Kino

Für Abenteuer ist es nie zu spät Manche Fahrstunden sind fürs Leben

Wendy lernt bei Darwan mehr als Autofahren - und er lernt auch von ihr.

Wendy lernt bei Darwan mehr als Autofahren - und er lernt auch von ihr.

(Foto: ©AlamodeFilm/KochMedia)

Der Taxifahrer und die Intellektuelle: Sie wird nach über 20 Jahren Ehe von ihrem Mann verlassen, er bekommt per Flugzeug seine Frau geschickt, die er noch nie gesehen hat. So verschieden beide auch sind: Etwas lässt sie zueinanderfinden. Aber was?

Eine Frau wird nach mehr als 20 Jahren Ehe von ihrem Mann verlassen, für eine andere Frau. Nach anfänglicher Wut, Trauer und Verzweiflung, unterbrochen von kurzen Hoffnungsphasen ("Solche Anfälle hat er schon öfter gehabt, der kommt bald zurück"), gewinnt sie wieder Selbstvertrauen und nimmt ihr Leben in die Hand. Das ist keine neue Geschichte und nichts, was man nicht schon verfilmt gesehen hätte. Auch die Begegnung zweier ganz unterschiedlicher Menschen, die ihr Leben beeinflusst und zum Teil komplett umkrempelt - das ist alles schon öfter auf der Leinwand aufgetaucht.

Ungleiches Paar: der Fahrlehrer und Taxifahrer Darwan und die Literaturkritikerin Wendy.

Ungleiches Paar: der Fahrlehrer und Taxifahrer Darwan und die Literaturkritikerin Wendy.

(Foto: ©AlamodeFilm/KochMedia)

Man denke nur an den Kultfilm "Harold und Maude" oder "Mr. Morgans Last Love" mit dem wunderbaren Michael Caine - große, besondere Freundschaften trotz enormer Alterunterschiede. Oder an Rose DeWitt Bukater und Jack Dawson (Kate Winslet und Leonardo DiCaprio) auf der "Titanic", die Tochter aus gutem Hause und der mittellose Künstler. Oder der ungebildete Einwanderer Driss und der superreiche Franzose Philippe in "Ziemlich beste Freunde" - alles ungleiche Paare, die sich an einem Punkt begegneten und die etwas Verbindendes fanden, das die Gräben zwischen ihnen überbrückte.

Beziehungsprobleme verbinden

Bei der New Yorker Schriftstellerin Wendy (Patricia Clarkson) und dem indischen Taxifahrer Darwan (Ben Kingsley) ist es der Führerschein, den Wendy machen will, nachdem ihr Mann sie so plötzlich verlassen hat. Endlich unabhängig sein, selbstständiger - so kann sie auch ihre Tochter Tasha (Grace Gummer, Tochter von Meryl Streep) in Vermont besuchen. Obwohl die Lebenswege und Lebensumstände von Wendy und Darwan unterschiedlicher kaum sein könnten, kommen sie sich näher, werden ihre Gespräche immer persönlicher und tiefer. Und auch wenn ihre Temperamente ebenfalls sehr gegensätzlich sind - sie lebhaft und impulsiv, er ruhig und ausgeglichen (was man als Fahrlehrer wohl auch sein muss) - finden sie einen gemeinsamen Ton.

Darwan gibt sich schon Mühe, seine neue, ihm kaum bekannte Frau (2.v.r.) zu verstehen - es gelingt ihm nur kaum.

Darwan gibt sich schon Mühe, seine neue, ihm kaum bekannte Frau (2.v.r.) zu verstehen - es gelingt ihm nur kaum.

(Foto: ©AlamodeFilm/KochMedia)

Sie fragen sich gegenseitig um Rat und geben sich Ratschläge. Und schließlich sind ihre Probleme doch ähnlicher Natur: es geht um die Partnerschaft, die Beziehung. Wie redet man am besten mit seiner Frau oder seinem Mann, wie hört man sich zu, wie merkt man, was der andere braucht und für Bedürfnisse hat? Da haben nämlich beide ziemliche Defizite.

Bei all den Beziehungsproblemen bleiben aber politische Themen nicht außen vor; sie spielen im Gegenteil eine recht große Rolle. "Learning to drive" ist kein sozialrealistischer Film, aber man bekommt einen Einblick in die Welt der Einwanderer in den USA, ob illegal oder legal, ihre ständige Angst vor Polizeikontrollen, der alltägliche Rassismus. So trägt der gläubige Sikh Darwan aus religiösen Gründen einen Turban, was ihm einerseits häufig Anfeindungen einbringt - für viele Menschen wirkt er bedrohlich, gefährlich, besonders seit 9/11. Andererseits bleiben ihm mit Turban viele bessere Jobs verwehrt, dabei hat er doch studiert und war in Indien vor seinem Asyl in den USA Universitätsprofessor.

Nichts tun, was man dann bereut

Wendy rappelt sich auf, kann wieder lachen.

Wendy rappelt sich auf, kann wieder lachen.

(Foto: ©AlamodeFilm/KochMedia)

Er ist Wendy also vom Bildungsstand her durchaus ebenbürtig - seine ihm aus Indien geschickte Frau, die er vorher noch nie gesehen hat, ist es allerdings nicht. Sie spricht nur wenig Englisch und ist ihm zu unselbstständig, sitzt zu viel in der Wohnung fest. Dafür entdeckt Darwan immer mehr, was für eine anziehende Frau Wendy eigentlich ist und macht ihr ein Angebot - das sie allerdings ablehnt. Liebevoll. Besser nichts tun, was man hinterher bereut ...

Selbst wenn die Geschichte an sich nicht neu ist, ist sie doch neu erzählt und berührt - und Oscar-Preisträger Ben Kingsley ist wie gemacht für die Rolle des Darwan. Er hat es einfach drauf, es ist eine Freude, ihm zuzuschauen. Seine Filmpartnerin Patricia Clarkson ist eine von den Schauspielerinnen, die man schon oft gesehen hat, ohne dass einem der Name einfällt; die man kennt, ohne sie zu kennen. Das liegt vielleicht daran, dass sie oft in Independent-Filmen mitspielt und nicht so sehr in Blockbustern. Auch sie ist großartig in der Rolle der Wendy und macht deren Gefühlswandlungen glaubhaft sichtbar - von der wütenden, verzweifelten, sich erniedrigenden Frau zur traurigen, nachdenklichen und schließlich zu einer, die sich wieder entspannen und freuen kann.

"Learning to drive" der spanischen Regisseurin Isabel Coixet (ihr Film "Nobody Wants the Night" war der Eröffnungsfilm der diesjährigen Berlinale) ist ein warmherziger Frauenfilm, in den man am besten mit einer guten Freundin reingeht. Oder mit einem guten Freund.

"Learning to drive - Fahrstunden fürs Leben" läuft ab 6. August 2015 in den deutschen Kinos.

Quelle: ntv.de

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