Bei langanhaltender Pein Wann Schmerzen zu Emotionen werden
13.03.2015, 00:39 Uhr
Mit solchen Kappen werden EEGs erstellt.
(Foto: picture alliance / dpa)
Schmerzen sind unangenehm. Je länger sie anhalten, umso belastender werden sie. Wie das Gehirn auf langanhaltende Schmerzen und auf die Erwartung von Schmerz reagiert, finden Forscher mit Hilfe von Hitze und Laser nun heraus.
Ob im Kopf, Rücken oder Knie: Schmerzen sind ein Schutzmechanismus des Körpers und haben deshalb ihre Berechtigung. Chronische Schmerzen dagegen können mürbe machen und die Lebensqualität erheblich beeinflussen. Um die Wirkung von langanhaltender Pein im Gehirn nachzuvollziehen, haben Forscher der Technischen Universität München (TUM) verschiedene Experimente durchgeführt - und ein eindeutiges Ergebnis erhalten: Ein langanhaltender Schmerz wird im Gehirn emotionaler verarbeitet als ein kurzer.
Für die Untersuchung setzte das Forscherteam um Prof. Markus Ploner, Heisenberg-Professor für Human Pain Research an der TUM Fakultät für Medizin 41 Probanden ein Kappe mit 64 Elektroden auf den Kopf. Damit wurden die Nervenzellaktivität des Gehirns gemessen und sogenannte Elektroenzephalogramme (EEGs) erstellt, während die Probanden zehn Minuten lang einen Hitzereiz auf die Hand bekamen. Während des Versuchs hatten die Versuchsteilnehmer die Aufgabe, mittels eines Schiebereglers die momentan empfundene Schmerzstärke auf einer Skala von eins bis hundert zu bewerten. Dafür sollten sie die andere Hand benutzen.
Überraschendes Ergebnis
"Das Ergebnis war überraschend, denn schon nach wenigen Minuten Schmerzreiz veränderte sich die subjektive Schmerzwahrnehmung der Teilnehmer", erklärt Professor Ploner im Gespräch mit n-tv.de. "So berichteten die Probanden zum Beispiel von Änderungen des Schmerzes, auch wenn der objektive Reiz unverändert blieb. Die Empfindung von Schmerz löste sich somit bereits über wenige Minuten vom objektiven Reiz", beschreibt Markus Ploner die Studien-Ergebnisse. Bisher war bekannt, dass kurze Schmerzreize von sogenannten sensorischen Bereichen im Gehirn wahrgenommen werden. Signale der Sinnesorgane, wie beispielsweise der Haut, werden in diesen Hirnarealen verarbeitet.
Ein anderes Bild zeigte sich bei länger andauernden Schmerzen: In diesem Fall wurden nämlich emotionale Hirnbereiche aktiviert. "Dauert ein Schmerz über einen längeren Zeitraum von mehreren Minuten an, so wandelt er sich offensichtlich von einem reinen Wahrnehmungsprozess zu einem eher emotionalen Prozess", erklärte Ploner weiter. Diese Erkenntnis sei hochinteressant für die Diagnose und Therapie von chronischen Schmerzen bei denen der Schmerz über Monate und Jahre andauert.
Schmerzerwartung und Placeboeffekt
Dass nicht nur die Dauer des Schmerzes, sondern schon die Erwartung auf einen Schmerzreiz die Art der Wahrnehmung beeinflusst, können die Forscher mit einer weiteren Untersuchung beweisen. Hierfür wurden zwanzig Probanden unterschiedlich starke, schmerzhafte Laserpulse abwechselnd auf zwei Bereiche auf ihren Handrücken abgegeben. Nach jedem Schmerzreiz sollten die Probanden sagen, wie stark sie den Schmerz empfunden hatten.
Danach erhielten sie die gleichen Schmerzreize noch einmal. Zuvor wurden die Hände jedoch mit zwei verschiedenen Cremes behandelt und den Probanden mitgeteilt, dass eine davon schmerzlindernd wirkt, obwohl beide wirkstofffrei waren. Die Probanden teilten daraufhin mit, dass die Schmerzen auf dem Hautbereich mit der angeblich schmerzlindernden Creme spürbar schwächer waren als auf der Vergleichsfläche. Die Forscher konnten den Placebo-Effekt bei den Probanden sogar im Gehirn sehen, denn obwohl objektiv die gleichen Schmerzreize verabreicht worden waren, feuerten die Nervenzellen beim zweiten Durchlauf ein anderes Muster von Signalen ab, als beim ersten.
"Unsere Ergebnisse zeigen, wie unterschiedlich unser Gehirn sogar objektiv gleiche Schmerzreize verarbeitet", so Ploner. Das komplexe neurologische Phänomen 'Schmerz' im Gehirn systematisch zu kartieren und besser zu verstehen, sei zwar eine große Herausforderung - für eine bessere Therapie von Schmerzpatienten aber dringend notwendig, fasst der Mediziner zusammen.
Quelle: ntv.de, jaz