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El Niño steckt hinter Ritual Größtes Kinder-Massenopfer rekonstruiert

Mumifizierte Kinder: An der Fundstätte bemerkten Anwohner im Jahr 2011 Dutzende Knochen, die aus den Dünen ragten.

Mumifizierte Kinder: An der Fundstätte bemerkten Anwohner im Jahr 2011 Dutzende Knochen, die aus den Dünen ragten.

(Foto: John Verano/dpa)

In Peru finden Archäologen ein Massengrab mit Kindern und Tieren. Hier wurden im 15. Jahrhundert fast 140 Kinder und mehr als 200 junge Lamas geopfert. Nun finden die Forscher heraus, was der Grund für das grausame Ritual war.

In Nordperu haben Forscher Überreste der größten Massenopferung von Kindern weltweit entdeckt. An dem Ort nahe der heutigen Stadt Trujillo an der Pazifikküste töteten Mitglieder der Chimú-Kultur im 15. Jahrhundert bei einem Ritual rund 140 Kinder und mehr als 200 Lamas oder Alpakas. Im Fachblatt "PLOS One" enthüllen die Forscher um Gabriel Prieto von der Universität Trujillo die Umstände des Massenopfers - und auch den mutmaßlichen Grund.

Berichte über Kinderopfer gibt es aus diversen Kulturen, viele davon seien aber umstritten, schreibt das Team. Eindeutige Belege gebe es vor allem aus der Neuen Welt: etwa aus der Azteken-Hauptstadt Tenochtitlan, dem heutigen Mexiko-Stadt, von den Inkas im heutigen Peru und nun auch von der Chimú-Kultur.

Das Chimú-Reich erstreckte sich zu seiner Blütezeit im 15. Jahrhundert vom heutigen Lima etwa 1000 Kilometer entlang der Pazifikküste nach Norden bis zur heutigen Grenze Perus mit Ecuador. Die Menschen verarbeiteten Metall, betrieben Landwirtschaft mit ausgeklügelten Bewässerungssystemen, und die nahe Trujillo gelegene Hauptstadt Chan Chan war eine der größten Städte Amerikas. In der zweiten Hälfte der 15. Jahrhunderts wurde das Reich von den Inkas erobert.

Menschenopfer in der Chimú-Kultur

Die Skelette deuten darauf hin, dass den Kindern der Brustkorb geöffnet wurde - vermutlich, um das Herz zu entnehmen.

Die Skelette deuten darauf hin, dass den Kindern der Brustkorb geöffnet wurde - vermutlich, um das Herz zu entnehmen.

(Foto: John Verano/dpa)

Dass es in der Chimú-Kultur Menschenopfer gab, war bereits bekannt. So fanden Archäologen in Chan Chan in den 1970er-Jahren die Überreste Hunderter junger Frauen, die offenbar bei Bestattungen von Königen geopfert worden waren. Die jetzige Fundstätte Huanchaquito-Las Llamas lag knapp außerhalb von Chan Chan, etwa 350 Meter von der Pazifikküste entfernt.

Hier bemerkten Anwohner im Jahr 2011 Dutzende Knochen, die aus den Dünen ragten. Auf dem 700 Quadratmeter - 50 mal 14 Meter - großen Areal fanden Archäologen dann die Überreste von 137 Kindern, drei Erwachsenen und mehr als 200 jungen Lamas oder Alpakas. Die Kinder waren Jungen und Mädchen im Alter von 5 bis 14 Jahren, die Tiere waren sämtlich jünger als 18 Monate, die meisten sogar jünger als 9 Monate.

Kinder waren gesund und gut ernährt

Die Analysen deuten darauf hin, dass die Kinder gesund und gut ernährt waren - mithin also nicht aus ärmeren Verhältnissen stammten. Zudem zeigen verschiedenartige Schädelmanipulationen ebenso wie Analysen der in den Kochen eingelagerten Stickstoff- und Kohlenstoff-Isotope, dass die Kinder aus verschiedenen Teilen des Chimú-Reiches kamen.

Die Skelette deuten darauf hin, dass den Kindern und auch den Tieren der Brustkorb geöffnet wurde, vermutlich um das Herz zu entnehmen. Bei den Erwachsenen - zwei Frauen und ein Mann - war das nicht der Fall.

Die Forscher gehen davon aus, dass alle Opfer bei einem einzelnen, von Priestern oder anderen Amtsträgern organisierten Ritual getötet wurden. Sie datieren das Grab auf die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts und damit auf die späte Phase des Chimú-Reichs, das um 1470 erobert wurde.

"Versuch, die Götter zu besänftigen"

Details der Fundstelle enthüllen möglicherweise auch den Grund für das Ritual: Sie ist von einer dicken Schlammschicht überzogen, in die das Massengrab eingelassen waren. Fuß- und Hufabdrücke belegen, dass der Schlamm zur Zeit der Opferung noch feucht war.

Die Forscher vermuten, dass der eigentlich sehr trockene Ort damals von heftigen Niederschlägen und Überflutungen heimgesucht wurde. Dies führen sie auf das Klimaphänomen El Niño zurück, das der Küstenregion bis heute regelmäßig Überflutungen beschert.

"Die Opferung einer so großen Zahl von Kindern und Kamelen war für den Chimú-Staat eine bedeutende Investition von Ressourcen", schreiben sie. "Die Versuchung für die Annahme ist groß, dass die Massenopferung von Kindern und Kamelen ein Versuch war, die Götter zu besänftigen und die Auswirkungen einer größeren El-Niño-Ereignisses zu mildern, das um die Zeit von 1400 bis 1450 geschah."

Quelle: ntv.de, Walter Willems, dpa

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