Frage aus dem Arbeitsrecht Freinehmen und Geflüchteten helfen – geht das?
31.03.2022, 10:05 Uhr (aktualisiert)
Die Hilfsbereitschaft ist groß: Freiwillige Helfer packen am Berliner Humboldt Forum Hilfsgüter in Kisten.
(Foto: Fabian Sommer/dpa)
Täglich erreichen uns erschütternde Informationen und Bilder aus der Ukraine. Viele möchte Geflüchteten helfen. Doch wie verträgt sich das mit den Pflichten gegenüber dem Arbeitgeber: Dürfen Mitarbeiter die Arbeit niederlegen, um sich freiwillig zu engagieren?
Der Arbeitgeber ist einverstanden: Absprechen und los
Am leichtesten haben es Arbeitnehmer, deren Chef die Hilfsinitiative unterstützt. Natürlich spricht nichts dagegen, dass sich beide über eine Freistellung einigen. Der Mitarbeiter kann dann freinehmen und sich während der Arbeitszeit engagieren.
Allerdings sollten klare Absprachen getroffen werden, die man gemeinsam dokumentiert, am besten schriftlich. Zu den wichtigsten Fragen zählt: Wie lange darf der Mitarbeiter der Arbeit fernbleiben? Wird er für die Dauer bezahlt? Darf der Arbeitgeber die Freistellung widerrufen? In allen Fragen ist der Arbeitnehmer auf die Gunst seines Vorgesetzten angewiesen; ein Anspruch auf eine bezahlte Freistellung besteht meist nicht.
Der Arbeitgeber ist nicht einverstanden: Diese Lösungen kommen in Betracht
Sträubt sich der Arbeitgeber, wird es komplizierter. Eine recht gute Ausgangslage besteht noch, wenn der Arbeitgeber anderen Mitarbeitern in vergleichbaren Fällen bereits freigegeben hat. Hilfsentschlossene können sich dann auf den sogenannten Gleichbehandlungsgrundsatz berufen und ebenfalls ihre Freistellung verlangen. Wichtig ist allerdings, dass die beiden Mitarbeiter miteinander vergleichbar sind. Das ist insbesondere bei gleichrangigen Mitarbeitern derselben Abteilung der Fall. Weichen Aufgaben sowie Position stark voneinander ab, scheidet ein Freistellungsanspruch aus.
Alternativ kommt in Betracht, dass Arbeitnehmer Urlaub nehmen. Stehen keine dringenden betrieblichen Gründe oder sozial vorrangige Urlaubswünsche im Weg, muss der Arbeitgeber diesen dann gestatten. Ein dringender betrieblicher Grund, den Urlaub auszuschlagen, wäre zum Beispiel der bevorstehende Abschluss eines wichtigen Projekts. Vorrangige Urlaubswünsche stammen typischerweise von Eltern schulpflichtiger Kinder. Gibt es hingegen einen Betriebsrat, kann die Urlaubsplanung anders geregelt sein.
Etwas günstiger ist die Rechtslage, wenn nahe Angehörige des Arbeitnehmers auf dessen Hilfe angewiesen sind. Das deutsche Arbeitsrecht gewährt ihnen einen Anspruch auf bezahlte Freistellung, sofern keine andere zumutbare Lösung in Betracht kommt. Dies wird allerdings nur selten der Fall sein. In aller Regel werden Flüchtlinge aus der Ukraine selbst in der Lage sein, bis zu ihren Verwandten zu kommen. Arbeitnehmer sollten auch beachten, dass die entsprechende Anspruchsgrundlage im Arbeits- oder Tarifvertrag ausgeschlossen sein kann (§ 616 Bürgerliches Gesetzbuch).
Wie lange darf der Arbeitsausfall sein?
Das hängt davon ab, wie die Freistellung des Mitarbeiters zustande kommt. Muss er seinen Urlaub verwerten, hängt die Dauer natürlich von der Anzahl seiner verfügbaren Urlaubstage ab. Stützt der Arbeitnehmer sich auf § 616 BGB, kommen maximal ein paar Tage in Betracht.
Stimmt der Arbeitgeber hingegen einer Freistellung zu (siehe erster Abschnitt), hängt die Dauer allein von der Einigung ab. Wird der Arbeitnehmer während dieser Zeit aber nicht bezahlt, droht nach einem Monat der Ausschluss aus der Sozialversicherung. Am einfachsten ist es also, wenn die Freistellung kürzer als einen Monat andauert. Der Mitarbeiter müsste sich sonst in der Zwischenzeit freiwillig versichern und wäre nach seiner Rückkehr neu anzumelden.
Einfach der Arbeit fernbleiben - selbstverständlich keine gute Idee
Arbeitnehmer sollten ihr Engagement während der Arbeitszeit in jedem Fall mit dem Chef abklären. Andernfalls droht ihnen eine Abmahnung und schlimmstenfalls die fristlose Kündigung. Für die Dauer ihres Ausfalls steht ihnen auch keine Bezahlung zu.
Alicia von Rosenberg ist Rechtsanwältin mit eigener Kanzlei in Berlin. Ihr Schwerpunkt liegt im Bereich Arbeitsrecht und insbesondere beim Thema Kündigungen beziehungsweise Kündigungsschutzklagen. Sie vertritt in diesen Angelegenheiten Arbeitnehmer sowie auch Arbeitgeber. Rechtsanwältin von Rosenberg tritt regelmäßig als Expertin und Kommentatorin aktueller Urteile im Arbeitsrecht auf. Sie ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht des Deutschen Anwaltverein, beim Deutschen Arbeitsgerichtstags und beim Verband der Deutschen Arbeitsrechtsanwälte.
(Dieser Artikel wurde am Montag, 28. März 2022 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de