Im Gehirn, in Atemluft, im Meer Mikroplastik ist überall - Unternehmen in EU sollen dagegen vorgehen
23.10.2025, 12:36 Uhr Artikel anhören
Mikroplastik wurde inzwischen in den entlegensten Gebieten nachgewiesen. Über das Essen und die Atemluft gelangen die Partikel auch in den menschlichen Körper.
(Foto: picture alliance / Zoonar)
Milliarden Tonnen Plastik gibt es bereits auf der Welt. Ein großer Teil davon wird nicht mehr verwendet und ist Müll, der wiederum zerrieben wird zu Mikroplastik. Diese winzigen Partikel finden sich überall - ob im menschlichen Körper, in der Antarktis oder auf Bergen. Was tun dagegen? Das EU-Parlament will Firmen mehr in die Pflicht nehmen.
Mikroplastik ist überall. Die winzigen Kunststoffpartikel werden auf Meeresböden und Berggipfeln, in der Luft und im menschlichen Körper gefunden. Auf internationaler Bühne sind alle Bemühungen um ein Abkommen gegen den dramatisch zunehmenden Plastikmüll bislang gescheitert.
Die EU hat sich eigene Ziele gesetzt und will dafür sorgen, dass weniger Mikroplastik aus der Industrie in die Natur gelangt. Die Abgeordneten des Europaparlaments stimmen am Donnerstagmittag deshalb über ein Gesetz ab, das Firmen strenger in die Pflicht nehmen soll.
Tonnenweise Plastik
Auf der Welt haben sich nach Einschätzung aus der Wissenschaft mehr als zehn Milliarden Tonnen Plastik angesammelt. Zahlen der UN-Umweltagentur Unep zufolge kommen jährlich rund 460 Millionen Tonnen hinzu. Im Schnitt bedeutet das: Pro Stunde wird weltweit eine Menge an Plastik produziert, die dem Gewicht der "Titanic" entspricht.
Der französische Forscher Jeroen Sonke geht davon aus, dass weniger als ein Drittel des seit 1950 produzierten Plastiks noch verwendet wird. Der Rest liegt als Abfall auf Müllhalden, treibt im Meer und verteilt sich in Kleinstpartikeln in der Natur. Dies liegt auch daran, dass der Müll kaum wiederverwertet wird: Weniger als zehn Prozent des Plastiks weltweit landen in Recycling-Anlagen.
Ausbreitung über Atmosphäre
Forscher haben Mikroplastik inzwischen auf den entlegensten Berggipfeln und in der Antarktis nachgewiesen. "Die kleinsten Partikel breiten sich über die Atmosphäre aus, was ihre Ankunft in den Polarregionen erklärt", erläutert Forscher Sonke.
Über das Essen und die Atemluft gelangen die Partikel auch in den menschlichen Körper. Mikroplastik wurde in den vergangenen Jahren im Hirn, in der Lunge, im Herzen, der Leber, den Nieren, in der Plazenta und im Blut gefunden. Die potenziellen Auswirkungen auf die Gesundheit sind bisher ungeklärt. Wissenschaftler mahnen jedoch, dass schon jetzt Maßnahmen gegen mögliche Gesundheitsrisiken ergriffen werden müssten.
Vorschriften an der Quelle
Im Meer stammen die meisten Kleinstpartikel von größeren Müllteilen wie Plastiktüten. Sie werden zwischen den Wellen aufgerieben, UV-Strahlen oder Bakterien lösen kleine Partikel ab. An Land sind Kunststoffgranulat aus der Industrie sowie Partikel aus Schminke und anderen Kosmetikartikeln die wichtigsten Quellen für Mikroplastik-Verschmutzung.
Unternehmen in der EU sollen deshalb künftig Pläne vorlegen, wie sie sicherstellen, dass Kunststoffgranulat aus ihrer Produktion nicht in die Natur gelangt. Im Schiffsverkehr will die EU besonders dichte Transportverpackungen zur Pflicht machen, damit weniger verloren geht. Die EU will so dafür sorgen, dass bis 2030 rund 30 Prozent weniger Mikroplastik pro Jahr in die Umwelt gelangen.
Gescheitertes UN-Abkommen
Auf internationaler Bühne sind die Verhandlungen über Regeln für weniger Plastikmüll hingegen gescheitert. Bei einer Konferenz im August in Genf standen sich zwei Lager unversöhnlich gegenüber: Auf der einen Seite vor allem erdölproduzierende Staaten wie Saudi-Arabien, Kuwait und Russland und auf der anderen Seite Vertreter etwa aus der EU oder Lateinamerika, zusammen mit Umweltschützern.
Update: Das EU-Parlament hat die neuen Vorschriften für Kunststoffhersteller beschlossen. Das Gesetz betrifft Plastikpartikel, die meist kleiner als fünf Millimeter, extrem langlebig und in der Natur schwer abbaubar sind. In der Praxis geht es dabei vor allem um Kunststoffgranulat, das in der Industrie als Ausgangsstoff für zahlreiche Plastikprodukte und -bauteile dient. Gelangen diese in die Umwelt, sollen die Unternehmen die zuständigen Behörden informieren und "alles dafür tun, um schädliche Folgen zu minimieren". Sie sollen zudem ein Konzept vorlegen, mit dem sie die Verschmutzung durch Mikroplastik verringern.
Große Unternehmen müssen ihre Pläne nach Angaben des Rats der Mitgliedstaaten jährlich von unabhängiger Seite zertifizieren lassen, wenn sie pro Jahr mehr als 1500 Tonnen Kunststoffgranulat verarbeiten. Für kleine Unternehmen reicht eine einmalige Zertifizierung. Firmen, die weniger als 1500 Tonnen pro Jahr verarbeiten, müssen nur eine Selbstauskunft abgeben.
Die neuen Regeln gelten auch für Schiffe. Knapp 40 Prozent des in der EU transportierten Kunststoffgranulats würden verschifft, hieß es zur Begründung. Damit sollen etwa besonders dichte Transportverpackungen Pflicht werden.
Die Umweltorganisation WWF sprach von einem "wertvollen Signal" an andere Staaten weltweit.
Quelle: ntv.de, abe/AFP