Ernüchternde Einsichten Was der QR-Code auf Weinetiketten verrät und was nicht
07.11.2025, 19:00 Uhr
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Der QR-Code verrät nicht alles, aber doch mehr als viele wussten, über einen "feinen Tropfen".
(Foto: IMAGO/PhotoAlto)
Schon mal den QR-Code auf Weinetiketten gescannt? Nein? Sollte man aber, wenn man wissen möchte, welche Zusatzstoffe sich im "Naturprodukt" befinden, genauer: noch befinden. Denn viele chemische und biologische Helferlein, die bei der Herstellung eingesetzt werden, müssen nur deklariert werden, wenn sie im Endprodukt enthalten sind.
Wer den Unterschied zwischen einem 5-Euro- und einem 10-Euro-Wein nicht wirklich schmecken kann, ist nicht unbedingt ein Banause. Tatsächlich würden bei einer Blindverkostung die meisten Menschen daran scheitern. Das liegt daran, dass Massenweine oft mit chemischen und biologischen Hilfsstoffen hergestellt werden. Sie dienen zur Stabilisierung und Vereinfachung der Produktion, aber auch dazu, den Geschmack zu standardisieren. Selbst bei teureren Weinen kann man nicht ausschließen, dass ebenfalls technologisch ein wenig nachgeholfen wird.
Um Verbraucher darüber besser aufzuklären, verpflichtet seit dem 8. Dezember 2023 eine EU-Verordnung alle Winzer, die Nährwerte und Zutaten ihrer Produkte offenzulegen. Sie basiert größtenteils auf dem International Code of Oenological Practices der Internationalen Organisation für Rebe und Wein (OIV).
Nur "gefährliche" Stoffe direkt aufs Etikett gedruckt
Doch nur ein Teil der Zusatzstoffe muss direkt auf die Etiketten von Weinflaschen gedruckt werden. Dabei handelt es sich um Stoffe oder Erzeugnisse, die Allergien oder Unverträglichkeiten auslösen. Deshalb steht auf vielen Flaschen "Enthält Sulfite" oder "Enthält Schwefeldioxid". Diese Zusätze schützen vor Oxidation, stabilisieren die Farbe und hemmen Hefen und Bakterien.
Zu den Allergenen gehören Eiweißprodukte, die den Wein klären, indem sie Gerbstoffe oder Proteine binden. Das kann auch bei Milchprodukten der Fall sein. Hersteller setzen sie aber auch ein, um Bitterstoffe oder die Oxidationsneigung zu reduzieren.
Code führt zum digitalen Zutatenverzeichnis
Alle anderen Zusätze müssen Hersteller seit Dezember 2023 zwar in einem Zutatenverzeichnis angeben. Die EU-Verordnung gestattet ihnen allerdings, die enthaltenen Stoffe hinter einem QR-Code zu "verstecken".
Viele Verbraucherinnen und Verbraucher ignorieren ihn – aus Bequemlichkeit, Datenschutzbedenken oder weil sie davon ausgehen, nur Werbung zu sehen. Andere übersehen den oft kleinen Code einfach.
Zusätze für Alkoholgehalt, Geschmack und Mundgefühl
Wer aber das Smartphone zückt und den Code scannt, erhält ernüchternde Einsichten. Man erfährt dann unter anderem, ob der Wein mit Traubenmost oder Haushaltszucker versetzt wurde. Sie dienen zur Anpassung des Geschmacks oder zur Steuerung des Alkoholgehalts (Chaptalisation), wenn sie vor der Gärung zugesetzt wurden.
Nicht selten sieht man auf der Zutatenliste auch Säureregulatoren wie Weinsäure (E 334), Milchsäure (E 270) oder Zitronensäure (E 330). Neben der Stabilisierung des Säuregehalts setzen sie Hersteller zur Geschmacksbalance und mikrobiologischen Stabilität ein. Sorbinsäure oder Kaliumsorbat sollen Schimmel und Nachgärung verhindern.
Auch für das "Mundgefühl" gibt es Zusatzstoffe. Gummi arabicum soll Wein gefälliger, voller, weicher machen. Er kann unter anderem metallischen Geschmack oder Bittertöne mildern. Hefemannoproteine verhindern die Kristallbildung.
Erlaubt ist, was beliebt ist
Das sind aber bei weitem nicht alle Zusätze, die bei der Weinherstellung verwendet werden. Denn im Zutatenverzeichnis müssen sogenannte Verarbeitungshilfsstoffe nicht aufgeführt werden, wenn sie im Endprodukt nicht mehr nachweisbar sind.
Die EU-Verordnung (EU) 2019/934 legt fest, was technisch zulässig ist, (EU) 2021/2117 bestimmt, was ins Zutatenverzeichnis gehört oder nicht deklariert werden muss. Und frei nach Wilhelm Busch ist in der Branche beliebt, was auch erlaubt ist.
Nichts bleibt dem Zufall überlassen
An erster Stelle ist die Reinzuchthefe zu nennen, die die Gärung reproduzierbar und sicher startet, aber auch rechtzeitig beendet. Die klassische Spontangärung basiert auf der auf den Trauben, im Keller oder im Fass vorhandenen natürlichen Mikroflora, wobei vieles – auch Geschmacksnoten – dem Zufall überlassen bleibt.
Reinzuchthefe dagegen wird gezielt eingesetzt, unter anderem um bestimmte Aromen (fruchtig, blumig, neutral) zu erzeugen. Man kann beispielsweise spezielle Hefen für Müller-Thurgau kaufen, die "insbesondere zarte Muskateller-Noten hervorhebt". Für die industrielle Weinherstellung ist zudem von Vorteil, dass Reinzuchthefe für ganz bestimmte Mostbedingungen (Zuckergehalt, Säure, Temperatur) optimiert ist.
Klar ist der Wein klar!
Sehr häufig kommen Hilfsstoffe auch zum Einsatz, um Wein zu filtern, also zu klären. Dazu dienen beispielsweise Tonminerale, Kieselgur, Perlit oder Cellulose. Gelatine, Milchproteine oder Eiklar sind ebenfalls erlaubt, sofern keine Allergene zurückbleiben. Auch Schwimmblasen von Fischen können als Klär- und Schönungsmittel eingesetzt werden.
Die sogenannten Hausenblasen beeinflussen außerdem den Geschmack des Weins, indem sie unter anderem Gerbstoffe beseitigen. Ähnlich sieht es bei dem Kunststoff PVPP (Polyvinylpolypyrrolidon) aus. Er filtert oxidierte Polyphenole heraus, wodurch Bitterkeit reduziert und ein pelziges Gefühl im Mund (Adstringenz) verhindert wird.
Aktivkohle und Eichenschnipsel runden den Geschmack ab
Um den Geschmack zu glätten, ist Aktivkohle beliebt. Sie entfernt zuverlässig Fehltöne wie Schwefel, Rauch oder Essigstich. Und damit Wein wie nach einer langen Reifung im Fass schmeckt, landen in den Edelstahltanks und anderen alternativen Ausbaubehältern oft Eichenholzchips. Wohl bekomm’s!
Quelle: ntv.de