"Es ist eine Katastrophe" Ist der Wald nach einem Brand verloren?
10.09.2022, 12:30 Uhr
Ist der Stamm durch das Feuer schwer beschädigt, stirbt der Baum.
(Foto: picture alliance/dpa/tnn)
Auch dieses Jahr gibt es schreckliche Bilder von Waldbränden. In Deutschland muss die Feuerwehr wochenlang gegen die Brände kämpfen. Ist das Feuer gelöscht, ist die größte Gefahr gebannt. Doch was wird danach aus dem Wald? Kann er sich erholen?
"Durch den Brand verloren sind die Bäume und viele andere Lebewesen, die den Wald ausgemacht haben", erklärt Jens Schröder, Professor an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde im Gespräch mit ntv.de. Aber "Waldbrand ist nicht gleich Waldbrand". Deswegen sei es schwer, eine genaue Zeitspanne zu benennen, ab wann sich der Wald wieder vollständig erholt hat.
Es gibt harmlosere Brände, wie zum Beispiel ein Bodenfeuer. Das verschont die Baumkronen und die Feuerwehr kann ihn relativ schnell löschen. "Ein gesunder Wald kann das gut aushalten, ohne dass ein Großteil der Bäume stirbt", so Schröder. Verhängnisvoller für den Wald sind die größeren Feuer, bei denen der Stamm des Baumes so schwer zerstört wird, dass der Baum an den Folgen des Brandes langsam abstirbt. Der Wald ist zudem deutlich anfälliger für neue Brände, wenn er bereits zuvor schon einmal gebrannt hat und dadurch ausgetrocknet ist.
Normalerweise werden nach einem Waldbrand die Überreste der Bäume, das sogenannte Totholz, entfernt, um Platz für junge Bäume zu machen. Ob das Totholz nicht sogar den darunter wachsenden Pflanzen nützt und deswegen liegen bleiben sollte, wollten Forscher in der brandenburgischen Gemeinde Treuenbrietzen nach einem Waldbrand 2018 herausfinden. Tragischerweise brannte die Fläche noch vor Ende der Untersuchungen erneut ab.
Die ersten fünf bis zehn Jahre sind entscheidend
Wie schnell ein Wald nach einem Brand wieder grün wird, ist vor allem abhängig von der Größe und der Schwere des Brandes. In Brandenburg beispielsweise gibt es jedes Jahr mehrere kleine Waldbrände, die schnell gelöscht werden können. Die ehemalige Brandfläche ist nach einem halben bis dreiviertel Jahr schon wieder grün. Und innerhalb weniger Jahre wächst die freie Fläche von außen nach innen wieder zu.
Für die jungen Bäume sind die ersten fünf bis zehn Jahre entscheidend. Auf einer freien Fläche sind diese nur wenig oder nicht geschützt. Sie sind dann Wind, Frost, Niederschlag und der Sonneneinstrahlung ausgesetzt. Deswegen kann es passieren, dass junge Bäume nach zwei bis drei trockenen Jahren wieder eingehen. Bis der Wald aber wieder die gleiche Dichte wie vor dem Brand erreicht, dauert es jedoch mehrere Jahrzehnte. 2018 brannten in Brandenburg viele Wälder ab, die 60 bis 70 Jahre alt waren. Bis sich diese Wälder wieder vollständig erholt haben, brauchen sie genau die gleiche Zeitspanne.
Pionierbäume zur Rehabilitation
Der Mensch kann den Wald nicht einfach neu bepflanzen, er kann lediglich die Natur bei ihrer Rehabilitation unterstützen. Direkt in den verbrannten Waldboden aufzuforsten, wäre kaum erfolgreich. Der Waldboden könnte die frisch gesetzten Bäume nicht mit Nährstoffen versorgen. Zudem wäre dieser Prozess sehr teuer. Wirklich helfen können aber sogenannte Pionierpflanzen, wie zum Beispiel die Hänge-Birke. Das sind Bäume, die wenig Anspruch an ihre Umgebung haben und in den ersten 10 bis 15 Jahren besonders schnell wachsen. Sie bieten den langsamer wachsenden Bäumen Schutz in mehrfacher Weise.
2021 Jahr verbrannten in Brandenburg 42 Hektar Fläche bei 168 Bränden. Der Klimawandel lässt die Zahlen in den kommenden Jahren weiter steigen und durch die extreme Trockenheit können sich Brände schneller ausbreiten. "In unserer Region, also in Mitteleuropa, sind Waldbrände nichts Natürliches", sagt Schröder. Über 90 Prozent der Waldbrände sind vom Menschen gemacht. Nur vier Prozent der Brände haben natürliche Ursachen, wie beispielsweise einen Blitzeinschlag. "Die Wälder kommen bei uns komplett ohne Waldbrand aus und sind darauf auch nicht eingestellt. Es ist wirklich eine Katastrophe", erklärt er weiter. "Es verschwindet immer ein Ökosystem", so der Wissenschaftler.
Chance für einen feuerfesteren Wald
Hat es gebrannt, können für einige einzelne Tier- oder Baumarten auch Vorteile entstehen, da es nach einem Brand mehr Freifläche gibt. Sie können so besser wachsen und einen neuen Lebensraum für sich beanspruchen. Zudem entsteht nach einem Brand die Möglichkeit, den Wald neu zu gestalten. In Brandenburg bestehen die Wälder zum Großteil aus Nadelbäumen, welche besonders leicht brennen. Wenn diese Wälder durch Feuer zerstört werden, ist das eine Chance, den nachwachsenden Wald feuerfester zu gestalten. Mischwälder, also Wälder, die aus vielen verschiedenen Baumsorten bestehen, gelten als feuerfester. "Man muss Geduld haben und auch akzeptieren, dass der Wald nicht von vornherein das Produkt Holz liefert", sagt Schröder zu den Erwartungen, die der Mensch zu oft an den Wald hat.
Übrigens: Nadelbäume wie Kiefer, Fichte und Weißtanne beinhalten viele ätherische Öle und fangen deshalb besonders schnell Feuer. Es gibt aber Baumarten wie beispielsweise die Roteiche, die präventiv, also als Schutz vor Waldbränden gepflanzt werden. Allerdings handelt es sich dabei um eine amerikanische Baumart, die deshalb hierzulande nicht in Naturschutzgebieten angepflanzt werden darf.
Quelle: ntv.de