Wissen

Basiswissen auf den Kopf gestellt Überraschungen machen Babys zu Forschern

Mithilfe eines Autos stellten die Forscher das Basiswissen der Babys auf den Kopf.

Mithilfe eines Autos stellten die Forscher das Basiswissen der Babys auf den Kopf.

(Foto: imago stock&people)

Wenn etwas nicht den gegebenen Gesetzen entspricht, beginnt der Mensch zu forschen. Dieser Wissensdrang beflügelt auch schon Babys. Werden sie überrascht, wollen die Kleinen wissen, was dahinter steckt.

Überraschungen regen schon Babys zu besserem Lernen und eigenen Nachforschungen an. Bereits im Alter von elf Monaten erkunden Kleinkinder zielgerichtet, warum ein Ereignis ihren Erwartungen widerspricht. Damit reagierten Kinder noch vor dem Erlernen von Sprache im Prinzip ähnlich wie Wissenschaftler, schreiben zwei US-Psychologinnen im Magazin "Science".

Schon seit Jahrzehnten wissen Forscher, dass bereits kleine Babys ungewöhnlichen Vorgängen besonders viel Beachtung schenken. Sie schauen etwa länger auf Bilder, die eine optische Täuschung zeigen, als auf vergleichbare normale Abbildungen. Unklar war bisher, ob und wie sich dies auf das Lernen auswirkt. Dies ermittelten Aimee Stahl und Lisa Feigenson von der Johns Hopkins University in Baltimore in einer Serie ausgeklügelter Versuche. Darin stellten sie Basiswissen von Babys im Alter von elf Monaten infrage.

Basiswissen außer Kraft gesetzt

Unerwartetes lässt die Kleinen zu großen Forschern werden.

Unerwartetes lässt die Kleinen zu großen Forschern werden.

(Foto: imago/Westend61)

Unter Basiswissen - englisch core knowledge - verstehen sie universelle Kenntnisse zum Aufbau der Welt, die schon im frühen Leben vorhanden sind - zum Beispiel, dass Dinge zu Boden fallen. Im ersten Experiment zeigten die Psychologinnen Kindern einen Film: Darin rollte ein Spielzeugauto eine Rampe hinunter auf eine Wand zu, die von einer Leinwand halb verdeckt war. Wurde die Leinwand entfernt, sah ein Teil der Babys erwartungsgemäß, dass das Auto an der Wand gestoppt hatte. Die übrigen erblickten es dagegen überraschenderweise hinter der Wand.

Im zweiten Schritt des Versuchs bekamen alle Kinder eine neue Information: Das Auto gab einen bestimmten Klang von sich, wenn es angehoben wurde. Danach hörten die Babys nur diesen Ton, wobei die Forscher ihre Reaktion prüften. Resultat: Jene Kinder, die zuvor die Überraschung erlebt hatten, schauten besonders lange auf das Auto. Daraus folgern die Forscherinnen, dass sie die Verknüpfung von Auto und Klang besser gelernt hatten.

Ein weiteres Experiment prüfte dann, ob die Kinder auch gezielt forschten. In diesem Versuch sahen die Babys entweder den Film aus dem ersten Experiment, oder aber eine Szene, in dem ein Auto über eine Oberfläche rollt. Als es über deren Rand hinausfährt, fällt es entweder erwartungsgemäß zu Boden oder schwebt einfach weiter. Auch hier zeigten jene Kinder mehr Interesse, die die Überraschung erlebten. Vor allem aber prüften diese Babys das Gesehene gezielt, wenn sie das Fahrzeug bekamen: Jene, die das Auto schweben sahen, ließen es eher zu Boden fallen. Die anderen Kinder, die dachten, das Auto habe eine Wand durchdrungen, schlugen damit eher auf einen Tisch ein – und prüften damit nach Ansicht der Forscher, ob es fest ist.

Verstoß gegen Erwartungen regt zum Denken an

Das belege, "dass Kleinkinder ihre forschenden Handlungen auf die Art der gesehenen Überraschung zuschnitten", schreiben sie. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass das Lernen von Kleinkindern sich verändert, wenn gegen ihre Erwartung verstoßen wird." Damit ähnelten Kinder schon vor dem Erwerb von Sprache Wissenschaftlern, die ebenfalls auf überraschende Befunde mit Nachgrübeln oder neuen Experimenten reagierten. "Insgesamt enthüllen unsere Resultate, dass Kleinkinder, wenn sie sehen, dass ein Objekt ihre Erwartungen herausfordert, mehr über den Gegenstand lernen und wichtige Vermutungen zu seinen Eigenschaften prüfen."

"Vielleicht das Überraschendste an diesen Ergebnissen ist, dass sie nicht schon früher gemacht wurden", schreibt Laura Schulz vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in einem Kommentar. "Es ist sowohl erfreulich als auch erstaunlich, dass Kinder im Alter unter einem Jahr nicht nur Gegenstände gezielt untersuchen, die ihre Erwartungen erschüttern, sondern dass sie dies auch auf eine Art tun, die mit dem beobachteten Ereignis direkt zusammenhängt."

Allerdings, so betont die Forscherin, basiere Lernen nicht nur auf Erschütterungen des Basiswissens, die gewöhnlich kaum vorkämen. "Würden sich Kleinkinder nur auf Erschütterungen des Grundwissens stützen, um zu wissen, was sie wann lernen sollten, dann würden sie sehr wenig lernen." Dennoch, so meint sie, bildeten solche Überraschungen besondere Gelegenheiten zum Lernen.

Quelle: ntv.de, lsc/dpa

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