Scheinarzneien gegen Parkinson Teure Placebos helfen besser
19.03.2015, 19:06 UhrTeuer ist besser, scheint ein weitverbreiteter Glaubenssatz zu sein. Dass dieser Glaube auch für Medikamente gilt, die keine sind, zeigen Wissenschaftler anhand von Untersuchungsergebnissen mit Parkinson-Patienten.
Je nachdem, welche Erwartungen Patienten an ein Medikament haben, so wirkt es auch. Das können Forscher des Neurowissenschaftlichen Instituts der Universität Cincinnati (USA) nun beweisen. In der Untersuchung mit zwölf Parkinson-Patienten wurde allen freiwilligen Probanden Kochsalzlösung injiziert. Dabei hat man der einen Hälfte der Studienteilnehmer gesagt, dass es sich um ein Medikament handele, das 1500 Dollar koste. Der zweiten Hälfte wurde etwas von einer 100 Dollar teuren Injektion erzählt.
Als Placebos werden Arzneimittel bezeichnet, die keinen Arzneistoff enthalten und damit auch keine pharmakologische Wirkungen haben können.
Placebos sind also Scheinarzneimittel, die vor allem in klinischen Studien zum Einsatz kommen. Mit Hilfe von Placebos soll geklärt werden, welche positiven Veränderungen durch die symbolische Bedeutung einer Behandlung erreicht werden können. Eine Verbesserung des Befindens ohne Wirkstoff wird als Placeboeffekt bezeichnet.
Der Einsatz von Placebos und echten Medikamenten in klinischen Untersuchungen wird als Doppelblindstudie bezeichnet. Zudem können auch medizinische Scheininterventionen, wie zum Beispiel Scheinoperationen, Placebos genannt werden.
"Obwohl beide Placebos die motorischen Funktionen verbesserten, war der Nutzen größer, wenn die Patienten das teure Scheinmedikament bekamen", berichten die Wissenschaftler um Dr. Alberto J. Espay. Im Vergleich zum Standardwirkstoff Levadopa schnitten beide Placebos zwar schlechter ab. Die Überlegenheit von "teurem" gegenüber dem "billigen" Placebo war jedoch ähnlich groß wie die Überlegenheit von Levadopa gegenüber dem teuren Placebo.
Die motorischen Fähigkeiten der Parkinson-Patienten, die das angeblich teure Medikament verabreicht bekamen, hatten sich um 28 Prozent verbessert, mit dem billigen Scheinmedikament nur um 13 Prozent. Die Zahlen wurden mit einer Bewertungsskala (UPDRS-III) ermittelt. Außerdem wurden die Hirnaktivitäten aller Probanden mit funktioneller Kernspinresonanz geprüft. Die Bilder bestätigten ähnliche Effekte im Gehirn wie mit dem echten Parkinson-Wirkstoff Levadopa. Alle Parkinson-Patienten befanden sich zu Beginn der Untersuchung im mittleren bis fortgeschrittenem Krankheitsstadium.
Erwartung steuert Therapie
Weil Espay und seine Kollegen die freiwilligen Studienteilnehmer für ihr Experiment täuschen mussten, hatte eine Ethikkommission strenge Vorgaben gemacht, um Nachteile für die Patienten auszuschließen. Als man ihnen nach Abschluss des Experiments die Wahrheit sagte, berichteten acht der Teilnehmer, dass sie wirklich größere Erwartungen an die teure Arznei gehabt hatten. Tatsächlich waren in dieser Gruppe sehr deutliche Besserungen zu verzeichnen. Bei den anderen vier Teilnehmern dagegen, die keinen Unterschied zwischen teuren und billigen Arzneien erwartet hatten, registrierten die Forscher kaum positive Auswirkungen.
Auch wenn die Untersuchungen nur an wenigen Probanden durchgeführt worden ist, konnten die Forscher einen Zusammenhang zwischen Erwartung und Therapieerfolg herstellen. Die Schlussfolgerungen der Forscher in den USA scheinen sich auch auf andere Therapien übertragen zu lassen. Bereits bekannt ist, dass Erwartungseffekte bei der Therapie allgemein eine große Rolle spielen.
Wichtiger als der Preis eines Medikaments ist der Einfluss des Arztes: "Die Ergebnisse dürfen nicht fälschlich als Argument für den Einsatz teurer Medikamente interpretiert werden", resümiert Prof. Ulrike Bingel von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) die Studienergebnisse. "Vielmehr ist es eine wesentliche Aufgabe für uns als Ärzte, die Erwartungen unserer Patienten an eine Therapie durch gezielte und individuell angepasste Kommunikation positiv zu beeinflussen", so die Neurologin.
Quelle: ntv.de, jaz