Besser bleiben lassen? Warum uns die Geldanlage so schwerfällt
14.01.2021, 07:21 Uhr
Wohin damit?
(Foto: imago/allOver-MEV)
Kennen Sie das? Immer am Jahresanfang nehmen wir uns vor, endlich mal die Altersvorsorge anzugehen. Und dann bleibt doch wieder alles liegen. Muss die Geldanlage wirklich so schwer sein?
Weniger Alkohol trinken, abnehmen, mehr Sport machen, Zeit für die Kinder nehmen - immer wieder setzen wir uns am Anfang eines neuen Jahres Ziele. Oft mit dabei: sich endlich mal um die Altersvorsorge zu kümmern.
Doch genau an diesem Ziel scheitern wir regelmäßig. "Eigentlich wollen wir alle alt werden", sagt Prof. Hartmut Walz, Verhaltensökonom an der Hochschule Ludwigshafen am Rhein. "Aber wir wollen nicht an das Alter denken." Dabei ist das Thema Altersvorsorge durchaus wichtig. Schließlich dürfte die gesetzliche Rente bei den meisten später kaum reichen, um den Lebensstandard zu halten.
Wie viel brauchen wir im Alter?
Ein Rechenbeispiel: Wer 1970 geboren wurde und im Vorjahr 38.000 Euro verdient hat, kann im Alter von 67 Jahren nach heutiger Kaufkraft mit einer monatlichen Nettorente von etwa 1095 Euro rechnen. Das entspricht etwa 58 Prozent des voraussichtlichen letzten Nettolohns in Höhe von 1881 Euro.
Setzt man voraus, dass etwa 80 Prozent des letzten Nettoeinkommens nötig sind, um gut über die Runden zu kommen, fehlen in diesem Beispiel jeden Monat 410 Euro. Das heißt: Ohne zusätzliche Geldanlage geht es nicht. Trotzdem wagen wir uns ungern an das Thema heran.
Stattdessen bleibt das Ersparte lieber auf dem unverzinsten Girokonto liegen oder es wird eine teure Lebensversicherung abgeschlossen, weil der Berater doch so nett war und es auch noch guten Kaffee gab.
Ambivalentes Verhältnis zu Geld
"Unser Verhältnis zu Geld ist sehr ambivalent", erklärt Monika Müller das Phänomen. "Einerseits wollen wir es haben, wir kämpfen darum", sagt die Finanzpsychologin aus Wiesbaden. "Andererseits ist es aber auch ein verbotenes Thema. Wir sprechen ja nicht offen über Geld."
"Die Bedeutung von Geld ist vielschichtig und auch sehr individuell", sagt Vermögensberater Andreas Görler aus Berlin. "Für jeden Menschen bedeutet es etwas anderes, abhängig von seinen sozialen Prägungen, seinen verinnerlichten Glaubenssätzen, seinem erworbenen Geldstil und seiner persönlichen Lebenssituation."
Nach Ansicht von Monika Müller ist Geld auch eine individuelle Projektionsfläche: Während der eine darin eher Freiheit, Sicherheit oder Entspannung sieht, bedeutet es für den anderen vor allem Anspannung, Macht oder sogar Dreck und Schmutz. "Und allein diese Ambivalenz stoppt oft schon die Motivation, sich mit dem Thema zu beschäftigen", sagt die Finanzpsychologin.
Passiv sein oder aktiv?
Hinzu kommt: Wir haben oft Respekt vor Finanzen. Schließlich wurde die Leidenschaft für Mathematik nicht jedem in die Wiege gelegt, und Betriebswirtschafts- oder Volkswirtschaftslehre haben auch längst nicht alle studiert. Außerdem ist das Angebot an Finanz- und Vorsorgeprodukten unübersichtlich groß. Und die Produkte selbst oft fürchterlich kompliziert - allen Informationsblättern zum Trotz.
"Viele haben einfach Angst, etwas falsch zu machen", erklärt Prof. Walz. "Und deshalb machen sie einfach gar nichts." Wissenschaftler beschreiben dieses Phänomen auch als Omission Bias, übersetzt etwa Unterlassungseffekt. Die Handlung wird dabei subjektiv als riskanter angesehen als das Unterlassen.
Heißt in der Praxis: "10.000 Euro in riskante Aktiengeschäfte zu stecken, ist schlechter, als 10.000 Euro auf einem unverzinsten Konto liegen zu lassen", beschreibt Prof. Walz. Dabei steckt in beiden Handlungen ein Risiko: einmal durch Kursverluste und einmal durch Kaufkraftverlust.
Sich das Problem bewusst machen
Wie kommen wir aus diesem Dilemma raus? Für Monika Müller ist klar: An erster Stelle muss ein Bewusstsein für das Problem geschaffen werden. "Was verbinde ich mit Geld?", fragt Müller. "Das muss ich versuchen, mir einmal zu beantworten." Schon daraus lasse sich eine Menge ableiten. "Bedeutet Geld vor allem Sicherheit, spielt das auch eine Rolle bei der Produktauswahl."
Zweiter Schritt: die Projektionen auflösen. "Nehmen Sie dem Geld die Dynamik weg", sagt Müller. "Spüren Sie, was passiert, wenn Sie sich zum Beispiel sagen: Ich bin sicher - mit und ohne Geld." Wer einen solchen Grundsatz verinnerliche, könne die Spannung rund um das Thema auflösen.
Transparenz und Regelmäßigkeit
Ist dieser Einstieg einmal geschafft, ist der nächste Schritt gar nicht so schwer. "Zunächst ist es wichtig, eine objektive Übersicht über die eigenen Einnahmen und Ausgaben zu erstellen", rät Vermögensberater Görler. Denn nur so wird klar, wie viel Geld man sparen kann. "Eine einfache Tabellenkalkulation beziehungsweise ein Haushaltsbuch sind hilfreich. So hat man immer eine Orientierung über die aktuelle finanzielle Situation."
Zweiter Schritt: "Halten Sie ihre Geldanlage einfach", rät Prof. Walz. "Kompliziert wird es im Laufe der Jahre meist von alleine." Am besten sparen wir regelmäßig. Für den Einstieg geeignet sind zum Beispiel vermögenswirksame Leistungen oder Sparpläne. Am Anfang lieber etwas kleinere Ziele setzen, die sich auch erreichen lassen.
Angst vor Aktien abbauen
Wer langfristig etwas erreichen will, kommt an Aktien im Moment kaum vorbei. Doch vor der Börse haben wir oft Respekt. Zu Recht? Nein, findet Vermögensverwalter Andreas Feldmann aus Köln.
Schließlich sind die an den Börsen notierten Aktiengesellschaften reale Unternehmen, die uns im Alltag begleiten: Online-Plattformen, über die wir Waren bestellen, Sportartikelhersteller deren Schuhe wir tragen oder Pharmahersteller, deren Medikamente uns gesund machen. "Eine Partizipation an all dem über Aktien erscheint dann deutlich weniger mysteriös oder gefährlich, sondern gar logisch und sinnvoll."
Quelle: ntv.de, Falk Zielke, dpa