Bei Kindern mit unbändigen Haaren Struwwelpeter-Gene entdeckt
18.11.2016, 14:53 Uhr
Das Struwwelpeter-Syndrom kommt nur sehr selten vor.
(Foto: Privat)
Der allseits bekannten Geschichte vom Struwwelpeter liegen wohl genetische Ursachen zugrunde. Die unkämmbaren Haare entstehen bei Menschen mit Veränderungen in drei Genen. Sie haben nichts mit ärgerlichen Knoten oder Nestern in Haaren zu tun.
Es gibt sie tatsächlich: Haare, die weder mit Kamm noch mit Bürste zu bändigen sind. Die sogenannten unkämmbaren Haare sind meist hellblond, trocken und extrem kraus. Wissenschaftler der Universität Bonn haben nun die Ursachen für diese unzähmbare Haarpracht mit besonderem Glanz untersucht und sind fündig geworden. Sie fanden Mutationen in drei Genen, die Betroffene in sich tragen und die höchstwahrscheinlich für das gesundheitlich harmlose Syndrom der unkämmbären Haare verantwortlich sind. In Anlehnung an die allseits bekannte Geschichte vom Struwwelpeter benannten die Forscher ihre Entdeckung entsprechend "Struwwelpeter-Syndrom".
Die Widerspenstigkeit auf dem Kopf ist besonders in der Kindheit ausgeprägt. Sie lässt mit den Jahren nach. Im Erwachsenenalter lassen sich die Haare oftmals wesentlich besser bändigen als in der Kindheit.
Nur wenige bekannte Fälle
Mit hartnäckigen Verknotungen oder Haarnestern haben die unkämmbaren Haare übrigens nichts zu tun. Weil das Phänomen so selten ist, wusste man bisher nichts über die Ursachen der unkämmbaren Haare. 1973 wurde das Phänomen zum ersten Mal in der Fachliteratur beschrieben. Bis jetzt sind weltweit etwa 100 Fälle dokumentiert.
"Wir nehmen aber an, dass es deutlich mehr Betroffene gibt", erklärt Professor Regina Betz vom Institut für Humangenetik der Uni Bonn. "Wer unter unkämmbaren Haaren leidet, sucht deshalb nicht unbedingt einen Arzt oder eine Klinik auf." Immerhin weiß man, dass die Anomalie in manchen Familien gehäuft vorkommt - was für eine genetische Ursache spricht.
Weitere Kinder mit "Struwwelpeter-Syndrom" gefunden
Für ihre Untersuchung knüpften die Forscher Kontakte in alle Welt und konnten neun weitere Kinder mit dem "Struwwelpeter-Syndrom" ausfindig machen. Von allen Betroffenen wurden die Gene vollständig sequenziert und mit großen Datenmengen verglichen. Dabei stießen die Forscher auf Veränderungen in drei Genen, die die Kürzel PADI3, TGM3 und TCHH tragen. Die ersten beiden enthalten die Bauanleitung für Enzyme, TCHH dagegen ist ein wichtiges Protein des Haarschafts.
In gesundem Haar sind die TCHH-Proteine über hauchfeine Hornfäden miteinander vernetzt, die für Form und Struktur des Haares verantwortlich sind. Bei diesem Vorgang spielen die zwei anderen gefundenen Gene eine wichtige Rolle. "Aus den gefundenen Mutationen lässt sich eine ganze Menge über die Mechanismen lernen, die an der Bildung gesunder Haare beteiligt sind, und warum es manchmal zu Störungen kommt", so Betz, die Spezialistin für seltene erbliche Haarerkrankungen ist.
Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Wissenschaftler im Fachmagazin "American Journal of Human Genetics".
Quelle: ntv.de, jaz