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Calvin Klein bucht Kurven-Model Das Moppel-Problem ist ein Hirngespinst

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Myla Dalbesio modelt für Calvin Klein - mit ihren Kurven ist sie eine Ausnahme unter den übrigen Models.

(Foto: Twitter/SophieHarrison_)

Wenn Dove Dicke bucht, kommt das super an. Alle jubeln ob der Chance für die Frau von nebenan, auch mal die zu sein, zu der alle aufschauen. Kaum wagt es aber ein Unternehmen, ohne Ankündigung ein kurviges Model zu buchen, wird im Internet geätzt.

Für die Unterwäschekampagne "Perfectly Fit" hat das Unternehmen Calvin Klein verschiedene Models gebucht. Neben bekannten Größen wie Joan Smalls und Lara Stone ist auch ein neues Gesicht dabei: Myla Dalbesio. Die schöne Brünette hat ein bisschen mehr Schenkel und auch ein bisschen mehr Oberarme. Jetzt regt sich Ärger im Internet - dabei hat Calvin Klein alles richtig gemacht.

Dalbesio hat nicht die üblichen Modelmaße. Statt 90-60-90 misst sie 100-81-106. Calvin Klein störte das kein bisschen. Schließlich soll das Model für BHs und Slips werben, die jeder Frau passen und schmeicheln. Aber alles lief schief: Medien legten dem Unternehmen in den Mund, die 27-Jährige als sogenanntes Plus-Size-Model, also ein Übergrößenmodel, engagiert zu haben. Dalbesio trägt Größe 40 - der Shitstorm in sozialen Netzwerken war programmiert. "Wenn das Plus-Size ist, was bin ich dann?", schreibt eine Twitternutzerin. Die übrigen Kommentare gehen in eine ähnliche Richtung.

Wenn überhaupt jemand Schuld hat am Plus-Size-Stempel, ist das die Modezeitschrift "Elle" - und das nicht einmal so richtig. Genau genommen bezeichnete sie Dalbesio in einem Artikel als ein Model, was "die Modeindustrie noch immer als 'Plus Size' bezeichnen würde". Damit hat das Magazin völlig Recht. Je nach Agentur werden Models ab US-Kleidergröße 8, gängiger ab 10 oder ab 12 als "Plus Size" geführt. Die Größen entsprechen einer deutschen 38,40 beziehungsweise 42. Das kann man kritisieren, ist aber letztendlich eine Frage des Labels.

Zu dick, zu dünn, vielleicht normal

Dalbesios Kilos oder Nicht-Kilos sind übrigens nicht nur für die Öffentlichkeit eine schwierige Sache. Sie selbst bezeichnet sich als "In Between"-Model. Um für reguläre Jobs gebucht zu werden, ist sie zu speckig; sind Übergrößen gefragt, fehlen ihr die Pfunde. Spontan klingt ihr Körperbau also ziemlich normal und gesund. Aber die Öffentlichkeit hetzt, als seien mehr oder weniger dicke beziehungsweise kurvige beziehungsweise weibliche Frauen - man weiß ja gar nicht mehr, was man sagen soll - die Ausgestoßenen der Gesellschaft.

Plus-Size-Models, auch wenn Dalbesio eventuell keines ist, sind natürlich schön. Und sexy sowieso. Aber das ist auch nicht erst seit gestern bekannt. Auf dem  Cover der Italienischen Vogue von Juni 2011 sehen Tara Lynn, Candice Huffine und Robyn Lawley mit Fleisch am Schenkel und Falte auf Taillenhöhe genauso umwerfend aus, wie so ungefähr jede andere Frau, die schon einmal eine Ausgabe der berühmten Modezeitschrift zieren durfte.

Jetzt kann man natürlich bemäkeln, dass die kurvigen Grazien für eine Fotostrecke mit ordentlich Retro-Flair gebucht wurden, dass lasziv "damals" ja etwas ganz anderes bedeutete und Speck nur da geduldet ist, wo er in den Rahmen passt. Christina Hendricks finden vermutlich auch nur deswegen alle scharf, weil sie als Büro-Chefin Joan Holloway in der 60s-Serie "Mad Men" ihren Durchbruch hatte? Großer Quatsch.

"Mager" ist die Fotoästhetik der jüngeren Jahrzehnte, "mager" ist leider auch, was Teenager krank macht. Sicherlich haben einige Akteure der Modeindustrie und außerhalb der Branche absurde Vorstellungen vom richtigen Verhältnis von Kleiderständer zu Mensch, doch Agentursprech und Hochglanzbilder zeichnen niemals ein Bild gewöhnlichen menschlichen Miteinanders. Glücklicherweise finden die meisten Leute nicht nur Menschen mit einem Body-Mass-Index von unter 18,5 lustig, klug, großzügig und vertrauenswürdig, sondern in der Regel doch solche mit diesen Attributen. Die Präsentation von Mode ist Show und Show ist oft besonders dann spannend, wenn sie mit dem eigenen Alltag kaum etwas zu tun hat.

Richtiger Ansatz statt Verkaufstrick

Die zornigen Twitter-Kommentatoren sind die, die laut jubeln, wenn ein Unternehmen sich öffentlichkeitswirksam zu molligen Models bekennt und dahinter mehr gute Absicht als PR vermuten. Sie sollten nicht die Mistgabeln auspacken, wenn es ein Label wagt, ohne großes Aufheben einfach mal anders, normaler oder gesünder zu casten.

Es ist nicht Calvin Kleins Aufgabe, das Selbstbewusstsein der Unsicheren und Unzufriedenen zu polieren. Es kann Calvin Kleins Aufgabe sein, einen Beitrag zu einem gesunden Verständnis von "schön" zu leisten - der darf auch gerne ins Verhältnis gesetzt werden zu einer Branche, in der Wangenknochen derzeit eben die bevorzugt geduldete Wölbung sind.

Ist die Botschaft der Wütenden nicht eigentlich viel klüger positioniert, wenn sie ihren Empfängern nicht mit der Moralkeule um die Ohren geschlagen wird? Ist Größe 40 nicht deswegen "normal" statt "Plus Size", weil Calvin Klein trotz Heroin-Schick-Image à la Kate Moss stillschweigend die Kurven bucht. Selbst nach der Aufregung im Internet wollte das Unternehmen lediglich betonen, man habe durch die Kampagne einfach unterschiedliche Frauen einbeziehen wollen. Dalbesios Körper ist nämlich kein Verkaufstrick.

Die Wäschekampagne "Perfectly Fit" zeigt verschieden schlanke Menschen auf die gleiche schöne Weise. Übergewicht ist ungesund, Untergewicht auch. Dazwischen ist schon heute alles erlaubt, das sieht man jeden Tag auf der Straße - und jetzt auch bei Calvin Klein.

Quelle: ntv.de

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