Mehr Vorsicht mit Quadrocoptern Bären haben Stress durch Drohnen
14.08.2015, 07:06 Uhr
Ein junger Schwarzbär.
(Foto: picture alliance / dpa)
Quadrocopter sind für die Wildtierforschung ein Segen. Für die Tiere jedoch, über deren Köpfe sie kreisen, bedeuten sie puren Stress. Das beweisen Forscher an Schwarzbären und rufen zu vorsichtigerem Einsatz der Fluggeräte auf.
Ein unbekanntes Flugobjekt am Himmel würde wohl fast jeden Menschen schrecken. Ähnlich geht es Bären, haben Forscher herausgefunden: Vor "Ufos" wie Quadrocoptern laufen die Tiere zwar nur selten weg, ihre Herz klopft aber rascher – ein deutliches Zeichen für Stress. "Wir hatten eine Bärin, deren Herzfrequenz um ungefähr das Vierfache zunahm – von 41 Schlägen pro Minute auf 162", berichtet Wildbiologe Mark Ditmer von der University of Minnesota in St. Paul.
Auch wenn dies ein schockierender Extremfall gewesen sei, zeige das Ergebnis deutlich, dass der zunehmende Einsatz kleiner, unbemannter Fluggeräte für die Wildbeobachtung die Tiere weit stärker beeinträchtigen kann als bisher angenommen, warnen die Wissenschaftler im Fachmagazin "Current Biology".
Das Team um Ditmer hatte vier Amerikanische Schwarzbären (Ursus americanus) im Nordwesten Minnesotas untersucht, die jeweils mit einem GPS-Sender am Halsband sowie einem Herzschlagmesser – einem sogenannten Biologger – ausgestattet waren. In insgesamt 18 Flügen wurde ein Quadrocopter zum jeweiligen Aufenthaltsort eines Tieres gesteuert und kreiste 20 Meter hoch für etwa fünf Minuten in seiner Nähe.
Keine Flucht, aber Herzrasen
Nur bei zweien der Flüge zeigten Bären merkliche Verhaltensänderungen. Bei allen vier Bären aber gab es jeweils starke physiologische Reaktionen auf das "Ufo" über ihrem Kopf: Ihr Herzschlag beschleunigte sich, verlangsamte sich nach dem ersten Schrecken aber auch rasch wieder. Dies galt vor allem für die zwei Bärinnen, die Jungtiere um sich hatten. "Ohne die Biologger hätten wir darauf geschlossen, dass Bären nur gelegentlich auf die Fluggeräte reagieren", so Ditmer.
Den zusätzlichen Stress für Tiere gelte es nun beim Einsatz von Quadrocoptern und anderen kleinen, unbemannten Flugobjekten für die Wildtierforschung und -überwachung künftig mit zu bedenken, betonen die US-Forscher. Auch an Regeln für die rasant zunehmende private Nutzung müsse verstärkt gedacht werden. Die US-Nationalparkverwaltung hatte die Nutzung von Drohnen und ähnlichen Geräten bereits 2014 untersagt, nachdem ein niedrig fliegendes Objekt im Zion-Nationalpark eine Herde von Dickhornschafen (Ovis canadensis) auseinandergetrieben hatte. Dabei wurden mehrere Lämmer von ihren Müttern getrennt.
"Solche Geräte haben enormes Potenzial für Forschung und Artenschutz", sagt Ditmer. "Bis wir wissen, welche Arten diese Flugobjekte tolerieren, ab welcher Distanz Tiere darauf reagieren und ob sich Individuen an ihre Präsenz gewöhnen oder nicht, müssen wir bei ihrer Verwendung Vorsicht walten lassen."

Bären haben relativ wenig Angst. Auf Futtersuche verirren sie sich schon mal in bewohnte Gebiete.
(Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb)
In einem Folgeversuch prüfen die Forscher inzwischen, ob sich in Gefangenschaft lebende Bären an Quadrocopter-Überflüge gewöhnen und wie lange dies dauert. Der Lebensraum der Schwarzbären überschneidet sich zum Teil mit dem des Grizzlybären. Er besiedelt Wälder und Grasland in Kanada, den USA und Nordmexiko. Zur Nahrung zählen vor allem Früchte, Beeren, Nüsse, Gräser und Wurzeln, aber auch Insekten, kleine Säuger oder Aas und Abfall.
Tierarten reagieren verschieden auf die Drohnen
In Deutschland stehe die Verwendung von Drohnen in der Wildtierforschung noch am Anfang, sagte Christian Trothe vom Institut für Wildbiologie Göttingen und Dresden. Genutzt würden die Fluggeräte vor allem für Bestandsschätzungen – zum Beispiel bei Vogelkolonien oder in schwer oder gar nicht zugänglichen Bereichen. Sein Institut arbeite zusammen mit der Universität Göttingen und der TU Dresden an einem Projekt zur Beobachtung von Rothirschen auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr in Bayern.
Die Auswirkungen von Drohnenflügen auf bestimmte Tiere seien in Deutschland seines Wissens nach noch nicht gezielt erforscht worden, ergänzte Trothe. Es gebe aber eine Reihe von Beobachtungen. Beim Flug eines Oktocopters über ihre Kolonien etwa hätten Möwen keine Fluchtreaktionen gezeigt, sein eigenes Team sei mit einer Drohne über einen im Rapsfeld liegenden Rothirsch geflogen, der sich ebenfalls nicht bewegt habe. Kormorane einer Brutkolonie an einem See hingegen seien beim Nahen eines solchen Fluggeräts sofort geflüchtet.
Kein erkennbarer Feind
Prinzipiell sei ein klarer Vorteil von Drohnen, dass ihre Form keinem real vorkommenden Feind ähnele. "Bei einem Flugzeug, dessen Silhouette der von Raubvögeln ähnelt, wäre der Fluchtreflex bei vielen Tieren sicher viel stärker." Zu erwarten sei auch, dass die Flugobjekte Beutetiere eher flüchten lassen als große Räuber, die kaum Feinde zu fürchten haben. "Bei ihnen spielt eher die Angst vor dem Unbekannten eine Rolle."
Forscher, Unternehmen und andere Nutzer, die ihre Drohnen nicht ausschließlich zum Sport und Freizeitvergnügen verwenden, benötigen in Deutschland eine Aufstiegserlaubnis, wie Trothe erklärte. Mit dieser verbunden sei das Verbot, Tiere gezielt anzufliegen. "Für Hobbyflieger aber gilt das nicht. Da fehlen noch Regeln." Lediglich in einzelnen Bundesländern gebe es spezielle Richtlinien – in Rheinland-Pfalz etwa benötige jeder Nutzer eine Aufstiegserlaubnis, an dessen Drohne eine Kamera hänge. Auch in den Schutzgebieten seien die Vorgaben noch uneinheitlich.
Quelle: ntv.de, jaz/dpa