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Rekordhalter im Tierreich Fruchtfliegen entwickeln Riesenspermien

Drosophila bifurca, eine Gattung aus der Familie der Taufliegen, bei der Paarung.

Drosophila bifurca, eine Gattung aus der Familie der Taufliegen, bei der Paarung.

(Foto: Stefan Lüpold, UZH)

Fruchtfliegen sind allseits bekannt. Die kleinen, meist lästigen Tierchen haben eine Besonderheit: Sie haben Spermien, die sie in der eigenen Körpergröße um ein Vielfaches überragen. Die Gründe können Forscher nun erstmals liefern.

Die Fruchtfliege (Drosophila bifurca) ist nur wenige Millimeter groß. Die Spermien der Tiere allerdings können fast sechs Zentimeter lang werden. Damit ist die Fruchtfliege nicht nur ein Rekordhalter im Tierreich, ihre Art der Bildung der Samenzellen widerspricht auch dem gängigen Verständnis sexueller Selektion: Je weniger Spermien um die Befruchtung eines Eies kämpfen, desto geringer wird auch der Selektionsdruck auf das Spermium, erfolgreicher zu sein als die Konkurrenten. Werden, wie bei der Fruchtfliege, nur wenige Samenfäden gebildet und ans Weibchen übertragen, müsste die Selektion abgeschwächt oder ganz unterbunden werden.  

Forscher der Universität Zürich haben aber in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der Syracuse University und der George Washington University herausgefunden, dass bei Fruchtfliegen die sexuelle Selektion auf die Spermienlänge besonders stark wirkt. Unter Leitung des Evolutionsbiologen Stefan Lüpold von der Universität Zürich wurden experimentelle, quantitative genetische und vergleichende Untersuchungen von geschlechtsspezifischen Eigenschaften verschiedener Drosophila-Arten durchgeführt.

Die Ergebnisse zeigen, dass verschiedene Merkmale und Abläufe der Spermienaufnahme, - speicherung und -nutzung im weiblichen Geschlechtstrakt längere Spermien bevorzugen. Aber je länger die Samenfäden sind, desto kleiner ist auch deren Anzahl. Aus diesem Grund müssen sich die weiblichen Tiere öfter paaren, um die Befruchtung ihrer Eier zu sichern. So kommt es auch bei Fruchtfliegen zu sexueller Selektion durch Spermienkonkurrenz. "Zum Beispiel können bei Fruchtfliegen längere Spermien ihre kürzeren Konkurrenten recht erfolgreich aus dem weiblichen Geschlechtstrakt verdrängen und gewinnen so einen Vorteil im Wettstreit um die Eier. Die sexuelle Selektion begünstigt also längere Spermien", erklärt Lüpold.

Weibchen bevorzugen große Männchen

Zudem wird die Spermienlänge durch die Vorlieben der Weibchen beeinflusst. Können kleine Männchen nur wenig in die Produktion der Samenfäden investieren, sind ihre Reserven bereits nach wenigen Paarungen aufgebraucht. Die großen Männchen dagegen, die von den weiblichen Tieren bevorzugt werden, können nicht nur längere Samenzellen, sondern insgesamt auch mehr davon produzieren. So profitieren nur sie von den häufigeren Paarungsmöglichkeiten. Dank dieses erhöhten Fortpflanzungserfolgs können sich die Gene für längere Spermien in der Population ausbreiten. Das führt letztlich zu immer längeren Samenfäden. Trotz der kleinen Anzahl an Spermien kann auch die sexuelle Selektion aufrechterhalten werden.

Die Ergebnisse zeigen, dass das Verständnis von sexueller Selektion erweitert werden muss. Spermien unterliegen letztlich ähnlichen Prozessen wie andere männliche Geschlechtsmerkmale – beispielsweise Hörner, um Rivalen abzuschrecken, und Körperschmuck, um Weibchen anzuziehen. "Im Vergleich zu diesen und zahlreichen anderen großen Geschlechtsmerkmalen sind die Spermien der Fruchtfliegen das wohl extremste Beispiel im Tierreich", findet Lüpold. Für alle, die sich bis jetzt gefragt haben, wie ein wenige Millimeter großes Tier etwa 20 Mal so lange Spermien überträgt, kommt hier die Antwort: aufgerollt in kleinen Knäueln.

Quelle: ntv.de, jaz

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