Schweiz besteuert höher Darum zahlen Superreiche die niedrigsten Steuern


Die tatsächlichen Steuersätze der Milliardäre liegen in Deutschland bei 26 Prozent - weit unter dem Höchststeuersatz von 47,5 Prozent.
(Foto: REUTERS)
Reich sein in Deutschland lohnt sich. Milliardäre zahlen prozentual weniger Steuern als die Mittelschicht, zeigt eine neue Studie. Und auch weniger als Superreiche in der Schweiz. Brauchen wir wieder eine Vermögensteuer?
In Deutschland leben immer mehr Milliardäre: Über 200 sind es inzwischen. Wie viele genau, ist gar nicht so klar, weil es zu den Vermögen in Deutschland keine exakten Daten mehr gibt, seit die Vermögensteuer 1997 ausgesetzt wurde. Das Manager Magazin hat für vergangenes Jahr hierzulande 226 Milliardäre gezählt - mit einem Gesamtvermögen von 900 Milliarden Euro. Die Hans-Böckler-Stiftung spricht von 237 Superreichen mit mindestens etwa 1,4 Billionen Euro an Vermögen. Festhalten können wir: Es gibt immer mehr Superreiche in Deutschland, und die werden immer reicher, trotz Krisen und Kriegen.
Reich zu bleiben, dabei hilft ihnen das deutsche Steuersystem, wenn man einer neuen Studie glauben darf. Demnach zahlen Milliardäre prozentual weniger Steuern als die Mittelschicht. Die Experten des Netzwerks Steuergerechtigkeit, des Momentum Instituts und von Oxfam haben anhand öffentlich zugänglicher Daten den effektiven Steuerbeitrag von Superreichen in der Schweiz, Österreich und Deutschland analysiert.
Die Mittelschicht wird demnach stärker zur Kasse gebeten: "Eine deutsche Mittelschichtsfamilie zahlt im Durchschnitt 40 Prozent Steuern und Sozialabgaben, die Superreichen nur 26 Prozent - etwa die Hälfte des Höchststeuersatzes von 47,5 Prozent", sagt Julia Jirmann, Referentin für Steuerrecht und Steuerpolitik beim Netzwerk Steuergerechtigkeit, im ntv-Podcast "Wieder was gelernt". Deutschland sei für vermögensbezogene Einkünfte ein Niedrigsteuerland.
Superreiche arbeiten weniger
Bezogen auf alle Steuerpflichtigen ist Deutschland dagegen ein Hochsteuerland. Im internationalen Vergleich werden den Deutschen von ihren Löhnen mit die höchsten Steuern und Sozialabgaben abgezogen. Unter den 38 Mitgliedstaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) landet Deutschland auf dem zweiten Platz. Nur Belgien schröpft seine Bürger noch stärker.
Familien mit Kindern zahlen 40,8 Prozent an Abgaben, Alleinstehende sogar 47,8 Prozent. "Das Steuersystem ist auf die breite Masse ausgerichtet, auf die arbeitende Bevölkerung. Da funktioniert unser Steuersystem. Je höher das Einkommen, desto höher der Steuersatz", sagt Jirmann.
Die Superreichen hätten aber andere Einkommen. Sie arbeiten vergleichsweise wenig. Nur einen kleinen Teil ihrer Einkünfte verdienen sie durch Arbeit: als Geschäftsführer im eigenen Unternehmen oder durch Aufsichtsratsposten. "Das Arbeitseinkommen macht nur ungefähr zehn bis fünfzehn und bei den Personen ganz an der Spitze nur weniger als ein Prozent der Gesamteinkommen aus", weiß die Steuerexpertin.
Steueroasen mitten in Deutschland
Das Einkommen der Milliardäre stammt primär aus ihrem Vermögen, konkret aus den Gewinnen und Dividenden ihrer Unternehmen und Investitionen. Entscheidend für die Besteuerung der Superreichen ist nicht die Besteuerung der Arbeit, sondern die Besteuerung der Vermögenseinkommen, heißt es in der Studie.
Die Unternehmenssteuern in Deutschland liegen bei durchschnittlich 30 Prozent, so hoch wie in kaum einem anderen Industrieland. Die eine Hälfte macht die Körperschaftsteuer aus, die andere Hälfte die Gewerbesteuer. Diese allerdings ist in den Gemeinden nicht gleich hoch. Manche bieten niedrigere Steuersätze an: Leverkusen zum Beispiel, dort sitzen Mazda und der Aspirin-Hersteller Bayer. Auch in Monheim am Rhein gelten vergleichsweise niedrige Gewerbesteuern, auch dort hat Bayer einen Standort, auch BASF ist hier ansässig. Unternehmer müssen also nicht in Steueroasen auswandern, um Steuern zu sparen.
Superreiche sparen außerdem bei den Aktien-Gewinnen, erklärt Steuerexpertin Jirmann im Podcast. Normalerweise werde bei einer Ausschüttung von Aktienanteilen auf ein Girokonto eine Kapitalertragsteuer von etwa 26 Prozent fällig. "Superreichen passiert das nicht. Sie lassen sich die Erträge nicht auf ihr Privatkonto ausschütten. Die landen in Beteiligungsgesellschaften und da fällt nahezu keine Steuer an. Das ist einer der Gründe, warum die Steuersätze viel niedriger sind."
Milliardeneinnahmen durch Vermögensteuer möglich
Während in Deutschland die tatsächlichen Steuersätze der Milliardäre bei 26 Prozent liegen, werden in der Schweiz 32 Prozent Steuern und Abgaben fällig, bei einem Höchstsatz von bis zu 41,5 Prozent. Anders als in Deutschland gibt es in der Schweiz eine Vermögensteuer. Sie macht pro Jahr etwa elf Milliarden Euro (2022) aus, sieben Prozent der gesamten Steuereinnahmen.
"Die Vermögensteuer in der Schweiz führt dazu, dass der Unterschied zwischen dem, was die Milliardäre in ihrem Kanton zahlen und dem Höchststeuersatz viel näher beieinander liegen als in Deutschland", erläutert Jirmann. "Wenn wir umrechnen würden, was die Schweiz an Vermögensteuern einnimmt, dann wären das in Deutschland Einnahmen von 73 Milliarden Euro."
Unser Nachbarland wird häufig als Steuerparadies bezeichnet, aber die Realität sieht etwas anders aus. In den Kantonen gelten unterschiedlich hohe Einkommensteuersätze von rund 22 Prozent in Zug bis knapp 45 Prozent in Genf. Eine Schweizer Mittelstandsfamilie zahlt laut der Studie 15 Prozent an Abgaben und Steuern, viel weniger als Familien in Deutschland und "deutlich weniger Steuern und Abgaben als die Milliardäre".
"Superreiche können besonders gut Steuern vermeiden"
Viele Länder haben die Vermögensteuer in den vergangenen Jahren abgeschafft: Italien, Österreich, Schweden, die Niederlande. In Deutschland gibt es sie theoretisch noch, sie wurde aber 1997 ausgesetzt. Hierzulande gibt es zwar eine Erbschaftsteuer, die macht aber nur etwa ein Prozent der Steuereinnahmen aus, 2022 waren das rund acht Milliarden Euro.
Gewerkschaften und Sozialverbände sprechen sich für eine Reaktivierung der Vermögensteuer aus. Die Regierung ist sich aber uneinig: Grüne und SPD würden sie gern wieder einführen. "Diejenigen, die sehr, sehr reich sind, müssen auch ihren Beitrag für die Gemeinschaft leisten", argumentiert Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze bei ntv. Der Koalitionspartner FDP spricht sich gegen eine Vermögensteuer aus. Zu bürokratisch, meint Finanzminister Christian Lindner. Die Liberalen argumentieren, sie würde eher mittelständische Unternehmen belasten. Das wäre schlecht für das Wirtschaftswachstum. Die Unternehmen würden dann eher im Ausland investieren.
Als die Vermögensteuer noch erhoben wurde, hat sie bis zu 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausgemacht, heute wären das laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) etwa 20 Milliarden Euro.
Eine Vermögensteuer macht mehr Aufwand, als dass sie Geld einbringt, erklärt Johannes König vom Sozio-oekonomischen Panel beim DIW im "Wieder was gelernt"-Podcast im Februar. "Selbst in Frankreich, wo es eine Vermögensteuer gibt, ist das Aufkommen deutlich kleiner als zehn Prozent des gesamten Steueraufkommens. Reiche und Superreiche haben anders als andere die Möglichkeit, besonders gut Steuern zu vermeiden, legal aber auch illegal. Viele westliche Länder scheinen es nicht so zu sehen, dass es sich für das geringe Aufkommen lohnt, diese Reaktionen hervorzurufen."
Jirmann weist das Argument zurück: "Wir hatten bis 1996 die Vermögensteuer und daher wissen wir, dass der Erhebungsaufwand sehr niedrig war in dem Verhältnis zu dem, was tatsächlich eingenommen wurde." Das habe in der Vergangenheit gut funktioniert.
Dieser Text ist eigentlich ein Podcast: Welche Region schickt nur Verlierer in den Bundestag? Warum stirbt Ostdeutschland aus? Wieso geht dem Iran das Wasser aus? Welche Ansprüche haben Donald Trump und die USA auf Grönland?
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Quelle: ntv.de