Europa reagiert Zahl der Ciguatera-Fischvergiftungen steigt
11.05.2017, 17:04 Uhr
Im November 2012 wurden in Berlin mehrere Fälle von Ciguatera-Vergiftungen nach dem Genuss von Red-Snapper gemeldet.
(Foto: REUTERS)
Fisch ist gesund, leicht verdaulich, aber auch schnell verderblich. Zudem stehen manche Arten im Verdacht, ungesunde Substanzen zu enthalten. Nun kommt ein weiteres Risiko hinzu, das den falschen Namen trägt.
Der Mund juckt, die Finger zittern und man friert, obwohl es gar nicht kalt ist. Erbrechen, Durchfall und Übelkeit kommen hinzu. Dass die krassen Vergiftungserscheinungen vom Fisch kommen, den man vor ein paar Stunden gegessen hat, ist vielen schnell klar. Dass es sich jedoch um ein marines Gift handelt, das aus tropischen Regionen stammt, dagegen nicht. Tatsächlich kam bisher eine sogenannte Ciguatera-Vergiftung nach dem Genuss von Fisch nur in tropischen und subtropischen Regionen vor. Nun ist die schwere und langwierige Fischvergiftung auch in Europa, vor allem auf den spanischen und portugiesischen Atlantikinseln, aber auch in Deutschland angekommen. Aus diesem Grund haben sich Wissenschaftler aus insgesamt 14 europäischen Organisationen aus sechs Mitgliedsstaaten der EU zum Projekt EuroCigua zusammengetan, um die Gefahren, die durch das Gift auch in europäischen Gewässern besteht, zu bannen. Daran beteiligt ist unter anderem das Bundesinstitut für Risikobewertung.
Doch was verbirgt sich hinter dem Gift mit dem eigenartigen Namen und wo kommt es her? Der Name für die Ciguatera-Fischvergiftung leitet sich von dem auf Kuba gebräuchlichen Namen "Cigua" für Schnecke ab, die zunächst irrtümlich als Krankmacher angesehen wurde. Dabei stammt das hochwirksame Gift aus Stoffwechselprodukten von Mikroalgen, die man in Korallenriffen des Karibischen Meeres, des Pazifiks und des Indischen Ozeans findet. Die sogenannten Dinoflagellaten leben auf Algen und Seetang und werden von Korallenfischen gefressen – und diese wiederum von Raubfischen, die von Fischern gefangen werden. So gelangt das Cigua-Gift in den menschlichen Körper.
Das Tückische daran: Die mit Ciguatoxinen belasteten Tiere selbst sind nicht krank. Ob sie das Gift in sich tragen, lässt sich weder durch Geschmack oder Geruch noch durch die Beschaffenheit der Fische erkennen. Zudem ist das Cigua-Gift hitze- und kältebeständig. Es lässt sich also weder durch Garmethoden noch durch Gefrieren ausschalten. Selbst die Magensäure des Menschen ist dagegen machtlos.
Dennoch betont der Präsident des Bundesinstituts für Risikobewertung, Professor Andreas Hensel: "Ciguatera ist in Deutschland eine sehr seltene Fischvergiftung. Die gemeldeten Erkrankungen sind durch den Verzehr von belasteten tropischen Raubfischen, wie verschiedenen Snapper-Arten, ausgelöst worden." Insgesamt könnten rund 200 Fischarten das Gift in sich tragen, dazu zählen Doppelfleckschnapper, Purpurschnapper oder Pinjalo pinjalo. Aber auch Gelbschwanzmakrelen, Barrakuda und Zackenbarsche waren in der Vergangenheit Auslöser von Ciguatera-Vergiftungen.
Starkes Gift wirkt auf Nervenzellen
Die Vergiftung mit dem Ciguatoxin kann bereits 45 Minuten nach dem Fischverzehr zu einem Brennen der Mundschleimhaut führen. Etwa vier bis zwölf Stunden danach können Durchfall, Übelkeit und Erbrechen einsetzen. Die Körpertemperatur kann absinken, was zu einem Kältegefühl bei den Betroffenen führt. Juckreiz, Hautausschläge, Zittern und eine schmerzhafte Kälteüberempfindlichkeit sind typisch. Auch ein unklares Schwächegefühl mit geringer Belastbarkeit, das mehrere Monate anhält, kann auftreten, genauso wie Muskel- und Gelenkschmerzen. Grund dafür ist die Wirkung des Gifts auf sensible Nervenzellen.
Menschen, die nach dem Genuss von Fisch oder Meerestieren unter diesen Symptomen leiden, sollten möglichst schnell einen Arzt aufsuchen. Auch wenn es bisher noch keine Diagnosemethode für Patienten gibt, könnte der Arzt helfen, die Symptome zu lindern und eine Chronifizierung der Symptome zu verhindern. Zudem können Verbraucher selbst Aufmerksamkeit walten lassen. Verzicht ist dabei zwar die beste Prävention, dennoch sollte Fisch nicht grundsätzlich vom Speiseplan gestrichen werden. Vor allem solle man auf selbstgefangenen und auf Fisch aus tropischen Regionen, der hierzulande im gefrorenen Zustand im Handel oder in Restaurants angeboten wird, verzichten, rät das Bundesinstitut für Risikobewertung in einem Merkblatt. Zudem könne man mit gründlichem Waschen des Fisches vor der Zubereitung die Giftkonzentration unter Umständen verringern.
Quelle: ntv.de, jaz