Von CO2-Speicher bis Aufforstung Diese Eingriffe könnten das Klima retten
08.10.2018, 14:17 Uhr
Die Anpflanzung von Bäumen könnte die CO2-Konzentration in der Atmosphäre deutlich verringern.
(Foto: imago/CHROMORANGE)
Ausbau der erneuerbaren Energien oder Verzicht auf Verbrennungsmotoren - solche Maßnahmen spielen im Kampf gegen den Klimawandel seit langem eine zentrale Rolle. Technische Verfahren, um etwa der Erdatmosphäre klimaschädliches Kohlendioxid zu entziehen, wurden hingegen lange als unrealistisch und potenziell gefährlich abgetan.
Der Weltklimarat IPCC hebt in seinem Sonderbericht zum 1,5-Grad-Ziel allerdings hervor, dass zur Umsetzung der Zielvorgabe des Pariser Abkommens herkömmliche Klimaschutzmaßnahmen nicht ausreichen werden. Zusätzlich zu Plan A, Treibhausgase gar nicht erst entstehen zu lassen, muss dem Expertengremium zufolge auch Plan B in Kraft gesetzt werden, mit technologischen Eingriffen in die Umwelt und auch sogenanntem Geoengineering, den Klimawandel abzumildern.
CO2-Speicherung: In Experimenten wurde die Möglichkeit nachgewiesen, CO2 direkt aus der Luft zu saugen, um es dann entweder in Brennstoff-Pellets umzuwandeln oder es klimaneutral unter Tage zu lagern. Ein von Microsoft-Gründer Bill Gates unterstütztes Unternehmen hat für dieses Verfahren 2015 eine Pilotanlage in Kanada errichtet. Ein anderes Unternehmen tat es der kanadischen Firma dieses Jahr in Island gleich. Nachteile: Bislang ist die CO-Speicherung immens teuer und daher nicht im großen Maßstab anwendbar.
Massive Aufforstung: Eine beträchtliche Anpflanzung von Bäumen könnte die CO2-Konzentration in der Atmosphäre deutlich verringern und damit den Treibhausgas-Effekt abmildern. Durch die Aufforstung können laut IPCC auch natürliche Ökosysteme wiederhergestellt werden. Wälder hätten auch Vorteile für Biodiversität, Bodenqualität und lokale Ernährungssicherheit, sagte die Referentin für Internationale Klimapolitik bei der Heinrich-Böll-Stiftung, Linda Schneider.
Nachteile: Selbst wenn der Trend zur Zerstörung von Wäldern umgekehrt wird, könnte eine massive Aufforstung daran scheitern, dass nicht mehr genügend Flächen für die Landwirtschaft und die Erzeugung von Bio-Kraftstoffen übrig blieben. Effektiver wäre es allerdings, erst gar keine Wälder zu zerstören.
BECCS: Das Verfahren Bioenergy with carbon capture and storage (BECCS) - zu Deutsch Bioenergie mit CO2-Abscheidung und -Lagerung - vereint natürliche Prozesse mit Hightech-Verfahren. Dabei werden Pflanzen wie Raps, Zuckerrohr, Mais oder Rutenhirse angebaut, die während ihres Wachstums der Atmosphäre CO2 entziehen. Wenn die abgeernteten Pflanzen dann zur Energiegewinnung verbrannt werden, wird das dabei frei werdende CO2 aufgefangen und gespeichert.
Auf diese Weise werden "negative Emissionen" erreicht: Nach Ablauf des Prozesses ist weniger Kohlendioxid in der Atmosphäre als vorher. Praktisch alle Klimamodelle zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels im Pariser Abkommen weisen dem BECCS-Verfahren eine entscheidende Rolle zu. Nachteile: Studien zufolge müssten mindestens 40 Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren Flächen für Bio-Kraftstoffe zur Verfügung gestellt werden. Dies könnte allerdings die weltweite Lebensmittelversorgung gefährden.
Eisendüngung der Meere: Mikroskopisch kleine Meerespflanzen namens Phytoplankton nehmen während ihres Wachstums CO2 auf. Wenn sie absterben, sinken sie mitsamt dem gespeicherten CO2 auf den Meeresboden. Das Wachstum von Phytoplankton wird durch einen natürlichen Eisenmangel begrenzt. Ihr Wachstum kann durch Düngung mit Eisensulfat-Puder stark angeregt werden. Nachteile: Wissenschaftler befürchten unerwünschte Nebenwirkungen der Eisendüngung. So könnte der Sauerstoff-Verbrauch von massenhaftem Phytoplankton weitere riesige "Todeszonen" in den Weltmeeren schaffen, in denen kein Leben mehr gedeiht. Die Düngung ist insgesamt ein großer Eingriff in ein Ökosystem und noch unzureichend erprobt.
Beschleunigung der Gesteinsverwitterung: Durch den chemischen Prozess der Verwitterung von Gestein werden der Erdatmosphäre jährlich rund eine Milliarde Tonnen CO2 entzogen - also rund zwei Prozent der CO2-Emissionen der Menschheit. Durch die Verteilung von Eisensilikat über bestimmten Erdregionen wie den Meeren und den Tropen kann dieser Prozess beschleunigt werden, wie in Experimenten nachgewiesen wurde. Nachteile: Für dieses Verfahren genügend Eisensilikat, sogenanntes Olivin, abzubauen und zu mahlen, könnte sich als zu teuer herausstellen.
Biokohle: Biokohle wird gewonnen, indem Pflanzenabfälle über einen langen Zeitraum in sauerstoffarmer Umgebung, etwa unter der Erde, erhitzt werden. Sie kann CO2 sehr lange speichern und überdies durch an ihrer Oberfläche abgelagerte Mineralstoffe Böden düngen. Nachteile: Die Wissenschaft untersucht derzeit noch, wie schnell diese Methode in großem Umfang angewendet werden kann und wie stabil Biokohle bei ihrer Nutzung als Dünger ist.
Umleitung der Sonnenstrahlung: Bei dieser dem Geoengineering zugehörigen Strategie geht es nicht um die Minderung des CO2-Anteils in der Atmosphäre, sondern um eine Verringerung der Erderwärmung durch die Umleitung eines Teils der Sonnenstrahlen zurück ins Weltall. Nach dem Vorbild der Natur, wo etwa Vulkanasche Sonnenstrahlen reflektiert, müssten dazu Ballons oder Flugzeuge kleine reflektierende Partikel in der Stratosphäre hoch über der Erde ausbringen. Außerdem könnte die Struktur von Wolken künstlich verändert werden, damit sie mehr Sonnenstrahlen von der Erde fern halten.
Nachteile: Bei solchen Techniken gibt es laut IPCC "große Unsicherheiten, Wissenslücken und erhebliche Risiken". Er bezog sie daher gar nicht in den Report ein. Das Verfahren ändert nichts an der CO2-Anreicherung in der Atmosphäre, die etwa zur Übersäuerung der Meere führt. Außerdem könnte der künstliche Eingriff in das Wetter Niederschlagsmuster verändern. Bei einem Ausfall der Strahlungsumleitung droht eine plötzliche gefährliche Erderwärmung.
Quelle: ntv.de, fzö/AFP/dpa