Fundsache

Spektakuläre Entdeckung bei Kiel Wurde das Rad in Norddeutschland erfunden?

Die beiden dunklen Streifen im Vordergrund sind den Kieler Forschenden zufolge 5400 Jahre alte Spuren eines jungsteinzeitlichen Rinderkarrens.

Die beiden dunklen Streifen im Vordergrund sind den Kieler Forschenden zufolge 5400 Jahre alte Spuren eines jungsteinzeitlichen Rinderkarrens.

(Foto: Dieter Stoltenberg)

Es ist die wohl wichtigste Erfindung der Menschheit: das Rad. Bislang ging die Wissenschaft davon aus, dass es im Nahen Osten entstanden ist. Doch dunkle Spuren in einer Ausgrabungsstätte bei Kiel stellen diese Theorie nun auf den Kopf.

Die zwei dunkelbraunen Linien im Boden eines Gräberfeldes in Norddeutschland sind unscheinbar - und doch haben sie das Potenzial, die Menschheitsgeschichte neu zu schreiben. Denn die Verfärbungen sind laut Forschenden der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel die ältesten Radspuren der Welt, entstanden rund 3400 Jahre vor Christus auf einem Gräberfeld bei Flintbek. Sie stammen wahrscheinlich von einem Rinderkarren aus der Jungsteinzeit.

Bisher gingen Archäologen davon aus, dass die ersten von Tieren gezogenen Wagen im Nahen Osten entstanden sind. Denn dort begann Genstudien zufolge vor rund 10.000 Jahren auch die Domestizierung von Rindern. Doch die Funde in Flintbek bei Kiel werfen nun ein neues Licht auf die Entwicklung der Rinderkarren.

Bei den archäologischen Untersuchungen der Grabstätte erregten die dunklen Spuren zunächst kaum Aufsehen. Erst bei genauerer Betrachtung stellte das Forscherteam um Doris Mischka fest, dass die Linien genauso breit sind wie die jungsteinzeitlichen Holzräder, die in den Mooren Norddeutschlands gefunden wurden. Und auch der Abstand zwischen den Linien stimmte mit der Breite von Wagenachsen aus dieser Zeit überein.

Die ältesten Wagenspuren der Welt

Für die Archäologinnen und Archäologen der Beleg: Für den Bau der Flintbeker Sichel, des größten frühgeschichtlichen Gräberfelds in Europa, nutzten die Menschen Räder und Wagen - und das bereits 3400 Jahre vor unserer Zeitrechnung. Damit sind die Radspuren einige hundert Jahre älter als die bisher aus anderen Regionen Europas und Südwestasiens bekannten Spuren des prähistorischen Fahrzeuges, wie Mischka berichtet. Die dunklen Streifen im steinzeitlichen Untergrund von Flintbek könnten demnach sogar die ältesten Wagenspuren der Welt sein.

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War Flintbek in Norddeutschland somit die Geburtsstätte des Rades? Gut möglich, sagt der Kieler Archäologe Johannes Müller von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel: "Es ist eindeutig, dass die Menschen in Mitteleuropa ebenso früh wie jene des Nahen Osten hochtechnologisiert waren", erklärt er auf der Webseite der Universität. "Das Ergebnis rückt Flintbek in das Zentrum einer der entscheidenden Innovationen der Menschheit."

Das Gräberfeld in Flintbek hält für die Forscher immer neue Entdeckungen bereit. Neben den Radspuren, deren Existenz schon länger bekannt ist, reihen sich dort viele Grabmonumente aus der Jungstein- und Bronzezeit in Form einer Sichel aneinander. Es ist das größte frühgeschichtliche Gräberfeld Europas und liefert immer neue Hinweise auf das Leben der Menschen vor vielen Tausend Jahren. Die wissenschaftlichen Belege rund um die Flintbeker Sichel wurden nun in einer neuen Publikation der Christian-Albrechts-Universität in Kiel dokumentiert und geben Aufschluss darüber, in welchem zeitlichen Verhältnis die Monumente zueinander stehen und wann Beerdigungen dort stattgefunden haben.

(Dieser Artikel wurde am Dienstag, 12. April 2022 erstmals veröffentlicht.)

Quelle: ntv.de, hny

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