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Verständnis von Virenübertragung Erstmals tierische DNA aus Luft gesammelt

Die Versuchsanlage mit Nacktmull-Kolonien.

Die Versuchsanlage mit Nacktmull-Kolonien.

(Foto: Elizabeth L. Clare/dpa)

Zum ersten Mal isolieren Forscher tierische DNA aus der Umgebungsluft. Bisher war das bereits aus Wasser gelungen. Das Verfahren zur Gewinnung der "AirDNA" könnte auch bei der Aufklärung von Verbrechen helfen - oder dabei, die Verbreitung von luftübertragenen Krankheiten wie Covid-19 besser zu verstehen.

Erstmals haben Wissenschaftler nach eigenen Angaben tierische Erbgutspuren aus Luftproben isoliert. Tier-DNA wurde bislang vor allem aus Wasserproben gefiltert, um Meeresbewohner zu studieren. Solches Erbgut nun auch aus der Luft extrahieren zu können, eröffne neue Möglichkeiten für ökologische, gesundheitliche und sogar forensische Anwendungen, schreiben die britischen Biologen im Fachblatt "PeerJ".

Die Erforschung von Umwelt-DNA-Proben beschäftigt Wissenschaftler seit Jahren. Diese eDNA (environmental DNA) bezeichnet genetische Hinterlassenschaften von Lebewesen, die etwa aus Hautschuppen, ausgefallenen Haaren oder Federn, Urin und Fäkalien sowie Speichel stammen können. Das Auffinden solcher Erbgutreste gilt als zukunftsträchtiges Mittel etwa zur Überwachung der Artenvielfalt und für die ökologische Forschung generell. Doch trotz des Interesses von Wissenschaft und Umweltorganisationen wurden solche Verfahren bislang vor allem für aquatische Systeme wie Ozeane, Seen und Flüsse genutzt - etwa um daraus Bestände von Haien oder Wanderungen von Fischen abzuleiten. Vereinzelt haben Forscher Umwelt-DNA auch aus Bodenproben sowie Eis, Schnee und Regen extrahiert.

Nachweis, dass tierische DNA aus Luftproben genommen werden kann

Bislang stand indes der Nachweis aus, dass tierische DNA auch aus Luftproben genommen werden kann. Diese Lücke schließt nun der Machbarkeitsnachweis der Wissenschaftler um Elizabeth Clare von der Queen Mary University in London. Das Team nutzte dafür einen zwölf Quadratmeter großen Raum, in dem Nacktmulle (Heterocephalus glaber) mehr als ein Jahr lang in einem künstlich angelegten Höhlensystem lebten. Insgesamt beherbergte das System 225 Nager in 15 Kolonien.

Die Wissenschaftler installierten eine Pumpe, mit der sie Luft aus dem Tunnelsystem saugten und durch einen sehr feinen Filter führten. Tatsächlich fanden sie darin in der folgenden Analyse Erbgutspuren der Nacktmulle. "Hier liefern wir den ersten veröffentlichten Nachweis dafür, dass tierische eDNA aus der Luft gesammelt werden kann, was weitere Möglichkeiten für die Untersuchung von Tiergemeinschaften in schwer zugänglichen Umgebungen wie Höhlen und Höhlengängen eröffnet", kommentiert Clare in einer Mitteilung zur Studie.

Fledermäuse überwachen, ohne sie zu stören

Die "AirDNA" könnte auch ein neues Instrument sein, um Fledermäuse zu beobachten und zu erforschen.

Die "AirDNA" könnte auch ein neues Instrument sein, um Fledermäuse zu beobachten und zu erforschen.

(Foto: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/ZB/Symbolbild)

Als Beispiel verweist sie etwa auf die schwierige Erforschung von Fledermäusen: "Wir können die Präsenz der Tiere überwachen, ohne sie zu stören." Entsprechend werde die "AirDNA" vermutlich ein neues Instrument, um Artenvielfalt zu untersuchen.

Überraschenderweise ließ sich in den Proben auch menschliche DNA nachweisen, die vermutlich von Mitarbeitern stammte. Das eröffne potenziell Optionen für forensische Analysen, etwa wenn an Tatorten keine sichtbaren Spuren wie Blut oder Haare zu finden seien. Darüber hinaus könnte aus der Luft extrahiertes Erbgut auch genutzt werden, um Mikroben und Krankheitserreger zu erkennen.

Wie weit können sich Viruspartikel bewegen?

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"Zum Beispiel könnte uns diese Technik helfen, die Verbreitung von luftübertragenen Krankheiten wie Covid-19 besser zu verstehen", führt Clare aus. Derzeit basierten Richtlinien zum Abstandhalten auf Physik und Schätzungen dazu, wie weit sich Viruspartikel bewegen könnten. "Aber mit dieser Technik könnten wir tatsächlich Proben aus der Luft nehmen und reale Belege sammeln, um solche Richtlinien zu unterstützen."

Bis dahin müssten allerdings noch einige Hürden überwunden werden. Gerade in offenen Umgebungen könnten sich Erbgutspuren zu einer "bedeutungslosen Suppe" vermischen, schreiben die Autoren, in der "alles überall" sei. Zudem müsste für solche Analysen sehr viel Luft eingesogen werden. Das funktioniere in kleineren Räumen gut, sei aber in größeren eine technische Herausforderung.

Quelle: ntv.de, Alice Lanzke, dpa

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