
Die Kanzlerin verlässt die Bühne, aber nur um zu bleiben: Angela Merkel bleibt unangefochten die Spitze der CDU.
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Interessant war, worüber beim CDU-Parteitag in Köln nicht gesprochen wurde: wie die Christdemokraten mit der AfD umgehen sollen und wer eines Tages Angela Merkel ablösen könnte. Immerhin: Ein paar Indizien gab es. Und es gibt noch ein paar andere Dinge, die man über den Parteitag wissen muss. Zwölf, um genau zu sein.
1. Angela Merkel ist die ewige Kanzlerin: Die Bundeskanzlerin wurde mit mit 96,7 Prozent der Stimmen als CDU-Vorsitzende wiedergewählt; das ist nur ihr zweitbestes Ergebnis. Dennoch ist Angela Merkel weiterhin unangefochtene Herrscherin im CDU-Universum: "Die CDU ist Merkel, und Merkel ist die CDU", bilanzierte n-tv Moderator Heiner Bremer.
Damit einher geht allerdings eine gewisse inhaltliche Leere. Merkel selbst legte nach dem Parteitag im Interview mit n-tv den Schwerpunkt auf die Wirtschaftspolitik. "Ich glaube, dass es ein Parteitag war, der die Themen auch für die Zukunft gesetzt hat, gerade im wirtschaftspolitischen Bereich, im Bereich des Zusammenhalts der Gesellschaft und bei der Nachhaltigkeit." Sie sei "mit dem Verlauf des Parteitags sehr zufrieden".
2. Julia Klöckner ist der Parteitagsliebling: Sie entspricht dem Wunschbild der Union: jung, modern und konservativ. Auf dem Parteitag plädierte die rheinland-pfälzische CDU-Chefin für ein Verbot von Gesichtsschleiern, indem sie die Rechte von Frauen einforderte. Am Mittwochmorgen brauchte sie ewig vom hinteren Ende der Halle bis zur Bühne - so oft umarmte, grüßte und winkte sie.
Tags zuvor war ihr Ergebnis das beste der fünf Merkel-Stellvertreter gewesen. Damit war sie, nach Merkel, die zweite große Siegerin des Parteitags, und im Gegensatz zu Merkel strahlte sie dabei sogar.
3. Ursula von der Leyen hält den Ball flach: Ihre inoffizielle Position als Kronprinzessin konnte die Verteidigungsministerin nur mangels echter Alternative behaupten - abgesehen von ihrer Bewerbungsrede als Merkel-Vize fiel Ursula von der Leyen in Köln kaum auf. Sie hat derzeit in der CDU keinen leichten Stand: Ganz Deutschland geht davon aus, dass diese Frau nichts lieber will, als Kanzlerin werden. Dazu kommt der möglicherweise ungerechtfertigte Eindruck, sie neige zu pathetischen Inszenierungen. Beliebt macht so etwas nicht.
Nur 70,5 Prozent der Delegierten wählten von der Leyen. Das ist kaum besser als die mageren 69 Prozent, die sie vor zwei Jahren erhielt. Vor allem aber ist es das schlechteste Ergebnis in der Riege der Vizevorsitzenden. Selbst der baden-württembergische CDU-Chef Thomas Strobl, der unlängst in einer Stichwahl um die Spitzenkandidatur bei der Landtagswahl unterlag, schnitt besser ab.
4. Mike Mohring wurde abgestraft: Am kommenden Samstag will der Thüringer CDU-Fraktionschef Mike Mohring Landesvorsitzender im Freistaat werden. Er ist der Mann, der in den nächsten Jahren im Kampf der CDU gegen Rot-Rot-Grün an vorderster Front steht. Im Bund haben die Christdemokraten die Abwehr von Rot-Rot-Grün als zentrale Aufgabe definiert. Das sind drei Gründe, warum Mohring in Köln mit einem guten Ergebnis in den Bundesvorstand hätte gewählt werden müssen.
Doch er fiel durch. Der Grund, der gegen ihn sprach, war offenbar wichtiger: sein Kurs der Annäherung an die AfD, von dem er sich längst selbst distanziert. "Die Mehrheit von Rot-Rot-Grün brechen wir nicht im Wettbewerb mit der AfD darum, wer die konservativere Politik macht", sagte er n-tv.de am Dienstag.
5. Jens Spahn kämpft sich durch: Er ist einer der großen Gewinner des Parteitags. Der Gesundheitspolitiker Jens Spahn hat es geschafft, an den Absprachen der Landesverbände vorbei ins Präsidium der CDU einzuziehen. Spahn steht für einen wirtschaftsfreundlichen Kurs, er lehnt die Rente mit 63 ab und findet, dass man in Deutschland zu viel von Risiken und zu wenig von Chancen spricht.
Zugleich ist er jung, offen homosexuell und ein Befürworter von Schwarz-Grün. Auf dem Parteitag fand er kritische Worte über jugendliche Migranten, die ihn und seinen Freund in Berlin auf der Straße anpöbeln. Darin ähnelt er Klöckner: Spahn ist modern und konservativ zugleich.
6. Rot-Rot-Grün ist das alte, neue Feindbild: Die Attacken auf die Linkspartei und auf die SPD lieferten einen Vorgeschmack auf die Bundestagswahl 2016. Die Union will ganz offensichtlich ihren Wahlkampfschlager von 2013 wiederbeleben: Wer Rot-Rot-Grün verhindern will, muss CDU wählen. Oder Merkel, was ja das gleiche ist. Den aktuellen Anlass für diese Strategie liefert, natürlich, die Wahl des Linken Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten von Thüringen.
7. Schwarz-Grün erhält Beifall: Viel war in Köln von den Grünen die Rede, und wenn Rot-Rot-Grün attackiert wurde, wurden sie - im Gegensatz zur SPD - auffallend geschont. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier brachte es unter dem Beifall der Delegierten auf den Punkt. In Deutschland gebe es noch zwei Landesregierungen, an denen die SPD nicht beteiligt ist, sagte er - seine, die schwarz-grün ist. Und die bayerische.
Eigentlich ist der Befund für die CDU ja noch schlimmer: Die Grünen sind an mehr Landesregierungen beteiligt als die CDU, nur noch vier Ministerpräsidenten sind Christdemokraten. Auf absehbare Zeit, das scheint die CDU verstanden zu haben, gibt es für sie aller Voraussicht nach nur Schwarz-Grün als Alternative zur Großen Koalition.
8. Die AfD ist igitt: Die Partei rechts von der CDU war der Elefant im Raum; alle wussten, dass sie da ist, kaum jemand traute sich, über sie zu sprechen. Selbst Generalsekretär Peter Tauber, zu dessen Aufgaben die Attacke gegen andere Parteien gehört, nahm den Namen "AfD" nicht in den Mund. Aber natürlich wusste jeder, wer gemeint war, als er von einem "Sammelbecken für Ewiggestrige, Zukunftsverweigerer und Weltverschwörungstheoretiker" sprach.
Merkel brach das Erwähnungstabu im n-tv Interview, sagte allerdings auch nur, was alle wissen: Die CDU schließt eine Zusammenarbeit aus. Das war's auch schon. Offen blieb, wie die CDU Wähler zurückgewinnen will, die sie an die AfD verloren hat.
10. CDU findet Moscheen gut: Mit einem Antrag zur Innenpolitik unter dem Titel "Mit einem starken Staat für Freiheit und Sicherheit" wollte die CDU zeigen, dass sie Ängste vor Kriminellen und Gewalttätern ernst nimmt. Breiten Raum nahm die Debatte darüber allerdings nicht ein.
In dem Antrag wird gewaltbereiten Islamisten der Kampf angesagt. Man kann der CDU jedoch nicht vorwerfen, dass sie damit der AfD nacheifere. Im zweiten Leitantrag, dem zur Wirtschaftspolitik, wird eine "Willkommenskultur" beschworen, "die deutlich macht, dass Fachkräfte aus anderen Ländern keine Bittsteller sind, sondern künftige Leistungsträger unseres Landes".
Ähnlich lief die Debatte über einen Antrag des Kreisverbands Frankfurt am Main, der Vollverschleierungen verbieten will. Das Anliegen wurde in die zuständigen Parteigremien geschoben - zu viele Fragen seien offen, argumentierte Innenminister Thomas de Maizière. Plumpe Kritik am Islam gab es nicht: Selbst der Antragsteller unterstrich, es sei gut, dass in Deutschland Moscheen gebaut würden.
11. Kalte Progression wird nicht so heiß gegessen: Ursprünglich sah es so aus, als werde der Streit um die Abschaffung der kalten Progression den Parteitag bestimmen. Doch das Thema wurde, typisch für die CDU, im Vorfeld durch einen Kompromiss geklärt, wenn auch ungewöhnlich spät.
12. Merkel will TTIP durchsetzen: Mehrere Redner sprachen sich ausdrücklich für ein Freihandelsabkommen mit den USA aus. Merkel argumentierte in ihrer Rede, wenn Deutschland als Exportnation seine "hohen Standards im Umweltschutz und im Verbraucherschutz" in Freihandelsabkommen verankern wolle, "dann müssen wir uns sputen". Diese Argumentationslinie wird vermutlich den Rahmen für die anstehende Auseinandersetzung mit SPD und Grünen bilden.
Quelle: ntv.de