Langzeiteffekt von Marihuana-Konsum Kiffen lässt graue Hirnsubstanz schrumpfen
13.11.2014, 18:54 Uhr
Der Konsum von Cannabis hat je nach Menge und Dauer erhebliche Auswirkungen auf das Gehirn.
(Foto: imago stock&people)
Wer über einen langen Zeitraum regelmäßig Marihuana konsumiert, riskiert einen Abbau der grauen Substanz im Gehirn. Ein hohes Volumen dieser Masse hängt mit höheren Intelligenzwerten zusammen. Entscheidend dabei ist, wie früh mit dem Kiffen begonnen wurde.
Langjähriger und regelmäßiger Marihuana-Konsum kann bestimmte Teile des Hirns schrumpfen lassen – andere Areale allerdings werden aktiver. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Universität Texas, die in den "Proceedings" der US-Akademie der Wissenschaftern ("PNAS") vorgestellt wird. Die genauen Folgen hängen dabei davon ab, wann die Droge das erste Mal konsumiert wurde und wie lange.
Bislang ist unklar, welche Langzeitfolgen Marihuana-Missbrauch auf das menschliche Gehirn hat: Studien kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen, die von keinen nennenswerten Konsequenzen bis hin zu umfassenden neuralen Veränderungen reichten. Bei der nun vorliegenden Analyse wurden drei verschiedene Magnetresonanztomographie-Methoden (MRT) kombiniert, um auszuschließen, dass die Unterschiede bei den bisherigen Ergebnissen auf verschieden Verfahren zurückzuführen sind.
Mittels MRT wurden Aufnahmen des Gehirns und hier vor allem des orbitofrontalen Cortex gemacht. Dieser ist Teil des Frontallappens der Großhirnrinde und gilt als zuständig für die Kontrolle von Emotionen und Impulsen sowie als "Belohnungszentrum" des Hirns. In dem Bereich finden sich besonders viele CB1-Rezeptoren, auf die Tetrahydrocannabinol (THC), der hauptsächliche psychoaktive Bestandteil der Hanfpflanze, wirkt.
Die Wissenschaftler um die Neuropsychologin Francesca Filbey von der Universität Texas in Dallas untersuchten für ihre Studie 48 Erwachsene, die in den sechs Monaten zuvor mindestens viermal die Woche Marihuana konsumiert hatten. Zum Vergleich wurden 62 Nicht-Konsumenten einbezogen, die bei der Verteilung von Alter und Geschlecht der ersten Gruppe entsprachen.
Komplexe Auswirkungen auf das Gehirn
Die Forscher fanden heraus, dass das Volumen der grauen Hirnsubstanz im orbitofrontalen Cortex bei den Drogenkonsumenten wesentlich kleiner war als bei den Nicht-Konsumenten. Die graue Substanz ist ein wesentlicher Bestandteil des Zentralnervensystems und bildet im Gehirn vor allem die äußeren Bereiche. Neueren Studien zufolge hängt ein höheres Volumen an grauer Substanz mit höheren Intelligenzwerten zusammen.
Neben der verringerten grauen Substanz fanden die Forscher allerdings auch, dass bei den Marihuana-Konsumenten die weiße Substanz eine erhöhte Konnektivität im Vergleich zu den Nicht-Konsumenten aufwies. Die weiße Substanz besteht aus Nervenfasern, die einzelne Hirnregionen miteinander verbinden. Sie regelt den kommunikativen Austausch zwischen den einzelnen Hirnarealen.
Besonders bei den Probanden, die früh angefangen hatten, Marihuana zu konsumieren, war die Konnektivität der weißen Substanz im Bereich des orbitofrontalen Cortex erhöht. Die Wissenschaftler vermuten, dass diese erhöhte Aktivität Folge eines Kompensationsmechanismus des Gehirns ist: Sie gleiche die Veränderungen der grauen Substanz aus. "Es könnte also sein, dass Cannabis einen positiven Effekt auf die weiße Substanz hat, was die Regulierung der mitochondrialen Aktivitäten, antioxidative Prozesse und die Regulierung von Abbauprozessen angeht, welche Neuronen auf molekularer Ebene schützen."
Bei einem langanhaltenden Marihuana-Konsum reduziere sich die erhöhte Konnektivität allerdings wieder. Die gespaltene Entwicklung mache deutlich, wie komplex die Auswirkungen auf das Gehirn seien, so die Autoren der Studie. Sie plädieren für neue Langzeitstudien, die sich auf die Nuancen jener komplexen Wechselwirkung konzentrieren.
Insgesamt ließen die Ergebnisse vermuten, dass die graue Substanz des Hirns und hier vor allem des orbitofrontalen Cortex empfindlicher auf die neurotoxischen Effekte von THC reagiert als die weiße Substanz. Die genauen Folgen hingen dabei sowohl vom Alter beim Erstkonsum als auch von der Dauer der Marihuana-Nutzung ab. Die Wissenschaftler sprechen von "komplexen, neuroadaptiven Prozessen", bei denen noch geklärt werden müsse, ob diese dauerhaft seien, oder sich bei einer Marihuana-Abstinenz noch einmal veränderten.
Quelle: ntv.de, sni/dpa