"The Diary of a Teenage Girl" Darf man Sex mit Kindern zeigen?
20.11.2015, 17:47 Uhr
Mama Charlotte hat einen schnieken Freund - findet auch Tochter Minnie.
(Foto: © 2015 Sony Pictures Releasing GmbH)
Sex ist eine großartige Angelegenheit. Klar, manchmal auch nicht, doch damit lässt sich umgehen. Was aber, wenn man erst 15 Jahre alt ist und mit einem erwachsenen Mann schläft? "The Diary of a Teenage Girl" gibt Antworten.
Der Blick geht erstmal auf den Hintern. Jetzt nicht generell, sondern gleich in der ersten Kameraeinstellung. An diesem Hintern ist was dran, ganz genau lässt sich das aber nicht erkennen. Mag an den mäßig förmigen Hosen liegen, mit denen mal wohl durchs San Francisco der 70er-Jahre stapfte. Der Hintern gehört Minnie, 15 Jahre alt, Comic-Enthusiastin.
"The Diary of a Teenage Girl" erzählt Minnies Geschichte, die ihrer Mutter Charlotte und von deren Freund Monroe, mit dem Minnie schläft. Das ist falsch. Daran lässt der Film wie schon die Buchvorlage von Phoebe Gloeckner keinen Zweifel. Zeigen darf er das Abscheuliche trotzdem. Statt das Thema als Tabu abzutun, begegnet er ihm mit Respekt gegenüber jugendlicher Sexualität - ohne die wiederum aus erwachsener Perspektive zu sexualisieren.
Das selbstbestimmte Opfer
Minnie ist Opfer. Sie ist einsam und unsicher. Wenn sie ihre Brüste betastet, dann, um sie auf vermeintliche Perfektion zu prüfen. Andere sollen sie berühren wollen. Denn "welchen Sinn hat das Leben, wenn niemand dich liebt, sieht oder anfasst?" Ihr Bedürfnis nach Liebe oder doch wenigstens Nähe macht sie verletzlich. Das heißt aber nicht, dass sie sich einfach so verletzen lässt.

Die 23-jährige Britin Bel Powley überzeugt als Minnie auf voller Linie.
(Foto: © 2015 Sony Pictures Releasing GmbH)
Minnie ahnt, dass es ihre Jugend ist, die Monroe anzieht. Und sie lernt, dass es seine Erfahrenheit ist, auf die sie beim Sex nicht mehr verzichten will. "Nicht, dass ich denken würde, er sei in mich verliebt. Ich bin nicht blöd", diktiert sie ihrem Tagebuch. Minnie ist bereit, ein Tauschgeschäft einzugehen.
Die Art und Weise, mit der Jugendliche in "The Diary of a Teenage Girl" ihre Sexualität verhandeln, tut weh. Weniger echt macht sie das nicht. Körperliche Gefälligkeiten lassen sie sich bezahlen, treibt ihnen ein Blowjob Tränen in die Augen, verpacken sie die Geschichte als Trophäe. Es geht um Grenzüberschreitung, natürlich. Weil Exzess der simpelste Garant dafür ist, sich selbst zu spüren - spätestens am Morgen danach. Gilt für Sex, gilt für Drogen, gilt auch schon für Alkohol.
"Ich will gefickt werden"
In dem Moment, in dem "The Diary of a Teenage Girl" Minnies Streben nach Geltung als Sackgasse entlarvt hat, wird der Film wirklich brillant. Seine erwachsenen Charaktere lässt er nämlich an genau den gleichen Hürden scheitern. Minnies Naivität ist vielleicht typisch Kind, doch die Sehnsüchte dahinter haben nicht nur Pubertisten gepachtet.
Die zugekokste Mutter, der nichtsnutzige Stiefvater - schöne Charaktere sind es nicht, die Kristen Wiig und Alexander Skarsgård da mit so viel Hingabe verkörpern. Ihre Widerwärtigkeit verurteilt der Film aber nicht. Stattdessen entscheidet er sich für einen viel klügeren, weniger offensichtlichen Ausweg. Statt die verlorenen Seelen zu richten, emanzipiert er diejenigen, die noch zu retten sind. Minnie ist ihre Stellvertreterin. Wenn sie in ihrem späteren Leben noch einmal sagt, "ich will gefickt werden - jetzt", dann nur noch aus den richtigen Gründen.
"The Diary of a Teenage Girl" läuft in den deutschen Kinos.
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Quelle: ntv.de