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Widerstand oder Akzeptanz? Impfskepsis ist nicht unveränderlich

Viele lassen sich von der Wirksamkeit der Impfung überzeugen.

Viele lassen sich von der Wirksamkeit der Impfung überzeugen.

(Foto: dpa)

Einmal impfskeptisch, immer impfskeptisch? So ist es offenbar nicht, wie eine repräsentative Studie zeigt. Die meisten Impfskeptiker rücken demnach an zumindest einem Punkt des Pandemieverlaufs von ihrem Widerstand ab.

Deutschland hat den Plan einer allgemeinen Impfpflicht noch nicht aufgegeben, auch wenn das Thema weiter sehr kontrovers diskutiert wird. Aber nicht nur Deutschland hat das Problem, dass der Anteil an freiwillig Geimpften nicht ausreicht, um die Corona-Pandemie zu beenden. Im Zentrum der Überlegungen steht häufig die Frage, ob eine Impfpflicht zu einer Steigerung der Impfraten führt oder die Verpflichtung mögliche Impfskepsis noch verstärkt.

Forschende der Universität Konstanz und des Santa Fe Institute (USA) haben untersucht, wie sich zwischen April 2020 und Mai 2021 in einer Gruppe von 2000 Menschen die Haltung zur Impfung entwickelt hat. Bei der Online-Studie wurden dieselben Personen zu drei verschiedenen Zeitpunkten vom Exzellenzcluster "The Politics of Inequality" an der Universität Konstanz befragt. Dadurch konnten die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nachvollziehen, ob und wie sich die Haltung dieser Personen zur Impfung im Verlauf der Pandemie änderte. Die Studie wurde im Fachjournal Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA (PNAS) veröffentlicht.

"Nur ein sehr kleiner, 'harter Kern' der Impfgegner hat permanent die freiwillige Impfung abgelehnt", wird Katrin Schmelz in einer Mitteilung der Uni Konstanz zitiert. Die Verhaltensökonomin war an der Studie beteiligt. Dies traf nur auf 3,3 Prozent der Befragten zu. Es gebe "zweifellos einen harten Kern" an Impfgegnern und -gegnerinnen, die sich "partout nicht überzeugen lassen". Beim weitaus größeren Teil der impfskeptischen Personen waren die Meinungen aber nicht unverrückbar. Eine Rolle spielte dabei einerseits die wahrgenommene Bedrohungslage durch die Pandemie, andererseits aber auch ein gewachsenes Vertrauen in die staatlichen Maßnahmen und insbesondere in die Wirksamkeit der Impfung.

Keine Bildungs- oder Einkommensfrage

Die Studie bestätigt auch, dass der Dissens bezüglich der Impfung mitten durch die Gesellschaft geht. "Die konsequenten Impfgegner sind statistisch nicht von anderen unterscheidbar, was Bildung, Einkommen, Geschlecht und andere sozio-demografische Faktoren angeht", ergänzt Prof. Samuel Bowles, Wirtschaftswissenschaftler am Santa Fe Insitute und Co-Autor der Studie. "Das ist vergleichbar mit den USA, wo die Unterschiede in der Haltung zur Impfung zwischen Republikanern und Demokraten weitaus größer sind als zwischen verschiedenen Einkommensgruppen, Bildungsniveaus oder ethnischen Gruppen", so Bowles.

Nach Ansicht der Forschenden war es aber richtig, bei der Corona-Immunisierung zunächst auf Freiwilligkeit zu setzen. "Im Fall einer frühen Impfpflicht wäre der Anteil der hartnäckigen Impfgegner jedoch auf 16,5 Prozent gestiegen - das ist das Fünffache des 'harten Kerns' an Gegnern der freiwilligen Impfung", so Schmelz.

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Dennoch sehe man in der augenblicklichen Pandemielage einen Sinn in einer möglichen Impfpflicht, so die Forschenden. "Wenn das Ziel ist, möglichst alle Impflücken zu schließen und die Auffrischungsimpfungen langfristig auf hohem Niveau zu halten, wird sich eine Impfpflicht nicht vermeiden lassen", so Schmelz. Trotzdem müsse man auch dann weiter daran arbeiten, das Vertrauen der Menschen zu gewinnen und Skeptiker vom Sinn der Impfung zu überzeugen. "Falls eine Impfpflicht in Kraft treten sollte, dann sollten fachliches Überzeugen und gesetzlicher Zwang kein Entweder-oder sein, sondern ineinandergreifen."

Die Impfskepsis resultiere sehr häufig aus einem Misstrauen gegenüber der Regierung, fanden die Forschenden heraus. Gerade darum sei es im Fall einer Impfpflicht umso wichtiger, dass Verständnis für den Sinn der Maßnahme geschaffen würde. Das Vertrauen in den Staat sei für das Impfverhalten entscheidend, unterstreicht Schmelz: "Der Gesetzgeber befürchtet zu Recht, dass die Einführung einer Impfpflicht das Vertrauen der Personen, auf die eine Impfpflicht abzielt, untergraben würde. Um jedoch das Vertrauen der großen, geimpften Mehrheit zu erhalten, könnte es hingegen erforderlich sein, eine schärfere Linie gegen das Virus zu fahren, darunter eine Impfpflicht", schlussfolgern die Forschenden.

Quelle: ntv.de, sba

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