Studie zeigt positive Effekte Ist Intervallfasten mit Protein die ideale Diät?
29.05.2024, 07:58 Uhr Artikel anhören
Die Studie gibt wenig Aufschluss darüber, was beim Abnehmen tatsächlich hilft.
(Foto: IMAGO/Bihlmayerfotografie)
Intervallfasten mit regelmäßiger Einnahme von Eiweiß soll einer Studie zufolge Übergewichtigen wirksam beim Abnehmen helfen. Experten bestätigen positive Effekte, allgemeine Ernährungsempfehlungen könne man daraus aber nicht ableiten, sagen sie.
Wenn es darum geht, abzunehmen, setzen viele Menschen auf das sogenannte Intervallfasten. Das heißt, Phasen, in denen man isst und Phasen, in denen man fastet, wechseln sich ab. Dabei gibt es verschiedene Methoden, beispielsweise die 16/8-Methode, bei der man 16 Stunden fastet und innerhalb eines achtstündigen Zeitfensters Nahrung zu sich nimmt.
Laut einer im Fachjournal "Nature Communications" erschienenen neuen Studie soll Intervallfasten in Kombination mit der regelmäßigen Einnahme von kleineren Mengen Eiweiß (Protein-Pacing) übergewichtigen Menschen besonders gut bei der Gewichtsreduzierung helfen. Vom Science Media Center (SMC) befragte Experten bezweifeln allerdings die Aussagekraft der Arbeit, vor allem hinsichtlich möglicher Ernährungsempfehlungen.
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Probanden essen Sponsoren-Produkte
An der Studie einer Forschungsgruppe um Paul J. Arciero der Arizona State University nahmen 41 übergewichtige Personen teil. Während des Studienzeitraums von acht Wochen praktizierte die Hälfte der Probanden Intervallfasten mit Protein-Pacing, wofür sie Produkte der Firma Isagenix International LLC konsumierte, die die Studie zudem finanziell unterstützte. Die andere Hälfte der Studienteilnehmer hielt sich an eine mediterrane, kalorienreduzierte Ernährungsform.
Die Protein-Fastenden nahmen im Durchschnitt etwa drei Prozent des ursprünglichen Körpergewichts mehr ab als die Kontrollgruppe. Ebenso hatten sie weniger Magen-Darm-Beschwerden und die Studienverfasser stellten in der Protein-Gruppe eine Zunahme von Darmbakterien fest, die sich positiv auf eine Gewichtsabnahme auswirken können. Außerdem gebe es bekannte Assoziationen der untersuchten Immunbotenstoff-Proteine (Zytokinen) unter anderem mit Übergewicht, Insulinsensitivität oder dem Abbau von Fettgewebe (Lipolyse), schreiben sie.
Kleine Gruppe, sehr spezifische Effekte
Die Studie sei nur teilweise methodisch gut durchgeführt, sagt Stefan Kabisch, der an der Berliner Charité Studienarzt für Endokrinologie und Stoffwechselmedizin ist. "Da das Intervallfasten mit proteinreicher Ernährung und der Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln gekoppelt wurde, lassen sich die Effekte dieser Gruppe nur exakt auf diese Kombination, aber auf keinen isolierten Ansatz wie etwa Fasten oder proteinreiche Diät oder Supplemente zurückführen."
Die geringe Zahl der Probanden sei zudem für sehr grundlegende medizinische Daten wie Körpergewicht oder Routine-Blutwerte kaum aussagekräftig, kritisiert Kabisch. Zusätzlich seien die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nur übergewichtig oder adipös gewesen, hätten aber keinerlei Stoffwechselerkrankungen wie Bluthochdruck oder Diabetes gehabt, sagt er. "Daher sind klinisch relevante Verbesserungen des Stoffwechsels kaum messbar, mögliche Verschlechterungen innerhalb von acht Wochen aber auch kaum zu erwarten."
Kausalität nicht nachgewiesen
Wie genau sich das Intervallfasten mit Protein-Pacing auf das Darm-Mikrobiom auswirkt, ob es eine Kausalität gibt, kann die Studie dem Experten zufolge nicht belegen. Das Mikrobiom besteht aus Bakterien, Viren, Pilzen und anderen Mikroben. Die Zusammensetzung ist von vielen Faktoren wie Genetik, Umweltfaktoren, Alter und Ernährungsgewohnheiten abhängig.
Es habe zu viele gleichzeitige Veränderungen bei der Nahrungsaufnahme der Probanden gegeben, sagt Kabisch. "Kalorienreduktion plus Änderung der Nahrungsqualität - proteinreich-kohlenhydratarm beziehungsweise fettarm-kohlenhydratreich - plus wöchentliche Schwankung der Mahlzeitengröße (Intervallfasten) plus Supplementierung mit antioxidativen Nahrungsergänzungsmitteln in der Intervallfastengruppe. Welche Komponente welche Wirkung hervorgerufen hat, ist somit vollkommen unklar."
Erstaunlich hohe Gewichtsabnahme
Auch für Christian Sina lässt die Studie eine Kausalität nur vermuten, kann sie aber nicht beweisen. Er ist Direktor des Instituts für Ernährungsmedizin am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein. Er stellt allerdings fest, dass die Gewichtsabnahme der intervallfastenden Gruppe mit Protein-Pacing erstaunlich hoch gewesen sei. "Teilt man die Gruppen nach dem Erfolg der Diät in Bezug auf das Körpergewicht, so sieht man Veränderungen der Diversität des Mikrobioms bis auf die Ebene einzelner Bakterienarten", sagt er.
Leider sei diese Analyse offenbar nicht in der anderen Gruppe gemacht worden, so Sina. So bleibe es offen, "ob die Veränderungen tatsächlich Ergebnis der Zusammensetzung der Diät sind oder nicht doch durch die Gewichtsabnahme selbst hervorgerufen wurde."
Langfristige Wirkung offen
Die Studie liefere auch keine Erkenntnisse darüber, ob eine langfristige Gewichtsabnahme durch die Änderung des Mikrobiom zu erwarten sei, sind sich beide Experten einig. Es sei sehr verwunderlich, dass keine nachfolgenden Daten mitveröffentlicht worden seien, sagt Sina.
Zur Beurteilung der langfristigen Gewichtsentwicklung brauche es randomisiert-kontrollierte Studien mit deutlich längerer Laufzeit, ergänzt Kabisch. Der Mechanismus hinter der starken Abnahme der Fettmasse bei den Intervallfastenden sei unklar, aber definitiv von Interesse, bemerkt er. Ursächlich sei am wahrscheinlichsten der hohe Proteinanteil der Ernährung.
Schnelles Abnehmen nicht unbedingt gut
Beide Experten stellen infrage, ob das Intervallfasten mit Protein-Pacing überhaupt einen gesundheitlichen Vorteil bietet. Trotz Gewichtsabnahme erhöhte Entzündungsparameter ließen Zweifel daran aufkommen, so Kabisch. Ebenso komme es möglicherweise zu einer problematischen Veränderung der Inkretin-Freisetzung. Inkretine stimulieren die Insulin-Ausschüttung nach der Nahrungsaufnahme. Es sei auch unklar, ob für die Probanden, die außer ihrem Übergewicht gesund seien, eine langsamere Gewichtsabnahme nicht vorteilhafter sei.
Die Studie widerlege auch nicht den mit anderen Studien "hervorragend belegten Nutzen der" traditionell-mediterranen Ernährung, sagt Kabisch. Die Diätpläne hätten keine verbindliche Aufnahme von fettigem Fisch, Nüssen, Olivenöl und Gemüsemengen vorgegeben. Das sieht auch Sina so. "Die Schlussfolgerung, dass Intervallfasten mit vielen Proteinprodukten gesünder ist als eine kalorienreduzierte mediterrane Diät, ist wissenschaftlich meiner Ansicht nach unzulässig", sagt er.
Quelle: ntv.de, kwe