Viel zu geringe Recyclingquote Die Welt versinkt im Elektroschrott
20.03.2024, 15:58 Uhr
Artikel anhören
Die Menge an Elektroschrott nimmt weltweit zu, viel zu wenig davon wird recycelt.
(Foto: dpa)
Der Global E-Waste Monitor zeigt, dass weltweit immer mehr Elektroschrott produziert und viel zu wenig recycelt wird - auch in Deutschland. Das ist nicht nur ein gewaltiges Umweltproblem, sondern auch eine sinnlose Verschwendung von Rohstoffen. Experten sagen, was zu tun ist.
Einem neuen UN-Bericht nach ist die Menge an weltweit produziertem Elektroschrott in den vergangenen Jahren dramatisch angestiegen. Laut dem Global E-Waste Monitor hat sich die Menge von 2010 bis 2022 von 34 auf 62 Millionen Tonnen nahezu verdoppelt. Gehe es so weiter, sei 2030 mit 82 Millionen Tonnen zu rechnen. Mit dem Elektro-Abfall aus dem Jahr 2022 könne man 1,55 Millionen 40-Tonnen-Lastwagen füllen, schreiben die Autoren. Stoßstange an Stoßstange würde die LKW-Kolonne dann ungefähr rund um den Äquator reichen.
Im Verhältnis zu dem rasant wachsenden Berg aus ausrangierten Handys, Laptops, Fernsehern, Kühlschränken und anderen Geräten hinkt das dokumentierte Recycling stark hinterher. Im Jahr 2022 sei weniger als ein Viertel (22,3 Prozent) des Elektroschrotts nachweislich ordnungsgemäß gesammelt und aufgearbeitet worden, so die Autoren des Berichts. Für 2030 könnte der Wert gar auf 20 Prozent sinken.
EU und Deutschland verfehlen Vorgaben deutlich
Im Vergleich der Kontinente liegt Europa beim Elektroschrott-Aufkommen mit 17,6 Kilogramm pro Kopf vorn, gefolgt von Ozeanien (16,1 Kilogramm) und Amerika (14,1 Kilogramm). Die EU hat mit 42 Prozent zwar auch die höchste Quote des offiziell gesammelten und recycelten Elektroschrotts. Ein Ruhmesblatt ist das aber nicht, denn damit wurde die seit 2019 geltende EU-Vorgabe von 65 Prozent nicht einmal annähernd erreicht. Und einem aktuellen Bericht des Europäischen Parlaments zufolge sind es aktuell sogar weniger als 40 Prozent.
Deutschland steht noch schlechter da. Den Zahlen des Umweltbundesamts nach erreichte die Bundesrepublik 2021 lediglich eine Quote von 38,6 Prozent. 2020 waren es noch 44,1 Prozent, 2017 wurde mit 45,1 Prozent die bisher höchste Quote erreicht.
Weniger Recycling, aber immer mehr Elektroschrott
Die gesunkene Quote liegt einerseits an rund 30.000 Tonnen weniger gesammeltem Schrott, aber auch an der ständig steigenden Menge an neu gekauften Elektrogeräten in Deutschland. Von 2011 bis 2021 hat sie sich auf rund 3,1 Millionen Tonnen fast verdoppelt. EU-weit stieg die Menge von 7,6 Millionen im Jahr 2012 auf 13,5 Millionen Tonnen 2021.
"Wir haben es mit einer ganz massiven Schieflage zu tun", sagt Rüdiger Kühr, einer der Autoren. "Das liegt maßgeblich daran, dass es in vielen Teilen der Welt weder entsprechende Gesetzgebung noch Infrastruktur für Sammlung und Recycling gibt. So kommen die Materialien nicht in den eigentlichen Recycling-Prozess."
Milliarden-Dollar-Werte an eigentlich wiedererlangbaren Ressourcen würden verschwendet, sagt Kühr. Hinzu kommen Gefahren für die Umwelt - denn Elektroschrott kann giftige Zusatzstoffe und gefährliche Substanzen wie Quecksilber enthalten. Er sollte darum auf die richtige Weise entsorgt und aufbereitet werden.
Beispiel E-Zigaretten
"Da sind zum Beispiel die E-Zigaretten zu nennen. Oder smarte Kleidung, die en vogue wird – etwa mit eingebauter Heizfunktion", zählt Kühr auf. Auch Kinderspielzeug funktioniere häufig nur noch mit einer Batterie oder einem Stecker.
Dass aus den einst neuen, schönen Produkten alsbald Schrott wird, hat viele Gründe. Einer davon: Reparaturen gestalten sich oft äußerst schwierig. Das liegt auch am Design der Geräte. Viele sind verklebt statt verschraubt, was es schwierig macht, sie ohne Schaden zu öffnen. "Das hat auch etwas mit den Kosten zu tun", erklärt Kühr. "Eine intelligente Verschraubung ist in der Herstellung kostenintensiver als eine Verklebung." Es müsse ein Umdenken geben. "Die Reparierbarkeit muss vereinfacht werden."
Ein Drittel Kleingeräte
Etwa ein Drittel des weltweiten Elektroschrotts bestand 2022 nach Einschätzung der Autoren aus eher kleinen Geräten wie Spielzeug, Mikrowellenherden oder E-Zigaretten. Die dokumentierten Recyclingquoten bei diesem Equipment sind nach wie vor sehr niedrig (12 Prozent). Ausrangierte Großgeräte wie Kühlschränke oder Waschmaschinen werden häufiger ordnungsgemäß aufbereitet.
Vielfach fehlt aber offenbar auch einfach das Wissen, was man mit dem ganzen Elektrozeugs machen soll, wenn es nicht mehr funktioniert - oder die Bequemlichkeit schlägt zu. Geschätzt 14 Millionen Tonnen Elektroschrott seien 2022 einfach in normale Mülltonnen gewandert, heißt es im Bericht.
Viele Geräte landen im Hausmüll
"Das größte Problem weltweit und in allen Ländern ist der Eintrag von Elektroschrott in Siedlungsabfälle, die deponiert oder verbrannt werden", sagt Christoph Helbig von der Universität Bayreuth, der selbst nicht am Bericht beteiligt war. Elektrogeräte gehörten niemals in die normale Hausmülltonne - die Kommunen seien gefragt, gute, niederschwellige Rückgabemöglichkeiten zu schaffen.
Ein Großteil des aus der EU exportierten Elektroschrotts landet in Afrika und anderen Entwicklungsländern.
(Foto: IMAGO/Joerg Boethling)
"Viele Menschen wissen schlicht nicht, was sie mit ausrangierten Elektrogeräten machen müssen", sagte Vanessa Gray, die ebenfalls am Bericht beteiligt war. Manch einer habe auch Angst, dass ein altes Telefon noch sensible Daten enthalte. "Es geht auch darum, ein Bewusstsein für diese Problematik zu schaffen. Die einfachste Lösung aller Elektroschrott-Probleme ist, gar keinen Elektroschrott zu produzieren."
Unkontrollierte Exporte
Problematisch ist auch der unkontrollierte Export von 3,3 Millionen Tonnen Elektroschrott als gebrauchte Elektronik, der insgesamt 65 Prozent der aus der EU ausgeführten Menge ausmacht. Der Müll werde oft unter unsäglichen Umwelt- und Sicherheitsbedingungen verwertet, sagt Magnus Fröhling, vom Campus Straubing für Biotechnologie und Nachhaltigkeit der Technischen Universität München. Er war nicht am Bericht beteiligt.
"Die dort gewonnenen wertvollen Metalle wie Kupfer werden wieder in den Globalen Norden exportiert, während die nicht werthaltigen Bestandteile – etwa Kunststoffabfälle – in diesen Zielländern verbleiben, sagt Fröhling. "Auf Schrottplätzen dort geht man buchstäblich auf diesen Resten. Die eigentliche Wertschöpfung durch das Recycling findet – wie schon bei den zuvor im Globalen Süden gewonnen primären Rohstoffen – erneut im Globalen Norden statt." Dies müsse bekämpft werden, etwa durch eine Kontrolle von Funktions- und Qualitätsanforderungen. Bei den formellen Exporten müsse eine sachgemäße Verwertung sichergestellt werden, fordert der Experte.
Digitalisierung verschärft das Problem
Die Autoren des Global E-Waste Monitor blicken auch sorgenvoll in die Zukunft. "Wir müssen klar sehen: Die Digitalisierung erfordert mehr elektronische Artikel und kritische Rohstoffe", sagte Vanessa Gray. "Wir wissen zum Beispiel, dass ein Drittel der Weltbevölkerung noch nicht an das Internet angeschlossen ist. Wenn wir diese Menschen über die nächsten Jahre an der Digitalisierung teilnehmen lassen wollen, brauchen wir viel Material", sagte sie. "Das wird natürlich auch zu mehr Elektroschrott führen."
Quelle: ntv.de, Mit dpa