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Maßband zur Hand? Selbsttest berechnet Diabetes-Risiko

Der Bauchumfang ist ein Faktor bei der Berechnung des Diabetes-Risikos.

Der Bauchumfang ist ein Faktor bei der Berechnung des Diabetes-Risikos.

(Foto: imago/Science Photo Library)

Die Stoffwechselstörung Diabetes mellitus breitet sich weltweit rasend schnell aus. Dabei werden viele Erkrankungen erst spät erkannt. In Deutschland liegt die Dunkelziffer für nichterkannte Diabetes-Erkrankungen laut Expertenschätzungen in Millionenhöhe. Um in Zukunft früher medizinisch eingreifen zu können, hat das Deutsche Institut für Ernährungsforschung (DIFE) einen Selbsttest entwickelt, an dem jeder schnell und einfach teilnehmen kann, wenn man seinen Bauchumfang kennt oder ein Maßband zur Hand hat. n-tv.de hat den Test gemacht und noch einige Fragen zu den Fragen. Professor Hans-Georg Joost vom DIFE gibt die Antworten.

n-tv.de: Herr Professor Joost, wieso wird man in dem Test gar nicht nach seinem Zuckerkonsum gefragt?

Diabetes - die Kehrseite des süßen Lebens.

Diabetes - die Kehrseite des süßen Lebens.

(Foto: imago/BE&W)

Professor Joost: Weil viele Lebensmittel Zucker enthalten, oftmals auch in versteckter Form, ist es selbst für Experten sehr schwierig, die tägliche Zuckeraufnahme zu bestimmen. Deshalb würde die Präzision des Tests durch eine Frage zum Zuckerverzehr nicht besser.

Müsste man nicht auch auf das Trinkverhalten in Bezug auf gesüßte Limonaden und Cola eingehen?

Der Test fragt Variablen ab, die einen unabhängigen Beitrag zum Diabetesrisiko ausmachen. Für die zuckerhaltigen Getränke war das nicht der Fall, weil diese Variable über Körpergewicht und Bauchumfang wirkt; das heißt, der Effekt des Zuckers ist in den Fragen nach Gewicht und Bauchumfang bereits enthalten. Umgekehrtes Beispiel: die günstige Wirkung von körperlicher Aktivität wird nicht vollständig von der Variable Bauchumfang erfasst. Das heißt: Sport ist auch dann gut, wenn man nicht abnimmt!

Sie fragen aber nach, wie oft man Müsli isst. Ist in den meisten Müslis nicht auch viel Zucker drin?

Das ist in der Tat leider der Fall. Viele Müslis enthalten die fatale Kombination von Zucker, Fett in Form von Nüssen und Salz, die zur überkalorischen Ernährung führt. Deshalb wäre es besser, wenn man sein Müsli selbst macht und die problematischen Nährstoffe kontrolliert.

Was hat denn Kaffeekonsum mit dem Diabetes-Risiko zu tun?

Darüber können wir nur spekulieren. Wir vermuten, dass Kaffee Inhaltsstoffe hat, die den Glucosestoffwechsel verbessern. Von Koffein ist Entsprechendes bekannt, dass könnte dazu führen, dass die Diabetes-Entstehung verlangsamt wird.

Raten Sie jemandem, der im Test ein hohes oder sogar sehr hohes Risiko hatte, auf einen Langzeitblutzuckertest beim behandelnden Hausarzt zu bestehen und gegebenenfalls auch selbst zu zahlen oder reicht der normale Nüchterntest aus?

Professor Hans-Georg Joost ist Ernährungswissenschaftler.

Professor Hans-Georg Joost ist Ernährungswissenschaftler.

(Foto: Till Budde, DZD)

Der Nüchternblutzucker reicht zwar aus, um die Diagnose Diabetes mellitus zu stellen, wir meinen aber, dass der HbA1c-Wert (oder eben Langzeitblutzuckertest) Vorteile hat. Er ist zudem der Zielwert in der Diabetestherapie und sollte deshalb bei den Hoch-Risikopersonen früh erhoben werden.

Gibt es Zahlen, wie viele Menschen nach dem Test nur ein niedriges Diabetes-Risiko aufweisen und dennoch an Diabetes Typ 2 erkranken?

Spezifität und Sensitivität eines Tests werden festgelegt und sind ein Kompromiss. Legt man die Schwelle niedrig, kann man zwar nahezu alle zukünftigen Diabetiker erfassen, hat aber vielen Personen ein hohes Risiko zugeordnet, also viele falsch positive Zuordnungen. Wir haben die Schwelle (hohes Risiko) auf eine Sensitivität des Tests von zirka 80 Prozent gelegt, das heißt, es gibt 20 Prozent, die trotz eines geringeren Risikos innerhalb der nächsten 5 Jahre einen Diabetes entwickeln werden. Achtung: Darin stecken dann auch die Typ-1-Diabetiker, deren Risiko wir mit dem Test nicht erfassen! Egal welches Risiko der Selbsttest online ergibt, eine echte Risikobestimmung kann nur mit der Beteiligung eines Arztes erfolgen.

Und andersherum? Gibt es Zahlen, wie viele Menschen nach dem Test ein hohes bis sehr hohes Diabetes-Risiko aufweisen und dennoch keine Diabetes-Erkrankung aufweisen?

Wie bereits oben beschrieben, gibt es bei dem Test einen Kompromiss zwischen Spezifität und Sensitivität. Zirka 25 Prozent der Getesteten entwickeln trotz hohen Risikos im Test in den nächsten 5 Jahren keinen Diabetes. Aber: Wir nehmen an, dass sie in den folgenden Jahren erkranken werden. Also: Hohes Risiko im Test ist keine 100-prozentige Voraussage für die nächsten Jahre, aber ein eindeutiger Grund für die weitere Beobachtung, auch hinsichtlich der sehr wichtigen Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie zu hoher Blutdruck und zu hohe LDL-Cholesterinwerte. Auch hier kann der behandelnde (Haus-)Arzt die Testergebnisse erklären und gegebenenfalls relativieren.

Mit Professor Hans-Georg Joost sprach Jana Zeh

Quelle: ntv.de

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