Esa will Gravitationswellen messen Aufbruch in neues Zeitalter der Astronomie
01.09.2015, 17:17 Uhr
Der Satellit "LISA Pathfinder" soll im November 2015 an Bord einer Vega-Trägerrakete vom Raumflughafen Kourou in Französisch-Guayana aus gestartet werden.
(Foto: picture alliance / dpa)
Ein neues Bild des Universums: Die Messung von Einsteins Gravitationswellen könnte riesige Schwarze Löcher und sogar die Geburt des Universums sichtbar machen. Ein neuer Satellit bildet den Auftakt dazu.
Was die Raumzeit mit Hartgummi gemeinsam hat? Beide sind elastisch und bis zu einem gewissen Grade verformbar. Allerdings in sehr unterschiedlichem Maße: Bereits Holz ist etwa doppelt so unelastisch wie Hartgummi, Stahl ist bereits um den Faktor 50 unflexibler. Die Raumzeit hingegen ist unvorstellbare 200 Trilliarden mal so starr wie Hartgummi. Aber: Sie ist elastisch.
Das hat den Effekt, dass auch die Raumzeit schwingen kann. Wenn auch nur minimal. Man spricht dann von sogenannten Gravitationswellen, die durch den Weltraum wabern. Diese sind eine Schlussfolgerung des genialen Albert Einstein. Die Wellen entstehen durch besonders massereiche Objekte im All, etwa umeinander kreisende Neutronensterne oder Schwarze Löcher. Nur diese sind massiv genug, um die extrem unelastische Raumzeit spürbar in Bewegung zu setzen. Im Jahr 1974 wurden die Gravitationswellen von Wissenschaftlern erstmals auch nachgewiesen - allerdings nur indirekt. Seitdem träumen Forscher davon, die Wellen direkt zu messen.
Damit der Traum Wirklichkeit wird, schickt die Europäische Weltraumbehörde Esa einen Satelliten namens "LISA Pathfinder" ins All, der ein Schritt in Richtung direkter Messung dieser Gravitationswellen ist. Das Raumschiff ist im bayerischen Ottobrunn vorgestellt worden, wo es zuletzt getestet wurde. "LISA Pathfinder" ist jedoch nur der Vorläufer für spätere und wesentlich aufwendigere Weltraum-Experimente, welche ein neues Zeitalter der Astronomie einläuten könnten. Denn sollte es gelingen, Gravitationswellen messbar zu machen, eröffnen sich völlig neue Möglichkeiten für die Erforschung des Universums.
Blick auf die Geburtsstunde unseres Sonnensystems
Bisher erhielten Astronomen nur durch die Messung elektromagnetischer Strahlung Einblick ins Universum - dazu gehört das sichtbare Licht, aber auch Infrarot-, Röntgen- und Radiostrahlung, die mit den entsprechenden Teleskopen aufgefangen wird. Diese Strahlungsarten werden jedoch zum Teil von Gasen und anderer Materie im Weltraum absorbiert, viele Objekte sind von der Erde aus daher nicht sichtbar. So sind etwa die in den Zentren der Galaxien vermuteten supermassereichen Schwarzen Löcher nicht direkt beobachtbar. Ein künftiges Gravitationswellen-Teleskop könnte dies ändern. Auch das Innere von großen Sternenexplosionen - sogenannte Supernovae - und sogar die Geburt des Universums selbst - der sogenannte Urknall - ließen sich mittels Gravitationswellen beobachten.
Aber bis es soweit ist, muss erstmal nachgewiesen werden, dass sich die Wellen auch messen lassen. Und dabei soll der neue Esa-Satellit "LISA Pathfinder" behilflich sein. Im November dieses Jahres wird er aller Voraussicht nach mit einer Vega-Trägerrakete vom Raumflughafen Kourou in Französisch-Guayana aus ins All geschossen. Übrigens deutlich später als geplant: Der ursprüngliche Starttermin war bereits für das Jahr 2008 vorgesehen, wurde aber immer wieder verschoben. Zudem zog sich die US-Raumfahrtbehörde Nasa 2011 aus dem Gemeinschaftsprojekt zurück - aus finanziellen Gründen.
Mit "LISA Pathfinder" sollen die Technologien künftiger Missionen getestet werden - frei von Störeffekten auf der Erde, insbesondere der irdischen Schwerkraft. Und das Experiment sieht so aus: Im Inneren von "Pathfinder" schweben zwei würfelförmige Testkörper frei in Vakkumbehältern. Mittels eines Lasers wird der genaue Abstand zwischen beiden schwebenden Würfeln gemessen. In der Theorie würden Gravitationswellen den Raum zwischen den Würfeln verkürzen oder dehnen, die Laser würden diese Veränderung feststellen und damit den Nachweis für die Gravitationswellen erbringen.
Drei Satelliten mit zwei Millionen Kilometer Abstand
Bisher geht es aber nur um die Technik. Die mysteriösen Wellen wirklich messen können soll erst das europäische Nachfolge-Projekt eLISA, das vermutlich erst im Jahr 2034 in den Weltraum starten wird. Bei diesem werden drei Satelliten im All in einem gleichseitigen Dreieck mit etwa zwei Millionen Kilometern Seitenlänge positioniert. Auch diese Satelliten enthalten jeweils schwebende Testmassen - wie bei "LISA Pathfinder" werden die Abstände der Massen mit Lasern gemessen.
Auf diese Weise sollen durch Gravitationswellen verursachte minimale Abstandsänderungen erkannt werden. Diese räumlichen Abweichungen sind allerdings äußerst gering, die Raumzeit ist ja - wie erwähnt - nicht besonders elastisch. Um es zu veranschaulichen: Die Laser müssen einer Abweichung von dem Hundertstel des Durchmessers eines Wasserstoffatoms nachweisen können. Dann könnte das Experiment gelingen.
Nicht nur im Weltraum, auch auf der Erde wird übrigens nach den Gravitationswellen gefahndet - bisher allerdings ohne Erfolg. Besonders das US-Projekt Advanced Ligo schürt die Hoffnung der Forscher, ebenfalls Gravitationswellen direkt nachweisen zu können. Nach einer Umbauphase sind dessen Instrumente zehnmal empfindlicher geworden. Weitere Observatorien sind das deutsch-britische Projekt Geo 600 bei Hannover, Virgo in Italien und Tama 300 in Japan.
Quelle: ntv.de