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Weltuntergang fällt aus Nächste Endzeit kommt bestimmt

Und immer wieder geht die Sonne auf...

Und immer wieder geht die Sonne auf...

(Foto: picture alliance / dpa)

Allen Unkenrufen zum Trotz dreht sich die Erde weiter. Doch wer glaubt, dass diese Tatsache Zweifel bei denen wecken könnte, die fest mit dem Ende der Welt gerechnet haben, irrt. Der Sektenexperte Hugo Stamm hat dafür eine einfache Erklärung: Endzeitvorstellungen sind ein religiöses Businessmodell. Deshalb wird es auch nicht lange dauern, bis es den nächsten Termin für den Weltuntergang gibt.

n-tv.de: Die Welt ist schon zur Jahrtausendwende nicht untergegangen und nun aller Voraussicht nach wieder nicht. Warum glauben die Menschen diese Szenarien trotzdem immer wieder?

Hugo Stamm: Dabei spielt Angst eine große Rolle. Wir alle haben Existenzängste, Angst vor  dem Sterben beispielsweise. Im Alltag erleben wir dauernd individuelle Apokalypsen. In Krankenhäusern passiert der persönliche Weltuntergang täglich, beispielsweise durch eine Krebsdiagnose. Diese individuellen Erfahrungen verbinden sich mit kollektiven apokalyptischen Urbildern. Das ist ein unheilvoller Mix, den man nur mit Vernunft und rationaler Aufklärung auflösen kann. Aber Ängste sind oft irrational, weshalb sich immer wieder viele Leute verunsichern lassen. Es sind vor allem ängstliche, übersensible und auch psychisch belastete Menschen, die tatsächlich glauben, die Welt könnte untergehen. Für viele Menschen hat das gedruckte Wort eine normative Kraft. Sie können nicht abstrahieren auf das, was dahinter steckt, sondern sie glauben, dass die Ereignisse in einem höheren Zusammenhang stünden. Wenn alle Welt davon spricht, dann muss ja etwas dran sein.

Warum hat es keine Auswirkungen, dass alle bisher vorhergesagten Weltuntergänge nicht eingetroffen sind?

Die große Mehrheit bringt schon so viel Vernunft auf und zieht den Schluss, dass die Welt nicht untergeht. Nur eine Minderheit entwickelt Existenzängste. Apokalyptische Vorstellungen haben etwas Magisches und entziehen sich der Ratio.  Man ist fixiert auf Ängste, und wenn die Ängste das Bewusstsein dominieren, dann sind rationale Argumente nicht sehr überzeugend.

Sie bezeichnen in Ihrem Buch Endzeitvorstellungen als religiöses Businessmodel. Wie funktioniert dieses Modell?

Man kann das sehr schön am Beispiel des südfranzösischen Dorfes Bugarach erklären. Das ist ein seit langem von Esoterikern besuchter "Kraftort". Irgendwann hat der Bürgermeister gesagt, dass hier das Überleben gesichert sei, wenn die apokalyptischen Stürme über die Erde fegen. Das haben die Medien aufgenommen, und es entwickelte sich zu einem Selbstläufer. Der Bürgermeister hat bis heute nicht gesagt, ob er das ernst gemeint hat oder nicht. Aber es kamen sehr viele Leute dorthin, in der Hoffnung zu überleben. Für das abgeschiedene und verarmte Dorf war das eine effektvolle PR. Das Businessmodell zeigt sich aber auch daran, was es alles im Zusammenhang mit dem Ende der Welt zu kaufen gibt. Es gibt Überlebenskits, man konnte Plätze in einer Arche oder in einem atomsicheren Bunker kaufen. Weil man weiß, dass Endzeitszenarien die Massen faszinieren, folgt die Kommerzialisierung auf dem Fuß. In der Angst sind die Menschen bereit, das Portemonnaie zu öffnen.  Für die Endzeitpropheten ist das zudem eine einfache Rechnung. Wer als Opinion-Leader vorn mitmischt, der gilt etwas in der Esoterik-Szene und kann auch über die Endzeit hinaus Seminare anbieten, Klienten generieren und damit Geld verdienen.

Sie haben die esoterische Schiene schon erwähnt, aber es sind auch Rechtsextreme und christliche Fundamentalisten, die die Vorstellung der Apokalypse pflegen. Was verbindet diese Gruppen miteinander?

Dahinter stecken starke Eigeninteressen. Alle wollen damit Werbung betreiben oder missionieren. Der Glaube an die Endzeit schweißt zusammen. Damit wird eine weltanschauliche oder politische Gruppe stark, das führt zu einem Zuwachs an Mitgliedern. Die Motive sind also sehr weltlich. Man nutzt diese Mythen, um die eigene Gruppe zu bewirtschaften.

Warum greifen verschiedene Gruppen immer wieder auf die Idee vom Weltuntergang zurück?

Hugo Stamm hat ein Buch über die Endzeithysterie in Sekten und esoterischen Gruppen geschrieben.

Hugo Stamm hat ein Buch über die Endzeithysterie in Sekten und esoterischen Gruppen geschrieben.

(Foto: privat)

Der Gedanke von der Endzeit ist ein Herrs chaftsinstrument, dient also auch der Unterdrückung. Wer daran glaubt und Angst entwickelt, der vertraut dem jeweiligen Guru und gibt die eigene Verantwortung und die eigene Freiheit auf und unterwirft sich. Damit gibt es auch ein faschistoides Moment. Deshalb sind auch nicht die Linken, sondern die Rechtsradikalen, die da mitmischen und eine pseudoreligiöse Komponente einbringen. Sie sagen, unsere Wurzeln liegen bei den germanischen Göttern und eben nicht im Judentum. Sie nutzen diese Folie, um ihr rechtsradikales Gedankengut religiös zu untermauern.

Mit den Weltuntergangsdaten hängen auch immer wieder Selbstmorde zusammen. Menschen warten erst gar nicht auf den Weltuntergang, sondern nehmen ihn gewissermaßen vorweg. Wie ist das zu erklären?

Das hängt stark mit dem religiösen Verführer oder Guru zusammen. Die Gläubigen selbst kämen nie auf eine solche Idee. Wir haben das beispielsweise bei den Sonnentemplern gesehen. Der Guru ist in einen religiösen Wahn abgedriftet, er war psychisch und physisch krank. Aber er wollte nicht auf profane Art sterben, sondern suchte einen "heroischen" Abgang und zwang seine Anhänger zum Massensuizid. Die religiösen Führer behaupten in solchen Situationen, sie hätten eine Botschaft aus dem Jenseits erhalten, von Gott, Jesus oder einem Avatar. Der habe ihnen die Endzeit vorausgesagt und aufgetragen, durch einen kollektiven Suizid der Apokalypse zu entgehen. Das sei eine Gnade für die Eingeweihten und Auserwählten, die dann nicht die Katastrophe über sich ergehen lassen müssten, sondern direkt ins Paradies gehen würden.

Wie groß ist in diesen Gruppen die Irritation, wenn die Welt dann nicht untergeht?

Die Gruppen sind sicher verwirrt, aber die religiösen oder pseudoreligiösen Führer sind natürlich nicht um vermeintlich plausible Erklärungen verlegen. Ein klassisches Beispiel dafür ist Uriella. Als sich im Jahr 2000 die Welt weiterdrehte, hat sie das so umgedeutet, dass sie nicht genügend Seelen habe retten können. Darum habe sie intensiv zu Jesus gebetet und Aufschub verlangt. Den habe Jesus ihr gewährt. Es finden sich immer Ausreden. Tragisch ist das für Menschen, die psychisch stark belastet sind. Bei ihnen besteht die Gefahr, dass sich ihre Situation weiter zuspitzt.

Wie lange wird es dauern, bis das nächste Weltuntergangsszenario präsentiert wird?

Eines steht fest, die apokalyptischen Brandstifter werden keine Ruhe geben. Sie warten das nächste Ereignis ab, um ihr wohliges Gruseln wieder zu kultivieren. Es gibt ständig Endzeitprognosen von kleinen Gruppen. Denen fehlt es aber an PR-Kraft, um das zu einem weltweiten Phänomen zu machen. Es braucht ein Ereignis, das breite Schichten elektrisiert. Die Sonnenfinsternis 1999 und der Übergang ins neue Jahrtausend waren wie das Auslaufen des Maya-Kalenders globale Ereignisse. Wenn sich erneut ein solches Ereignis findet, wird es schnell wieder losgehen. Die Apokalyptiker  werden ein paar Jahre warten, bis die jetzige Pleite im Gedächtnis der Menschen verblasst, damit sie dann ein neues Endzeit-Szenario zeichnen können.

Mit Hugo Stamm sprach Solveig Bach

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Quelle: ntv.de

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