Forscher verwerfen altes Wissen Warum wir wirklich auf Eis ausrutschen
01.09.2025, 18:06 Uhr Artikel anhören
Eis ist rutschig - warum das so ist, beschreibt ein deutsches Forscherteam in einer aktuellen Studie.
(Foto: picture alliance / dpa Themendienst)
Seit 200 Jahren galten Druck und Reibung als Grund, warum Menschen auf Eis rutschen. Doch ein deutsches Forscherteam zeigt, dass die unterschiedliche Ladung von Molekülen entscheidend ist. Selbst bei extremen Minusgraden soll Skifahren noch möglich sein.
Tritt man morgens aus der Haustür unbedacht auf den vereisten Bürgersteig, rutscht man aus. Aber warum eigentlich? Bisher galt die Annahme, dass der Druck der Schuhsohlen oder deren Temperatur von über null Grad Celsius das Eis schmelzen lässt. Es entsteht ein Wasserfilm, der einen ins Rutschen bringt. Doch deutsche Forscher machen nun eine andere Ursache aus: Vielmehr sollen es die Dipole der Eismoleküle sein, die mit den Dipolen der Schuhsohle wechselwirken.
Aber was sind Dipole? Es handelt sich um unterschiedlich geladene Bereiche von Molekülen, die in eine bestimmte Richtung weisen. Das Wassermolekül H2O bildet bei unter null Grad Celsius eine regelmäßige Kristallstruktur. Tritt nun ein Schuh auf dieses wohlgeordnete Konstrukt, sorgen die unterschiedlich geladenen Dipole der Moleküle dafür, dass die oberste Molekülschicht des Eises durcheinandergerät - sie wird flüssig.
Altes Paradigma infrage gestellt
Damit wird ein Paradigma infrage gestellt, das vor knapp zwei Jahrhunderten James Thompson, der Bruder von Lord Kelvin, geprägt hatte: Dass, neben einer Temperatur von über null Grad Celsius, auch Druck und Reibung Eis zum Schmelzen bringen. Aufgeräumt hat damit ein Forscherteam um Martin Müser, Professor für Materialsimulation an der Universität des Saarlandes. Die entsprechende Studie wurde im Fachmagazin "Physical Review Letters" veröffentlicht.
"Weder Druck noch Reibung haben einen großen Effekt auf die Bildung eines dünnen Flüssigkeitsfilms auf dem Eis", erklärt Müser laut einer Mitteilung der Universität. Der Forscher beschreibt es mit Blick auf die Eiskristalle so: "Wenn dann ein Dipol des anderen Körpers, also der Schuhsohle, gerade die richtige Orientierung aufweist, sagt der dazu passende Dipol des Eises 'Hey, da gehe ich mit!'" Auf mikroskopischer Ebene verliert das kristalline Wasser seine geordnete Struktur an der Grenzfläche von Eis und Schuhsohle und wird ungeordnet und letztlich flüssig.
Skifahren noch bei minus 40 Grad möglich
Neben dieser Erkenntnis räumt die Arbeit von Müser und seinen Kollegen noch mit einer weiteren irrigen Annahme auf. "Bisher gingen wir auch davon aus, dass man unter minus 40 Grad Celsius beispielsweise nicht mehr Ski fahren kann, weil sich dann schlicht kein dünner Flüssigkeitsfilm mehr unter den Skiern bildet, da es zu kalt ist. Auch das ist falsch", erklärt der Materialphysiker.
Im Gegenteil: Die anziehende Wirkung der Dipole funktioniere auch bei solchen tiefen Temperaturen noch tadellos. "Selbst nahe des absoluten Nullpunktes entsteht noch ein flüssiger Film an der Grenzfläche von Eis und Ski", so Müser. Dieser Film sei aber bei sehr niedrigen Temperaturen noch zähflüssiger als Honig, auf dem sich bekanntlich schlecht Skifahren lässt. Diesen Film kann man kaum mehr als das wahrnehmen, was wir als Wasser bezeichnen würden.
Quelle: ntv.de, kst