"Tatort" beginnt ohne Stimmen Trau' ihm, er isch a Polizeibeamter …
21.01.2024, 21:48 Uhr Artikel anhören
Wurden bei Richy Müller (r.) in diesem Fall als Kommissar Thorsten Lannert Erinnerungen wach?
(Foto: SWR / Benoît Linder)
Wie weit sich das Amt des TV-Kommissars dehnen lässt, konnte man im "Tatort: Zerrissen" erleben. Besonders Richy Müller alias Kommissar Lannert ging kompromisslos zu Werke. Im vergangenen Jahrtausend stand er selbst noch auf der anderen Seite des Gesetzes.
"Zerrissen" heißt der neue "Tatort". Und irgendwie "zerrissen" begann das Erlebnis für viele Zuschauer - zumindest akustisch. Die Ausstrahlung begann mit einer Ton-Panne. Rund zehn Minuten war zwar die Musikspur zu hören. Die Dialoge der Protagonisten aber kaum oder nicht - für einige Zuschauer zumindest. In den sozialen Netzwerken taten zahlreiche Nutzerinnen und Nutzer ihren Frust darüber kund. "Macht Mal den Ton an!!!" ist noch einer der netteren Kommentare. Wie dem auch sei: Der Ton kam dann irgendwie zurück, und auch an dieser Stelle soll es nun wieder um das Eigentliche gehen - den "Tatort":
Ob Richy Müller bei den Dreharbeiten zum "Tatort" wohl mal ans Jahr 1979 gedacht hat? Da lief Ende September der erste Teil von "Die große Flatter" im Fernsehen, nach einem Roman von Leonie Ossowski. Im Mittelpunkt stehen Joachim, genannt Schocker, gespielt von Jochen Schroeder, und sein Kumpel Richy, gespielt von Richy Müller. Der heißt damals noch ganz offiziell Hans-Jürgen mit Vornamen, übernimmt nach dieser prägenden Filmerfahrung jedoch den Spitznamen seiner Figur.
Leonie Ossowski hatte aus ihren Erfahrungen als Sozialarbeiterin ein packendes Buch gemacht, Regisseurin und Drehbuch-Autorin Marianne Lüdcke aus eben diesem Roman einen ebenso packenden Dreiteiler. Das Medienecho war groß, die Kritiken fielen ausgesprochen positiv aus. Dass das Leben in der Armensiedlung am Stadtrand von West-Berlin dem Publikum so eindrucksvoll nähergebracht wurde, war auch der Verdienst der beiden Hauptdarsteller. Jochen Schroeder, einige Jahre später als Zivi Mischa in der "Schwarzwaldklinik" unterwegs, gab den etwas optimistischeren Part, demgegenüber Richy Müller als Sohn eines tyrannischen Vaters (Günther Lamprecht), als hoffnungsloser Träumer, der Gitarrist in einer Rockband werden möchte, am Ende jedoch im Knast landet.
Fast schon perfide
Beim "Tatort" am Vorabend werden womöglich auch einige Zuschauer an eben diese "große Flatter" gedacht haben. Die Maslov-Brüder entspringen einem ähnlichen Milieu, sind dabei mit ungleich höherer krimineller Energie ausgestattet, der 13-jährige David, toll gespielt von Louis Guillaume, zwischen den Fronten "zerrissen", voller Träume bei minimaler Perspektive, wie einst Schocker und Richy. Eine ganz besondere Parallele: In beiden Filmen findet ein Raubüberfall ausgerechnet auf einen Juwelierladen statt. Im "Tatort" setzt das Verbrechen, bei dem eine Frau getötet wird, die Geschichte in Gang, in "Die große Flatter" passiert das Verbrechen gen Ende. Richy und Schocker überfallen ein Schmuckgeschäft im Europa-Center, ungeplant und stümperhaft, Richy verliert die Nerven und erschlägt den Besitzer.
Vielleicht hat Drehbuchautor Sönke Lars Neuwöhner das mit dem Juwelier ja sogar als kleines cineastisches Déjà-Vu eingebaut, die Darstellung der jungen Erwachsenen am Rand der Gesellschaft gelingt ihm jedenfalls ähnlich authentisch. Doch während David als Orientierung suchender Teenager fast wie ein Wiedergänger aus Leonie Ossowskis Roman erscheint, könnte Richy Müllers Part diesmal kaum gegensätzlicher sein. Fast schon perfide, wie sein Kommissar Lannert den Jungen umgarnt, ihn "knacken" will, wie er offen zugibt, alles im Dienste der Aufklärung dieses Falles. Vertrauen soll er ihm, dem Bullen mit dem sanften Timbre, dafür lässt der ihn sogar ein paar Runden mit dem Porsche drehen. Wie hieß es damals noch gleich bei Richard Gere in "Internal Affairs": Trau’ ihm, er ist ein Cop? Pustekuchen.
"Ich mach sie alle kaputt"
So skrupellos hat man Lannert wohl noch nie gesehen, und auch Bootz (Felix Klare) macht keine gute Figur. Da mag er dem Kollegen noch so sehr zureden, dass das alles nicht okay ist - als er selbst am Ende Annarosa (Caroline Cousin) mit zum Großeinsatz nimmt, bei dem David trotz schwerbewaffnetem Sonderkommando abgeknallt wird, das ist ein kolossal amateurhafter Move. Überhaupt: Jenes grausame Ende, das man dem tragischen Helden David hier ins Drehbuch schrieb - hätte es das wirklich gebraucht?
Auch für den Richy von damals endet der Traum von der großen Flatter in der Sackgasse, nach dem verkorksten Überfall kommt er ins Gefängnis. Für Läuterung sorgt das kaum, im Gegenteil. Als er seinen todkranken Vater im Krankenhaus noch einmal besuchen darf, flüstert er ihm seine Zukunftspläne ins Ohr: "Sie sind alle Schweine, Papa, ich mach sie alle kaputt."
Um einen Bankraub geht es im nächsten "Tatort", auch Leo Hölzer (Vladimir Burlakov) und sein Partner Adam Schürk (Daniel Sträßer) sind sich uneins darüber, wie in diesem Fall vorzugehen ist: "Der Fluch des Geldes" läuft am 28. Januar im Ersten.
Eine Sprecherin des Ersten Deutschen Fernsehens erläuterte am Abend, fast neun Minuten habe es bundesweit ein Problem mit der Ausspielung von Dolby-Surround gegeben. Gestört war demnach der Center-Kanal, auf dem üblicherweise die Stimmen und Dialoge zu hören sind. Auf Stereo-TV-Geräten gab es laut ARD keine Probleme.
Quelle: ntv.de