"Mild"-Narrativ verfängt Corona-Angst nimmt nicht wegen des Krieges ab
23.03.2022, 09:33 Uhr
Nicht der Ukraine-Konflikt lässt die Deutschen derzeit weniger Angst vor Corona haben, sagt Psychologien Cornelia Betsch. Das Narrativ vom milden Verlauf und die Lockerungsdebatte tragen viel eher dazu bei.
(Foto: picture alliance / Daniel Kubirski)
Gefühlt ist die Pandemie trotz Rekordzahlen vorbei. Die schwindende Angst vor dem Virus hängt nach Aussage einer Psychologin allerdings nicht mit dem Ukraine-Krieg zusammen. Die Deutschen gehen vielmehr davon aus, sich zu infizieren, aber weniger unter dem Virus zu leiden. Und sie hoffen auf Lockerungen.
Der Krieg in der Ukraine ist der Psychologin Cornelia Betsch zufolge nicht der Grund dafür, dass viele Menschen Corona derzeit als weniger bedrohlich empfinden. "Die Menschen nehmen im Moment ein höheres Risiko durch den Krieg wahr als durch Corona", sagte die Erfurter Professorin für Gesundheitskommunikation. Dass die Risikowahrnehmung für Corona sinke, liege aber nicht daran, dass der Krieg Aufmerksamkeit abziehe, "sondern dass die Leute Corona im Moment weniger schlimm finden."
Betsch bezog sich dabei auch auf Daten der Cosmo-Studie zum Corona-Risikoverhalten, die sie seit zwei Jahren mit Kollegen durchführt. Dabei werden alle paar Wochen 1000 zufällig ausgewählte Erwachsene zu aktuellen Themen rund um die Pandemie befragt. Es sei deutlich zu sehen, dass die Menschen angesichts der hohen Fallzahlen eher davon ausgehen, sich zu infizieren. Sie hätten davor aber weniger Angst. "Wir sehen eindeutig, dass sich das Narrativ des milden Verlaufs durchsetzt." Dazu kämen die politischen Lockerungsdebatten der vergangenen Wochen, die vermutlich zur gefühlten Entspannung beitrügen.
Wir haben keine Eigenverantwortung trainiert
Es sei davon auszugehen, dass mit dem Wegfall der Maskenpflicht künftig deutlich weniger Masken im öffentlichen Raum zu sehen sein werden, sagte Betsch weiter. "Man hat immer das Problem des Stigmas. Wenn man weiter Maske trägt, kommuniziert man auch etwas über sich - etwa, dass man Corona hat oder besonders vulnerabel ist." Die Menschen hätten sich an die Pflicht inzwischen gewöhnt. "Und da jetzt auf Eigenverantwortung zu setzen, darauf sind wir nicht trainiert und dazu fehlt auch die Kommunikation."
Mit Blick auf die Diskussionen zur Impfpflicht sagte Betsch, die auch im Expertenrat der Bundesregierung sitzt: "Die Impfbereitschaft hat mittlerweile einen Deckel erreicht. Und sie hat ihn früher erreicht, als viele gehofft haben." Sie bewege sich in einem Korridor von 60 bis 80 Prozent der Menschen. Brauche man mehr als diesen Prozentsatz, komme die Politik um eine allgemeine Pflicht kaum herum.
Quelle: ntv.de, als/dpa