auf einen Wachstumspfad zurückzuführen."

Quelle: ntv.de, ddi

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