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Nach Hoffnung auf Kreuzimmunität Erkältungsviren schützen nicht vor Covid-19

Vor allem in der kalten Jahreszeit sind viele Menschen verschnupft. Eine Erkältung schützt laut den Kieler Forschern allerdings nicht vor einer Covid-19-Erkrankung, wie lange vermutet wurde.

Vor allem in der kalten Jahreszeit sind viele Menschen verschnupft. Eine Erkältung schützt laut den Kieler Forschern allerdings nicht vor einer Covid-19-Erkrankung, wie lange vermutet wurde.

(Foto: picture alliance/dpa)

Wer sich mit Erkältungs-Coronaviren infiziert, ist auch besser vor einer Ansteckung mit Sars-CoV-2 geschützt? Das vermuten zumindest einige Experten. Doch Forscher aus Kiel finden nun heraus: Erkältungsviren liefern keinen besseren Immunschutz. Im Gegenteil: Sie könnten sogar schädlich sein.

Coronaviren waren auch schon vor der Sars-CoV-2-Pandemie im Umlauf. Sie können beispielsweise Erkältungskrankheiten auslösen. Experten vermuteten daher, dass frühere Kontakte mit diesen Erkältungsviren zu einem besseren Immunschutz vor einer Sars-CoV-2-Infektion führen können. Forscher aus Kiel haben diese Idee nun in einer Studie widerlegt: Zwar würden Menschen, die noch keine Infektion mit Sars-CoV-2 durchgemacht haben, tatsächlich bestimmte Immunzellen, sogenannte T-Gedächtniszellen, aufweisen, die auch Sars-CoV-2 als Fremdkörper erkennen können. Allerdings sind diese T-Gedächtniszellen nicht sehr effektiv, da sie das Virus nur schwach binden.

In ihrer Studie haben die Kieler Forscher Immunzellen im Blut von Spendern, die bisher keinen Kontakt zu Sars-CoV-2 hatten, untersucht. Dabei fanden sie heraus, dass Menschen ohne bisherigen Kontakt zu dem Virus tatsächlich diese Gedächtniszellen besitzen, die auch Sars-CoV-2 als einen Fremdkörper erkennen. "Allerdings haben jüngere Menschen, die häufiger an gewöhnlichen Erkältungen erkranken, entgegen der Erwartung keine größere Anzahl dieser Zellen", sagt Alexander Scheffold vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein. Außerdem reagiere nur ein kleiner Teil dieser Zellen auch mit den Corona-Erkältungsviren.

"Es scheint eher so zu sein, dass im Laufe des Lebens das Repertoire an Gedächtniszellen gegen viele verschiedene Krankheitserreger wächst und dadurch auch die Wahrscheinlichkeit, dass darunter auch welche sind, die Sars-CoV-2 zufällig erkennen", erklärt Scheffold. Dieses Gedächtniszell-Repertoire, das sich mit jeder Infektion vergrößere, könne man daher auch als "immunologisches Alter" bezeichnen, das auch tatsächlich mit dem biologischen Alter zunehme.

Doch obwohl diese Gedächtniszellen in jedem vorhanden sind, sind sie offensichtlich nicht an der Abwehr einer Sars-CoV-2-Infektion beteiligt. Das liegt vermutlich an ihrer Qualität: "Diese T-Gedächtniszellen erkennen zwar Sars-CoV-2-Viren, allerdings machen sie das nicht besonders gut. Dadurch sind sie wahrscheinlich nicht in der Lage, dafür zu sorgen, dass das Virus erfolgreich bekämpft wird", sagt Erstautorin Petra Bacher von der Uni Kiel über die Studienergebnisse.

Immunologisches Alter als Risikofaktor

Das Forschungsteam fand im Blut der Covid-19-Erkrankten mit mildem Verlauf vor allem T-Zellen, die das Virus sehr gut erkennen. "Hier könnte eine Immunreaktion ausgehend von naiven T-Zellen zugrunde liegen, das heißt, die T-Zellen, die hier die Immunreaktion gegen das Virus unterstützen, könnten aus naiven T-Zellen und nicht aus Gedächtniszellen entstanden sein", erklärt Bacher.

Besonders interessant für die Forschenden war, dass bei Patienten mit einem schweren Krankheitsverlauf die T-Zellen Sars-CoV-2 ähnlich schlecht erkennen, wie die "prä-existierenden" T-Gedächtniszellen. "Das könnte darauf hindeuten, dass diese Immunzellen bei den schweren Covid-Fällen von den schlecht bindenden prä-existierenden T-Gedächtniszellen abstammen", sagt Bacher.

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Dies könne eine einfache Erklärung dafür liefern, warum ältere Menschen ein höheres Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben. "Sie haben vielfach auch ein höheres immunologisches Alter und damit auch eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass das Immunsystem auf diese 'inkompetenten' Gedächtniszellen zurückgreift", so Bacher.

Ihr Kollege Scheffold sagt daher: "Unsere Arbeit zeigt, dass zurückliegende Erkältungen mit Coronaviren keinen effizienten Immunschutz vor Sars-CoV-2 bieten." Darüber hinaus liefere sie wichtige Hinweise darauf, dass das immunologische Alter möglicherweise einen schweren Covid-19-Krankheitsverlauf begünstigen könnte. "Weitere Untersuchungen sind nun nötig, um einen direkten Zusammenhang von immunologischem Alter und schwerem Covid-19 zu überprüfen, und den Einfluss von prä-existierenden Gedächtniszellen auf die Immunreaktion gegen Sars-CoV-2 genauer zu analysieren", so Scheffold.

Quelle: ntv.de, hny

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