Leben in lebensfeindlicher Zone Mäuse stellen Höhenrekord auf
24.10.2023, 12:04 Uhr Artikel anhören
Diese kleine Blattohrmaus hält es in großen, lebensfeindlichen Höhen aus - aber wovon lebt sie dort?
(Foto: Marcial Quiroga-Carmona/dpa)
Die Atacama-Hochebene in Südamerika ist eine der lebensfeindlichsten Zonen der Erde. Trotzdem leben dort Mäuse - in großen Höhen, auf den Gipfeln von Vulkanen. Der Höhenrekord für Säugetiere stellt Forscher vor Rätsel: Was tun die Tiere da? Und wovon leben sie?
Gefriergetrocknet in einer Geröllwüste in mehr als 6000 Metern Höhe: Auf den Gipfeln mehrerer Andenvulkane haben Forscher mehr als ein Dutzend mumifizierte Blattohrmäuse gefunden. Die Funde im Grenzgebiet von Chile und Argentinien gelten als Höhenrekord für das Vorkommen von Säugetieren, abgesehen vom Menschen. Erbgut-Analysen deuten darauf hin, dass es sich nicht um einzelne Streuner handelt, die irgendwie auf die Gipfel gelangt sind, sondern um dort lebende Populationen.
"Die Tatsache, dass Mäuse tatsächlich in solchen Höhen leben, zeigt, dass wir die körperlichen Belastungsgrenzen kleiner Säugetiere unterschätzt haben", sagt Jay Storz von der University of Nebraska, der die Erkenntnisse im Fachblatt "Current Biology" vorstellt. Schon vor drei Jahren hatte Storz im Fachblatt "PNAS" vom Fund einer Blattohrmaus (Phyllotis) auf dem Gipfel des 6739 Meter hohen aktiven Vulkans Llullaillaco berichtet - den Fang dokumentiert sogar ein Video. Bis dahin hatte der Großohr-Pfeifhase im Himalaya den Rekord gehalten - mit einer belegten Sichtung auf 5182 Metern und Berichten über einen Fund auf 6130 Metern Höhe.
Blattohrmaus schlägt Rekord deutlich

Jay Storz bei der Ausgrabung einer Mäusemumie auf dem Gipfel eines Andenvulkans.
(Foto: Mario Pérez Mamani/dpa)
Die Blattohrmaus Phyllotis vaccarum schlägt diesen Rekord deutlich - aber nicht nur das: Die Vulkangipfel auf dem Atacama-Hochplateau sind eine rund 1500 bis 2000 Meter über der Vegetationsgrenze gelegene Geröllwüste, vergleichbar mit Landschaften auf dem Mars. Die erste mumifizierte Maus hatte Storz auf dem Vulkan Salín in gut 6000 Metern Höhe gefunden. Bei weiteren Expeditionen fand er dort und auf den beiden nahegelegenen Vulkanen Púlar and Copiapó insgesamt 13 mumifizierte Tiere und Überreste von weiteren.
Radiocarbon-Datierungen ergaben, dass fast alle Tiere in den vergangenen Jahrzehnten gelebt hatten. Nur eines davon war älter: Es lebte vor maximal 350 Jahren frühestens im späten 17. Jahrhundert - und damit lange nach der Zeit der Inka. Diese waren für Tier- und Menschenopfer auf Bergspitzen bekannt.
Wovon leben die Tiere?

Blick vom Gipfel des Volcán Salín, einem der drei Andenvulkane, auf denen Forscher die mumifizierten Kadaver von Mäusen entdeckt haben.
(Foto: Jay Storz, University of Nebraska-Lincoln/dpa)
Genomuntersuchungen der auf den jeweiligen Gipfeln gefundenen Mäuse ergaben, dass es sich etwa zur Hälfte um männliche und weibliche Tiere handelt. Zudem sind unter jenen acht Mäusen, die vom Salín stammten, zwei eng miteinander verwandte Paare - vermutlich entweder Geschwister oder Eltern-Nachwuchs. Beides spricht den Forschern zufolge dafür, dass es sich um feste Populationen handelt und nicht um zufällige Streuner. Unklar ist jedoch, wovon die Tiere dort eigentlich leben.
"Auch wenn wir einen Transport durch die Inkas als Erklärung für die Existenz von Mausmumien auf Atacama-Vulkanen ausschließen können, bleibt es ein Rätsel, warum die Tiere aus eigenem Antrieb in so extreme Höhen aufstiegen", schreibt die Gruppe um Storz. Eine Möglichkeit wäre, dass sie in dieser unwirtlichen Umgebung nicht mit Fressfeinden wie etwa Füchsen oder Greifvögeln rechnen müssen.
"Wenn man sich auf dem Gipfel eines 6000 Meter hohen Vulkans versteckt, ist man zumindest davor sicher", sagt Storz. "Dafür muss man sich dann aber um andere Dinge sorgen."
Quelle: ntv.de, Walter Willems, dpa