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Hoffnung auf neue Energiequelle "Haben in Nordbayern hohe Konzentrationen an Wasserstoff entdeckt"

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In den Wäldern Frankens stießen Geologen in Boden-Luft-Proben auf hohe Wasserstoff-Werte - Hinweis auf einen verborgenen Schatz im Untergrund?

In den Wäldern Frankens stießen Geologen in Boden-Luft-Proben auf hohe Wasserstoff-Werte - Hinweis auf einen verborgenen Schatz im Untergrund?

(Foto: IMAGO/Westend61)

Wasserstoff soll eine wichtige Rolle in einer klimafreundlichen Zukunft spielen: als Energielieferant, Energiespeicher und zum Einsatz in einer CO2-neutralen Industrie. Bisher liegen die Hoffnungen auf grünem Wasserstoff, der unter Einsatz von Strom aus erneuerbaren Energien wie Wind- und Sonnenkraft aus Wasser erzeugt wird. Doch die Produktion ist bislang gering, denn die notwendigen Investitionen sind gewaltig. Andere Verfahren, wie die Herstellung von Wasserstoff aus Öl- oder Gas, werden nur als Zwischenlösungen gesehen.

Doch möglicherweise gibt es beim Wasserstoff eine Alternative: Der Geologe Jürgen Grötsch, Forscher am Geozentrum Nordbayern der FAU Erlangen-Nürnberg, treibt zusammen mit seinen Kollegen die Erkundung von natürlichem Wasserstoff - auch weißer Wasserstoff genannt - in Deutschland voran. Dabei handelt es sich um Wasserstoff, der auf natürliche Weise im Untergrund entsteht, und sich als saubere Energiequelle nutzen lässt. Im afrikanischen Mali ist seit mehr als einem Jahrzehnt eine Anlage in Betrieb, die natürlichen Wasserstoff fördert und zur Stromgewinnung nutzt. Auch andernorts wurden bereits Vorkommen natürlichen Wasserstoffs entdeckt, die Suche nimmt weltweit Fahrt auf. Mit ntv.de sprach Grötsch über das Potenzial dieser noch jungen Energiequelle.

ntv.de: Herr Grötsch, wie entsteht natürlicher Wasserstoff eigentlich?

Jürgen Grötsch: Wir kennen inzwischen eine ganze Reihe von Prozessen im Erdinneren, die dazu führen, dass natürlicher Wasserstoff entsteht. Der bekannteste wird Serpentinisierung genannt. Bestimmte Gesteine werden mit Wasser und Oxidationsprozessen von Eisen in das Mineral Serpentin umgewandelt. Diese chemischen Reaktionen generieren natürlichen Wasserstoff in großen Mengen. In allen Gebirgsgürteln der Welt, die wir kennen, gibt es solche Gesteine und solche Prozesse. Ein zweiter Prozess, bei dem natürlicher Wasserstoff entsteht, ist Radiolyse. Radioaktive Strahlung, die durch Uran, Thorium oder auch Kalium erzeugt wird, spaltet dabei in Granitgesteinen vorhandenes Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff auf. Und dann haben wir noch eine dritte große Unbekannte …

… die da wäre?

... Wasserstoff kann auch in größeren Tiefen des Erdmantels vorhanden sein . Wir wissen das zum Beispiel aus Diamantvorkommen. In Diamanten, die ursprünglich aus 100 bis 200 Kilometern Tiefe stammen, finden wir elementaren Wasserstoff eingeschlossen. Für den Diamantenverkäufer schlecht, weil es den Preis mindert, für Geologen eine Information von unschätzbarem Wert.

Jürgen Grötsch forscht am Geozentrum Nordbayern der FAU Erlangen-Nürnberg.

Jürgen Grötsch forscht am Geozentrum Nordbayern der FAU Erlangen-Nürnberg.

(Foto: privat)

Wie kann man sich das vorstellen: Gibt es in der Erdkruste Wasserstofffelder, so wie es Öl- oder Gasfelder gibt?

Das ist eine große Frage, die wir noch nicht beantworten können. Es könnte sein, dass es solche Vorkommen gibt. Es gibt aber Anzeichen dafür, dass Wasserstoff auf andere Weise durchs Gestein wandert und auch andere Lagerstätten bildet, nicht unbedingt analog zu dem, was man aus Erdgaslagerstätten kennt. Wir sehen bisher vorwiegend Vorkommen, bei denen Wasserstoff zusammen mit Wasser durch Gesteinsschichten hindurch zur Erdoberfläche aufsteigt, oft an Störungszonen in der Erdkruste. Heute kennt man Vorkommen in Aquiferen (Gesteinsschichten, die Wasser enthalten, Anm. d. Red.) etwa in Mali in Afrika, in den Vereinigten Staaten in Kansas, Nebraska aber auch aus Südaustralien.

Sie haben kürzlich mit Ihrem Team in Nordbayern Boden-Luft-Proben genommen und dabei nach eigenen Angaben hohe Wasserstoffkonzentrationen gemessen. Schlummert unter uns ein noch unentdeckter Wasserstoff-Schatz?

Wir haben in Nordbayern geologische Strukturen untersucht, in denen Wasserstoff entstehen könnte, und dort tatsächlich überraschend hohe Konzentrationen gefunden. Wasserstoff ist sehr reaktiv und wird von Mikroben im Erdinneren als Energiequelle genutzt. Die hohen Konzentrationen deuten darauf hin, dass die vorhandene Wasserstoffmenge im Untergrund größer ist, als diese Mikroben verbrauchen können. Das bestärkt unsere Vermutung signifikanter Wasserstoffvorkommen.

Es wurde in der Vergangenheit sehr viel auf der Erde nach Öl und Gas gebohrt. Wenn es tatsächlich große Lagerstätten an Wasserstoff gäbe, hätte man diese nicht bereits per Zufall finden müssen?

Ja, das ist einer der Punkte, die ich immer wieder gefragt werde. Warum haben wir das bisher nicht gesehen? Das liegt meiner Einschätzung nach höchstwahrscheinlich daran, dass das Wasserstoffsystem anders funktioniert als das Petroleumsystem (Prozesse der Bildung, Bewegung und Anreicherung von Öl und Gas im Gestein, Anm. d. Red.). Bisher wurde nur in den Sedimentbecken mit Öl-und Gasreservoiren im großen Maßstab exploriert und gebohrt. Aber wir wissen nun, dass in sehr vielen verschiedenen geologischen Gegebenheiten Wasserstoff vorkommt, auch dort, wo es kein Öl und kein Gas gibt, etwa in Franken.

Wenn etwa in Nordbayern tatsächlich ausreichend Wasserstoff gefunden wird - könnte in Deutschland zukünftig Energie aus natürlichem Wasserstoff gewonnen werden?

Ja, wir denken, dass dezentrale, lokale, umweltfreundliche Energiegewinnung mit lokalem Verbrauch möglich ist. Damit würden wir auch alle vier Dilemmas der aktuellen Wasserstoffstrategie vermeiden - die Kosten für grünen Wasserstoff, den Wettbewerb um grünen Strom, die Ineffizienz der Elektrolyse und den Transport. Wir wollen weg von der Abhängigkeit von Transport über lange Distanzen im Energiesektor. Daher wollen wir Wasserstoff lokal produzieren und lokal verbrauchen.

Wie tief müsste man wahrscheinlich bohren, um in Deutschland auf Wasserstoff zu stoßen?

Das sind nach unseren bisherigen Erkenntnissen 500 bis 1500 Meter. Das ist nicht sehr tief und relativ günstig. Öl- und Gasbohrungen gehen 3000 bis 4000 Meter tief, da wird es dann exponentiell teurer. Denkbar ist, dass wir Wasserstoff zusammen mit geothermischer Energie aus Aquiferen fördern können. Möglicherweise können wir auf diese Weise lokal integrierte Energiesysteme entwickeln, die mit kurzen Transportwegen auskommen.

US-Geologen haben kürzlich eine Schätzung zu den globalen Wasserstoffvorkommen veröffentlicht. Sie errechnen ein förderbares Volumen von 100 Milliarden Tonnen - was für viele Jahre den weltweiten Bedarf decken und beim Erreichen der Klimaziele helfen könnte. Halten Sie das für realistisch?

Das ist einer der ersten Versuche einer Schätzung der globalen Vorkommen. Der erste kam 2020 vom Geochemiker Viacheslav Zgonnik, der geschätzt hatte, dass jährlich 23 Millionen Tonnen Wasserstoff an die Erdoberfläche gelangen. Zum Vergleich: Es werden weltweit im Augenblick 90 Millionen Tonnen Wasserstoff pro Jahr produziert, hauptsächlich grauer Wasserstoff, der aus Kohlenwasserstoffen hergestellt wird. Es steckt zwar viel Unsicherheit in solchen Studien, klar ist jedoch, dass der Umfang natürlicher Wasserstoffvorkommen lange unterschätzt wurde.

Im Augenblick ist offenbar noch vieles unklar. Kann natürlicher Wasserstoff tatsächlich eine Rolle in der Energieversorgung der Zukunft spielen?

Es ist durchaus zu erwarten, dass in Zukunft größere Mengen an natürlichem Wasserstoff produziert werden. Man wird nach meiner Einschätzung damit keine Stahlfabrik betreiben können, sondern eher lokale Energiegewinnung für Gemeinden etwa oder Städte. Aber wenn man das in vielen Städten macht, dann kann das in der Summe eine erhebliche Menge werden. Jedoch erst, wenn wir viele Produktionsanlagen haben, wissen wir, wie viel Wasserstoff letztendlich vorhanden und produzierbar ist.

In Mali gibt es bereits eine erste Anlage, welche Energie aus natürlichem Wasserstoff erzeugt. Wann könnte es in Deutschland so weit sein?

Die ersten Pilotanlagen könnte man, wenn alles gut läuft, in fünf Jahren realisieren. Anfänglich werden das keine großen Mengen sein, die gefördert werden. Aber mit jedem Rohstoff ist es so: Je mehr Sie investieren, desto mehr finden Sie. Wird in Deutschland nichts investiert, dann kommt auch nichts dabei heraus. Aber wenn Sie die entsprechenden Investitionen machen, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass Sie auch hier in Deutschland produzieren können.

Aber ist der Wasserstoff im Untergrund nicht auch endlich - irgendwann müsste man sich dann doch wieder etwas anderes überlegen?

Die Anlage in Mali läuft seit zwölf Jahren und hat nach Angaben des Betreibers keinen Druckverlust. Das sind Zeichen, dass man solche Anlagen über sehr lange Zeiträume betreiben kann. Wenn Sie ein Erdgasreservoir anbohren, dann lässt der Druck nach und eines Tages kommt die Produktion zum Erliegen. Bei der Anlage in Mali sehen wir aber, dass sich die Wasserstoffproduktion nicht minimiert. Das heißt also, dass dort im Untergrund Wasserstoff kontinuierlich produziert wird und nach oben kommt. Damit wäre natürlicher Wasserstoff auch eine erneuerbare Energie.

Sie hatten in einem anderen Interview schon mal regulatorische Hürden in Deutschland erwähnt, welche der Förderung von natürlichem Wasserstoff noch im Weg stehen. Worum geht es dabei?

Es gibt das Bundesbergbaugesetz, das regelt, welche bergfreien Bodenschätze (Auf bergfreie Bodenschätze erstreckt sich das Eigentum an einem Grundstück nicht, Anm. d. Red.) es in Deutschland gibt, das sind etwa Kohle, Gas, Öl und Eisenerz. Aber in dieser Liste fehlen der natürliche Wasserstoff und auch Helium. Deswegen muss dieses Bundesbergbaugesetz zunächst aktualisiert werden, damit Wasserstoff überhaupt gefördert werden kann.

Sie sind in Zusammenhang mit natürlichem Wasserstoff auch dabei ein durch die Universität unterstütztes Startup zu gründen. Was sind ihre Ziele?

Wir wollen Exploration von natürlichem Wasserstoff vorantreiben und dezentrale Energie-Pilotanlagen in Deutschland entwickeln und solche weltweit exportieren. Wir sehen darin ein großes Potenzial und suchen derzeit noch nach Investoren.

Mit Jürgen Grötsch sprach Kai Stoppel.

Quelle: ntv.de

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