Nähe zum Täter reicht aus Auch "verschobene Rache" ist süß
08.05.2015, 13:08 Uhr
Hier scheint Rache direkt getroffen zu haben.
(Foto: imago stock&people)
Rache ist eine Handlung, die den Ausgleich von zuvor erlittenem Unrecht bewirken soll. So die theoretische Grundlage. Wie sie beim Rächer wirkt, wenn sie eine andere Person als den Übeltäter trifft, können Forscher nun mit Bestimmtheit sagen.
Rache ist süß, denn sie verschafft ein Gefühl von Genugtuung. In vergangenen Zeiten sollte sie der Wiederherstellung verletzter Ehre und der gesellschaftlichen Ordnung dienen. Heute ist sie eher emotionsmotiviert. Wenn man sich für ein Unrecht an einer unbeteiligten Person rächt, dann spricht man von "verschobener Rache". Wie diese wirkt und unter welchen Umständen sie Genugtuung verschafft, haben Forscher der Universität Marburg herausgefunden.
Mit einer dreiteiligen Online-Studie untersuchten die Sozialpsychologen Prof. Mario Gollwitzer und Arne Sjöström das Phänomen der "verschobenen Rache". Klar war aus vorangegangenen Untersuchungen, dass die Wahrscheinlichkeit von Rachehandlungen steigt, wenn der ursprüngliche Täter und die unbeteiligte Person, an der die Rache verübt wird, aus einer gemeinsamen Gruppe stammen und die Gruppenmitglieder als einander ähnlich wahrgenommen werden. Unklar blieb, ob es sich bei "verschobener Rache" um ein zielorientiertes Verhalten handelt.
Reue oder Befriedigung
"Bislang wussten wir nicht, ob die Rächer ihre Tat hinterher bereuen oder ob verschobene Rache nicht sogar befriedigend sein kann", erklärt Gollwitzer den Forschungsansatz. Im ersten Teil der Online-Befragung sollten 169 Probanden im Alter von 18 bis 56 Jahren eine Geschichte lesen und sich in den Protagonisten hineinversetzen: Der Protagonist wird von einer anderen Person ungerecht behandelt und rächt sich danach - entweder am Übeltäter selbst oder an einem unbeteiligten Stellvertreter. Zusätzlich erfahren die Probanden, dass die Gruppe, der beide (Übeltäter und Stellvertreter) angehören, entweder sehr eng zusammengehört oder nur lose verbunden ist.
Im zweiten Teil der Online-Befragung sollten sich die 89 Probanden im Alter von 19 bis 36 Jahren an eine Situation erinnern, in der sie selbst Opfer eines Unrechts waren, sich aber nicht gerächt hatten. Anschließend sollten sie sich vorstellen, sie würden sich nun doch rächen, und zwar wiederum entweder am Übeltäter selbst oder an einem Stellvertreter. Wieder gehörten Übeltäter und Stellvertreter der gleichen Gruppe an, die entweder eng oder nur locker verbunden war.
Direkte Rache = größte Zufriedenheit
Beide Teile der Online-Befragungen ergaben, dass die Probanden zufriedener waren, wenn sie sich direkt am Übeltäter gerächt hatten. Sie hatten dann auch weniger Schuldgefühle als nach der Rache am Stellvertreter. Die Zufriedenheit nach "verschobener Rache" war hoch, wenn der Stellvertreter und der Täter einer engverbundenen Gruppe angehörten.
Die Zufriedenheit war hingegen deutlich niedriger, wenn die Rache an einer Person geübt wurde, die weniger eng mit dem Täter verbunden war. Damit konnten die Ergebnisse aus vorangegangenen Studien bestätigt werden.
Ähnlichkeiten zum Täter
Der dritte Teil der Online-Befragung mit 72 Teilnehmern im Alter von 18 bis 30 Jahren zeigte: Personen fühlen sich nach "verschobener Rache" besonders befriedigt, wenn der ursprüngliche Übeltäter und die Person, die ihre Rache abbekommen hat, sich sowohl äußerlich als auch in ihrem Verhalten sehr ähnlich sind.
"Verschobene Rache" kann daher nicht als irrationaler Impuls oder als willkürliches Ausleben der eigenen Frustration an irgendeiner Person eingestuft werden. Sie ist vielmehr zielorientiert. "Möglicherweise hält man aufgrund einer hohen Ähnlichkeit mit dem Täter auch die Zielperson für schuldig an dem Ereignis, das den Rachewunsch ausgelöst hat", erläutert Gollwitzer.
Quelle: ntv.de, jaz