Die 25.000-Euro-Frage Inflation: Das Schreckgespenst ist zurück
23.03.2022, 09:16 Uhr (aktualisiert)
Die Inflationsrate in Deutschland ist so hoch wie seit Jahrzehnten nicht.
(Foto: imago/Becker&Bredel)
Man sieht es jeden Tag an der Tankstelle und im Supermarkt: Die Geldentwertung geht regelrecht durch die Decke. Gegen die galoppierenden Inflationsraten schützen nur Sachwerte, also Immobilien, Aktien und Gold.
Jahrelang haben extrem niedrige oder sogar negative Zinsen den deutschen Sparer gequält. Glücklicherweise lag die Inflation meist in einer sehr niedrigen Spanne von null bis zwei Prozent, so dass sich die Einbußen der Kaufkraft in Grenzen hielten.
Doch im Februar schnellte in Deutschland die Inflationsrate auf 5,5 Prozent in die Höhe. Noch dramatischer stiegen die Produzentenpreise, die im Januar um 25 Prozent über dem Vorjahr lagen und sich mit etwas Verzögerung teilweise in den Verbraucherpreisen niederschlagen werden.

Marco Herrmann ist seit 1992 für renommierte Banken und Fondsgesellschaften tätig. Seit 2010 verantwortet er als Geschäftsführer die Anlagestrategie der FIDUKA.
Die Preise sind nicht punktuell, sondern breitflächig gestiegen, nachdem die Wirtschaft nach diversen Corona-Lockdowns wieder Fahrt aufgenommen hat. Eine aufgestaute Nachfrage ist auf eine beschränkte Produktionskapazität gestoßen. Hinzu kamen vielfältige Probleme in Lieferketten, die zu einem rasanten Anstieg der Frachtraten geführt hat. So haben sich die Preise zur Verschiffung von Schüttgut wie Kohle oder Getreide seit Ende Februar in etwa verdoppelt. Container-Raten auf der Route von China nach Los Angeles haben sich sogar versechsfacht.
Neben diesen Problemen kämpfen die Unternehmen auch noch mit einem zunehmenden Arbeitskräftemangel. Hier geht es nicht nur um Facharbeiter, sondern nun vor allem auch um die unteren Lohngruppen. In vielen Ländern Europas ist der Arbeitsmarkt wie leergefegt - die Arbeitslosenquote liegt mittlerweile unterhalb des Niveaus von vor der Corona-Pandemie. Die Auftragsbücher der Unternehmen sind meist randvoll, können aber nicht abgearbeitet werden, während gleichzeitig der Lohnkostendruck zunimmt. Das ist schön für die Arbeitnehmer, geht aber massiv zulasten der Verbraucher - zwei Seiten einer Medaille.
Krieg treibt Inflation nach oben
In dieser Situation kommt der militärische Einmarsch der Russen in die Ukraine hinzu. Die Ukraine, auch als Kornkammer Europas bekannt, ist ein global bedeutender Getreideproduzent. Aber auch die Versorgung mit anderen wichtigen Rohstoffen wie Gas, Öl und Nickel ist durch den Krieg und die damit verbundenen Sanktionen in Gefahr. Die Preise an den Rohstoffmärkten schlagen Kapriolen. Man muss kein Wirtschaftsexperte sein, um zu ahnen, dass die Inflationsraten in Deutschland noch weiter in die Höhe schnellen werden - der Blick auf die Benzinpreise an den Tankstellen spricht Bände.
Anleger sollten allerdings zwischen temporären und strukturellen Trends unterscheiden. Die Folgen des Kriegs für die Inflation sollten von vorübergehender Natur sein, können aber durchaus die nächsten beiden Jahre Belastungsfaktoren bleiben. Die Knappheit am Arbeitsmarkt ist dagegen strukturell, sofern nicht eine massive Wirtschaftskrise zu einer großen Entlassungswelle führt. Wie man in den USA sieht, ziehen die Löhne bereits kräftig an. Dort haben sie sich im Februar bereits um mehr als fünf Prozent erhöht. In solchen Situationen versuchen die Unternehmen immer, die gestiegenen Lohnkosten an ihre Kunden weiterzugeben. Die Gefahr einer sogenannten Lohn-Preis-Spirale nimmt stetig zu.
Keine massiven Zinserhöhungen
Das Ende der Globalisierung lässt die Preise ebenfalls steigen, wenn die günstigere Produktion im Ausland aus strategischen Gründen in heimische Gefilde verlagert wird. Das Wort Stagflation, also Inflation bei gleichzeitig stagnierendem Wirtschaftswachstum, macht die Runde. Das gab es zuletzt in den 1970er Jahren. Damals waren zwei Ölpreis-Schocks die Auslöser. Das sieht heute ganz ähnlich aus, nur dass es bereits vor diesem Energiepreis-Schock einen deutlichen Preisauftrieb gab.
Früher haben die Notenbanken mit massiven Zinserhöhungen gegen die Inflation angekämpft. In den USA stiegen die Leitzinsen Anfang der 1980er-Jahre auf mehr als 15 Prozent. Heute dürfte das bei der weltweit hohen Verschuldung nicht mehr machbar sein. Die Gefahren für das gesamte Finanzsystem wären zu hoch.
Einfach zuschauen geht aber auch nicht. Also werden die Notenbanker die Geldpolitik nur halbwegs straffen. Die US-amerikanische Zentralbank Fed peilt nach ihrem ersten Zinsschritt von 0,25 Prozent von Mitte März bis Ende des Jahres gerade einmal ein Niveau von knapp zwei Prozent an. Fairerweise ist aber auch davon auszugehen, dass die Weltwirtschaft ohnehin nun nicht mehr mit den erhofften drei bis vier Prozent wachsen wird, was den Inflationsdruck abmildern dürfte. Dagegen dürften die neuen Corona-Lockdowns in China, die laut der Bank of America zeitweise rund 40 Prozent der chinesischen Exporte betreffen, auch wieder zu gravierenden Störungen in den Lieferketten und folglich Produktionsausfällen führen.
Selbst wenn nach einem möglichen Kriegsende sich manche Versorgungssituation verbessern sollte, bleiben die strukturellen Inflationstreiber wie Löhne und De-Globalisierung erhalten. Die nächsten fünf bis zehn Jahre dürften somit große Herausforderungen bringen.
Die 25.000-Euro-Frage
Die Geldanlage sollte diesen Rahmenbedingungen gerecht werden. Es gilt das Gebot der breiten Streuung. Der Anteil der Sachwerte, also Immobilien, Aktien und Gold, sollte dabei überwiegen. Anleihen können mit ihren niedrigen Zinsen nicht ansatzweise einen Inflationsausgleich darstellen. Außerdem verlieren sie an Wert, falls die Zinsen zumindest weiter leicht steigend. Dasselbe droht fremdvermieteten Wohnungen und Häusern.
Aber auch Aktien können nicht unmittelbar gegen Inflation schützen, wie das derzeitige Börsengeschehen zeigt. Langfristig wohl aber schon. Die Unternehmen werden die höheren Kosten weitestgehend weitergeben können. Hinter den Unternehmen stehen zudem wirtschaftlich notwendige Tätigkeiten und Arbeitsplätze. Beides braucht die Politik und wird es somit schützen. Auch Gold schützt auf lange Sicht gegen steigende Verbraucherpreise und gilt als sicherer Hafen, wenn geopolitische Risiken eskalieren. Aktien sollten beim liquiden Vermögen also klar übergewichtet und Gold beigemischt werden.
Marco Herrmann ist seit 1992 für renommierte Banken und Fondsgesellschaften tätig. Seit 2010 verantwortet er als Geschäftsführer die Anlagestrategie der FIDUKA.
(Dieser Artikel wurde am Montag, 21. März 2022 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de