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Schon in zwei Monaten verfügbar? Fortschritt bei Corona-Mittel macht Hoffnung

Blick auf die „Greifhand“ eines Antikörpers, mit der er Krankheitserreger wie Sars-CoV-2 aus dem Verkehr ziehen kann.

Blick auf die „Greifhand“ eines Antikörpers, mit der er Krankheitserreger wie Sars-CoV-2 aus dem Verkehr ziehen kann.

(Foto: Stefan Dübel/TU Braunschweig)

Die Wissenschaft läuft auf Hochtouren, um dem Coronavirus Einhalt zu gebieten. Bei einem vielversprechenden Ansatz machen deutsche Forscher zuletzt Fortschritte. Es geht dabei um ein Medikament aus Antikörpern. Möglicherweise könnte es schon bald Leben retten.

Während sich das Virus Sars-CoV-2 auf der ganzen Welt ausbreitet, arbeiten Forscher fieberhaft an wirksamen Mitteln gegen den Erreger. Ein Medikament, das den Durchbruch bringen könnte, sind menschliche Antikörper. Bei diesen machen deutsche Wissenschaftler zuletzt große Fortschritte. So ist es Forschern der Technischen Universität Braunschweig vor einigen Tagen erstmals gelungen, im Reagenzglas Antikörper zu entwickeln, welche an das Oberflächenprotein des Coronavirus binden.

Das Virus Sars-CoV-2: Kennzeichnend sind die stacheligen Spike-Proteine. Antikörper sollen sie unschädlich machen.

Das Virus Sars-CoV-2: Kennzeichnend sind die stacheligen Spike-Proteine. Antikörper sollen sie unschädlich machen.

(Foto: Grafik: Victor Nicolaus/ntv.de)

"Es ist ein erster Schritt zur Entwicklung einer möglichen Therapie", sagt Professor Michael Hust zu ntv.de. Er arbeitet in der Abteilung Biotechnologie an der TU Braunschweig und leitet das dortige Antikörper-Projekt. Doch Hust glaubt, dass die Behandlung von Erkrankten mit derartigen Antikörpern "potenziell sehr wirksam" sei. Erst Anfang Februar hatten er und seine Kollegen ihren Kampf gegen Sars-CoV-2 aufgenommen. Aber wenn alles glattläuft, könnten die ersten Covid-19-Patienten bereits in wenigen Monaten mit den Antikörpern behandelt werden.

Der Vorteil solch einer Therapie: Antikörper sind ohnehin die natürliche Waffe des menschlichen Körpers gegen Eindringlinge wie Viren. Sie erkennen bestimmte Antigene - bei dem derzeit grassierenden Coronavirus sind das etwa die stacheligen Spike-Proteine, die ihnen ihren Namen (Corona ist Lateinisch für "Kranz" oder "Krone") verleihen. Erkennen Antikörper die Spikes, haften sie daran. Dadurch kann das Virus im besten Fall nicht mehr in menschliche Zellen eindringen, um sich in ihnen zu vermehren.

Wichtiger Vorteil gegenüber Impfstoff

Antikörper werden schon seit 125 Jahren erfolgreich therapeutisch eingesetzt, da sie im Gegensatz zu herkömmlichen Impfungen auch eine Behandlung bereits erkrankter Patienten ermöglichen. Der deutsche Immunologe Emil von Behring hat dieses Behandlungsprinzip erstmals gegen Diphtherie eingesetzt und dafür 1901 den ersten Nobelpreis in der Medizin erhalten. Quelle: TU Braunschweig

Auch gegen Sars-CoV-2 produziert das Immunsystem erwiesenermaßen eigene Antikörper - allerdings dauert das einige Tage, was in manchen Fällen zu spät sein könnte. Zwar könnte durch Impfen bereits vor einer Erkrankung der Körper zur Produktion von Antikörpern angeregt werden - doch gegen Sars-CoV-2 existiert bisher kein Impfstoff. Frühestens 2021 soll einer zur Verfügung stehen. Aber bereits Erkrankten würde dieser nicht helfen können.

Diese Probleme werden umgangen, wenn man Antikörper einfach außerhalb des Körpers produziert, wie es in Braunschweig getan wird. Dort entwickelt man zudem eine spezielle Variante dieser Proteine, die einen weiteren Vorteil hat: Es handelt sich um menschliche Antikörper, was sie - im Gegensatz zu den bisher in Tieren hergestellten - für Patienten wesentlich verträglicher macht und Nebenwirkungen gering hält.

Das Ganze basiert auf einem Verfahren, das Antikörperphagendisplay-Technologie genannt wird. Dabei nutzen die Forscher paradoxerweise andere Viren, sogenannte Bakteriophagen: Diese helfen dabei, verschiedene, aus einer gigantischen Gen-Bibliothek zusammengebaute Antikörper, an den Spikes des Coronavirus zu testen. Jene, die sich bewähren und haften bleiben, kommen in die engere Wahl und werden weiteren Test unterzogen.

"Unter Umständen in zwei Monaten"

Die jüngsten Fortschritte der Braunschweiger Forscher könnten den Weg zu einem schnellen Einsatz dieser Antikörper gegen das Coronavirus ebnen. Wegen der gebotenen Eile sei es auch denkbar, sonst übliche nächste Schritte wie etwa Tierversuche zu überspringen, so Hust. Und wenn es gutläuft, könnten "unter Umständen bereits in zwei Monaten" die ersten Covid-19-Patienten in klinischen Heilversuchen behandelt werden.

Sind die Antikörper womöglich eine Wunderwaffe gegen Covid-19? "Als Wunderwaffe würde ich es nicht bezeichnen", sagt Hust. Aber die Therapie sei "potenziell sehr wirksam". Doch es gibt Hürden: Die neu entwickelten Antikörper müssten etwa noch beweisen, dass sie das Virus nicht nur finden, sondern auch neutralisieren können, betont Hust. Was auch hier Hoffnung gibt: "Wir wissen, dass es Antikörper gegen Sars-CoV-2 gibt." Denn diese wurden bei Patienten entdeckt, die Covid-19 überstanden hatten.

Ob und wann eine Antikörper-Therapie für die breite Masse der Bevölkerung zur Verfügung stehen könnten, sei jedoch noch schwer zu sagen, sagt Hust. "Ein Problem ist, das man die Antikörper in größeren Mengen herstellen muss. Und hierfür benötigen wir Partner aus der Industrie." Allerdings werde auch an diesem Punkt bereits gearbeitet.

Quelle: ntv.de

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