Letztes Update vor der Wahl Diesen Ausgang sagt die Wahlkreisprognose voraus
23.02.2025, 08:03 Uhr Artikel anhören
Kurz vor dem Wahltermin zeigt die Wahlkreisprognose regionale Erfolgschancen und die mögliche Verteilung der Erststimmen: Welche Partei liegt in welchem Wahlkreis vorn? Wo könnten Direktmandate wegfallen? Wer schafft es in den Bundestag?
Hektischer Wahlkampf, Millionen noch unentschlossene Wähler: Wie werden die Parteien bei der Bundestagswahl am kommenden Sonntag bei der Vergabe der Erststimmen voraussichtlich abschneiden? Die neueste Wahlkreisprognose von Election.de deutet in der letzten Vorhersage kurz vor dem Wahltermin auf eine ganze Reihe von Trends und Verschiebungen hin.
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Was hat sich im Vergleich zu den Vorwochen verändert? Der schnelle Blick auf die Deutschland-Karte mit den neu berechneten Erfolgsaussichten der Parteien in den 299 deutschen Wahlkreisen:
Hinweis: Die hier abgebildete Wahlkreisprognose wurde von Election.de am Freitag, 21. Februar 2025 erstellt.
Das Wichtigste vorweg: In der überwiegenden Mehrheit der Wahlkreise liegen die Bewerberinnen und Bewerber der Union weiterhin deutlich vorn. In den ostdeutschen Flächenländern führt die AfD, wobei sich die Zahl der "sicher" rechts prognostizierten Erststimmen-Siege im Vergleich zur Vorwoche wieder leicht verringert hat. In den Ballungsräumen und Städten leuchten einzelne Regionen grün. Die Prognose sieht die Partei von Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck mittlerweile jedoch in keinem einzigen Wahlkreis mehr gesichert vorn.
Kandidaten der SPD könnten den neuesten Ergebnissen zufolge vor allem im Norden und in der Mitte Deutschlands auf Direktmandate hoffen. Der einzige sicher sozialdemokratische Wahlkreis befindet sich im äußersten Nordwesten in der Region "Aurich -Emden". Dort hat SPD-Kandidat Johann Saathoff beste Chancen, die meisten Erststimmen im Wahlkreis mit der Nr. 24 zu erhalten.
Für die SPD zeichnen sich damit im Vergleich zur zurückliegenden Bundestagswahl 2021 erhebliche Verluste in der Fläche ab: Bei der anstehenden Wahl sind weitere regionale Erststimmen-Erfolge nur noch in zehn deutschen Regionen für die SPD-Bewerber "wahrscheinlich". In weiteren 23 Wahlkreisen ergeben die neuen Prognosedaten einen "Vorsprung" für die Sozialdemokraten.
Zum Vergleich: Bei der Wahl im Herbst 2021 hatte die SPD noch in 121 Wahlkreisen ein Direktmandat gewonnen. Prognostiziert worden waren der Partei damals unmittelbar vor der Wahl 25 "sichere" Mandate, 52 "wahrscheinliche" sowie 54 "Vorsprünge" in Wahlkreisen. Bei den Grünen sind es aktuell zwei "wahrscheinlich" gewinnbare Wahlkreise und neun mit einem Grünen-Kandidaten mit Vorsprung.
Anhaltenden Aufwind sieht die Wahlkreisprognose dagegen für die Linke: Die Zahl der Regionen, in denen eine Kandidatin oder ein Kandidat der Linkspartei gewinnen könnte, klettert im Vergleich zur Vorwoche von zuletzt drei auf aktuell fünf. Chancen auf einen regionalen Wahlsieg haben die Linken demnach nicht nur in den drei Berliner Wahlkreisen mit den Nummern 75, 83 und 85, sondern auch in Wahlkreis Nr. 152 "Leipzig II" sowie in Nr. 192 "Erfurt -Weimar -Weimarer Land".
Für FDP und das "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW) ergeben sich dieser Prognose zufolge keine regionalen Erfolgsaussichten. In keinem der 299 deutschen Wahlkreise erreicht eine Wahlbewerberin oder ein Wahlbewerber der Liberalen oder des BSW eine rechnerische Siegwahrscheinlichkeit größer als 0.
Der frühere Bundesfinanzminister und FDP-Spitzenkandidat Christian Lindner tritt im Wahlkreis Nr. 99 "Rheinisch-Bergischer Kreis" östlich von Köln an. Die Berechnungen der Wahlkreisprognose ergeben dort eine 100-prozentige Gewinnwahrscheinlichkeit für die CDU-Kandidatin Caroline Bosbach.
Lindner könnte jedoch über seinen Platz auf der Landesliste dennoch in den Bundestag einziehen - falls es seine Partei bei den Zweitstimmen über die Fünf-Prozent-Hürde schafft. Das scheint aber äußerst ungewiss.
Die prominenteste Vertreterin des BSW, Kopf und Namensgeberin des Bündnisses, Sahra Wagenknecht steht in keinem Wahlkreis bei den Erststimmen auf dem Wahlzettel. Mit ihrem Listenplatz 1 auf der BSW-Landesliste für Nordrhein-Westfalen wäre ihr ein Platz im Parlament so gut wie sicher, wenn es der erst im Herbst 2023 gegründeten Linken-Abspaltung gelingen sollte, sich bei den Zweitstimmen bundesweit mehr als fünf Prozent zu sichern.
Bei der prognostizierten Verteilung der Erststimmen kann die Union mit einem Wahlsieg in der Mehrheit der Wahlkreise rechnen. Die letzte Vorhersage vor dem Wahltag beziffert die Gesamtzahl der Regionen, in denen die Wahl der Unionskandidatinnen oder -kandidaten als "sicher" oder "wahrscheinlich" erscheint, mit 166 und damit zwei weniger als in der Vorwoche. Zusammen mit den Wahlkreisen, in denen das Prognosemodell einen Vorsprung der aufgestellten Unions-Direktkandidaten sieht, steigt die Gesamtzahl für die Union auf 204 (Vorwoche: 203).
Die AfD kann laut aktueller Prognose insgesamt mit 33 sicheren oder wahrscheinlichen Wahlkreis-Erfolgen rechnen. Hinzu kommen zwölf weitere Regionen, in denen die berechneten Wahrscheinlichkeiten einen Vorsprung für die Rechten sehen. Auffallendes Ergebnis: Ausnahmslos alle dieser Regionen liegen im Osten in einem der fünf ostdeutschen Flächenländer.
Das neue Wahlrecht dürfte spätestens am Wahlabend für reichlich Diskussionsstoff sorgen: Die Zahl der Mandate, die bei der Sitzverteilung aufgrund nicht ausreichender Zweitstimmendeckung voraussichtlich unberücksichtigt bleiben, erhöht sich laut Wahlkreisprognose auf 23. Das sind zwei ungedeckte Direktmandate mehr als in der Vorwoche und fünf mehr als in der Prognose Ende Januar vorhergesagt. Anfang Februar ergab die Wahlkreisprognose insgesamt 19 nicht zugeteilte Mandate. Mitte Februar waren es 21 Direktmandate, in denen die Wirkung der Erststimmen-Erfolge verpuffen könnte.
Knackpunkt Zweitstimmendeckung
Auslöser der Debatte ist die neue Größenbegrenzung im Bundestag auf maximal 630 Sitze. Maßgeblich für die Sitzverteilung ist für die Parteien zunächst vor allem der erzielte Anteil an Zweitstimmen. An den Mehrheitsverhältnissen der im Bundestag vertretenen Parteien richtet sich die Zahl der zu vergebenden Mandate aus.
Für Parteien, die regional bei den Erststimmen erfolgreicher sind als bundesweit bei den Zweitstimmen, können sich daraus massive Folgen ergeben. Nach dem neuen Wahlrecht, das bei der Bundestagswahl 2025 erstmals zur Anwendung kommt, bedeutet nicht jeder Wahlkreissieg auch einen sicheren Sitz im Parlament. Weil Ausgleichs- und Überhangmandate künftig entfallen, deckelt die neue Zweitstimmendeckung die Vergabe der insgesamt 630 Sitze.
Prozentwerte zeigen die Wahrscheinlichkeit
Die Daten zur Wahlkreisprognose stammen aus einem Vorhersagemodell von Election.de. "Die Prognose liefert laufend aktualisierte Erststimmenanteile im Wahlkreis für SPD, CDU/CSU, Grüne, FDP, AfD und die Linke", fasst Matthias Moehl, der Kopf hinter Election.de, den Ansatz zusammen. Die bewährte Methode kam erstmals zur Bundestagswahl 2002 zum Einsatz. Moehl arbeitet seitdem mit einem stetig verbesserten Projektionsverfahren, um die wahrscheinlichen Wahlkreisgewinner noch genauer vorhersagen zu können.
Bei der Berechnung der Wahrscheinlichkeiten werden verschiedene wahlentscheidende Faktoren berücksichtigt, wie etwa demoskopische Trends und die bisherigen Ergebnisse im Wahlkreis sowie die Aussichten der nominierten Kandidatinnen und Kandidaten. Zur Bestimmung der Gewinnwahrscheinlichkeiten werden insgesamt mehr als 30 Millionen mögliche Wahlergebnisse statistisch simuliert. "Dadurch ist die Prognose in der Regel präziser als einzelne Umfragen, die lediglich Momentaufnahmen mit zufälligen Schwankungen darstellen", sagt der Hamburger Wahlforscher Moehl.
Die Wahlkreisprognose ergänzt die von Meinungsforschungsinstituten wie etwa Forsa, Insa, Allensbach oder der Forschungsruppe Wahlen erhobenen Umfragen zum politischen Meinungsbild in Deutschland und ermöglicht der breiten Öffentlichkeit Einblicke in regionale Strömungen und Tendenzen - bezogen auf die wahrscheinlichen Gewinner nach Erststimmen je Wahlkreis.
Im Ergebnis entsteht ein detailliertes Bild, wie sich die politische Landkarte in Deutschland am Abend nach der Bundestagswahl am 23. Februar verändern dürfte - inklusive Antworten auf die Frage, welche Partei mit wie vielen Direktmandaten rechnen kann.
Wichtigster wahlentscheidender Faktor
Noch handelt es sich bei den erwarteten Wahlchancen nur um Umfragen und Prognosen: Bis zum Wahltag bleiben immerhin noch knapp eineinhalb Tage Bedenkzeit. Wie sich das Wahlergebnis am Sonntagabend darstellt, liegt bis zuletzt in der Hand der Wählerinnen und Wähler.
Der wichtigste wahlentscheidende Faktor liegt aller Voraussicht ganz woanders, nämlich bei der Wahlbeteiligung und in der Frage, wie viele Wahlberechtigte sich am Wahltag dazu entschließen, von ihrem Wahlrecht auch tatsächlich Gebrauch zu machen.
Bei der zurückliegenden Bundestagswahl 2021 lag diese Quote bei vergleichsweise niedrigen 76,6 Prozent. Das heißt im Umkehrschluss: Zusammen mit den Unentschlossenen könnte der Anteil der bisherigen Nichtwähler - im Fall einer Wahlteilnahme - auf einen Schlag vollkommen neue Mehrheiten im Bundestag schaffen.
Quelle: ntv.de