Wissen

Esa-Sonde erreicht Nachbarplanet "Auf dem Mars zu landen wird wunderschön"

Schiaparelli.jpg

Die Landung ist ein heikles Manöver: Auf den letzten Metern aktivieren sich die Raketen. Vorher wird Schiaparelli durch die Mars-Atmosphäre und einen Fallschirm gebremst.

(Foto: ESA/ATG medialab)

Die Mission heißt ExoMars und sie soll nach Leben auf dem Roten Planeten suchen – früherem oder aktuellem. Die Europäische Weltraumbehörde Esa und das russische Pendant Roskosmos arbeiten für das Projekt zusammen. Im März 2016 vom kasachischen Weltraumbahnhof Baikonur gestartet, ist ExoMars in diesen Tagen am Ziel. Am Mittwoch soll die Sonde TGO (der Trace Gas Orbiter) in eine Mars-Umlaufbahn gebracht werden, während das Test-Landegerät Schiaparelli weich auf der Oberfläche des Roten Planeten aufsetzt. Es wäre das erste Mal, dass einer europäischen Sonde die Landung auf dem Mars gelingt. Mit Paolo Ferri, dem Leiter des Esa-Missionsbetriebs, sprechen wir über die Schwierigkeiten der Mission, über Sandstürme, außerirdisches Leben und Nervosität.

n-tv.de: Die Landung von Schiaparelli auf der Mars-Oberfläche gilt als heikel. Was kann schiefgehen?

Paolo Ferri: Alles Mögliche! (lacht) Nein, im Ernst: Die Geschichte vom Mars ist voll von schlechten Nachrichten in dieser Hinsicht. Es ist sehr, sehr kompliziert, auf dem Mars zu landen. Die Sonde hat zunächst eine Geschwindigkeit von mehr als 20.000 Kilometern pro Stunde, die muss man für die Landung irgendwie reduzieren. Das geschieht größtenteils durch einen Hitzeschild und die Reibung in der Atmosphäre. Man braucht also auf jeden Fall die Atmosphäre. Wie schnell die Sonde nun gebremst wird, hängt davon ab, wie dicht die Atmosphäre ist. Das Problem beim Mars: Er hat eine sehr dünne Atmosphäre, die auch noch sehr dynamisch ist und sich ständig verändert. Da spielen zum Beispiel die für den Mars so typischen Sandstürme eine große Rolle. Es hat auf die Landung einen starken Einfluss, wie viel Sand in der Atmosphäre ist und wie stark die Winde sind. Das ist auch wichtig für die Phase, in der die Sonde am Fallschirm auf die Oberfläche hinabsinkt. Erst auf den letzten Metern, wenn schon 99 Prozent der Energie verschwunden sind, bremst man mit atmosphärenunabhängigen Raketen.

Wie wird die Landung von Schiaparelli gesteuert?

Was ist ExoMars?

Die Mission der Europäischen Weltraumorganisation Esa und ihres russischen Partners Roskomos besteht bislang aus einem Orbiter und einem Test-Landegerät.

Der Orbiter TGO hat die Aufgabe, die Zusammensetzung der Mars-Atmosphäre zu untersuchen. In erster Linie geht es um Methan. Auf der Erde stammen nur 10 Prozent des Methans aus geologischen Prozessen, 90 Prozent werden von Bakterien erzeugt. Methan kann daher ein Hinweis auf einfache Lebensformen sein. Der TGO soll es in der Mars-Atmosphäre aufspüren und Hinweise darauf liefern, aus welchen Quellen es stammt.

Das Landegerät Schiaparelli soll am 19. Oktober weich auf dem Mars aufsetzen. Mit Schiaparelli testet die Esa Technologien für eine Landung auf dem Mars. Während das Gerät auf den Mars hinabsinkt, soll es einige Fotos machen. Schiaparelli wird auf der Mars-Oberfläche nur wenige Tage überleben. In dieser Zeit misst er Feuchtigkeit, Druck, Windgeschwindigkeiten, Strahlung und Temperatur. Doch sind auch diese Messungen vor allem technologische Tests.

Die sind nötig, weil 2020 der dritte Teil der ExoMars-Mission folgen soll: Esa und Roskosmos schicken noch einen Rover hinterher. Er soll über den Mars rollen und bis zu zwei Meter tief in den Boden bohren, um dort nach Hinweisen auf Leben suchen. Nach den USA wäre dann auch Europa mit einem Fahrzeug auf dem Nachbarplaneten vertreten.

Sie läuft voll automatisch ab und dauert ab Eintritt in die Mars-Atmosphäre nur sechs bis sieben Minuten. Da kann man von der Erde aus nicht eingreifen. Denn wenn wir die Signale vom Beginn der Landung bekommen, hat Schiaparelli die Mars-Oberfläche schon erreicht. Die Signale brauchen zurzeit zehn Minuten bis zur Erde. Wir können also nichts korrigieren. Die Landung wurde natürlich ganz genau geplant und simuliert, aber wenn etwas schiefgeht in dieser sehr komplexen Sequenz, dann geht die ganze Landung schief. Es ist tatsächlich eine sehr kritische Phase für uns.

Schiaparelli kommt ausgerechnet in der großen Sandsturm-Saison am Mars an – was die Landung erschwert. Warum hat man das so geplant?

Das ist eine berechtigte Frage. Es liegt daran, dass das passende Zeitfenster für den Start Priorität hatte. Zum Mars kommt man nur etwa alle 25 Monate mit so wenig Treibstoff, dass man eine herkömmliche Rakete benutzen kann. Nur etwa alle zwei Jahre ist der Weg dafür kurz genug. Der Zeitpunkt für den Start von ExoMars hatte also mit der Effizienz der Bahn zum Mars zu tun. Und ist die Rakete erst einmal gestartet, dann ist die Ankunftszeit festgelegt. An der kann man dann nichts ändern. Da März 2016 ein guter Zeitpunkt für den Start war, musste man akzeptieren, dass es bei der Landung stürmen könnte. Der ExoMars-Rover, der 2020 startet, kommt im Frühling am Mars an, das ist sehr viel besser. Aber für den ersten Teil der ExoMars-Mission wollten wir nicht noch vier Jahre warten.

Wie erfahren wir, ob Schiaparellis Landung geglückt ist?

Verschiedene Mars-Orbiter versuchen, die Signale des Landers zu empfangen: zum einen der TGO (Trace Gas Orbiter) - der ExoMars-Orbiter, der am selben Tag am Mars ankommt und in eine Umlaufbahn um den Planeten einschwenkt. Zum anderen Mars-Express, die Esa-Sonde, die seit 2003 um den Roten Planeten kreist. Außerdem versuchen auch Nasa-Satelliten, die bereits am Mars sind, die Signale zu empfangen, aber erst nach der Landung.

Wie schnell kommen die Signale bei uns an?

Das dauert ein bisschen. Denn nachdem die Sonden die Signale aufgenommen haben, müssen sie sich drehen und Kontakt mit der Bodenstation auf der Erde haben, um die Signale zu uns zu schicken. Die Landung ist für 16.48 Uhr vorgesehen. Zwischen 18.30 Uhr und 20.30 Uhr kommen die Signale von Mars-Express und TGO bei uns an. Eine erste Auswertung wird uns dann verraten, ob die Landung gut lief oder nicht.
Unter Umständen – aber da sind wir uns nicht sicher, ob das klappt – kann ein großes Radioteleskop in Indien die sehr schwachen Signale einfangen, die direkt von Schiaparelli kommen. Dann wüssten wir fast in Echtzeit, ob das Gerät die Landung überlebt hat.

Kann die Sonde TGO die Landung von oben fotografieren?

Nein, der Orbiter ist zu beschäftigt. Er macht dann nämlich gerade selbst sein sehr, sehr wichtiges Bremsmanöver, um in die Mars-Umlaufbahn zu kommen. Wenn das schiefgehen würde, hätten wir ein viel größeres Problem als mit einer missglückten Schiaparelli-Landung. Denn der TGO soll ja über Jahre hinweg Messungen vornehmen und im zweiten Teil der Mission, in gut vier Jahren, die Kommunikation mit dem Rover sicherstellen.

Was verspricht man sich von Schiaparelli? Sammelt auch er Daten?

Mit Schiaparelli testen wir Technologien für eine Landung auf dem Mars, so dass wir für die Landung des 2020 folgenden Rovers besser vorbereitet sind. Schiaparelli wird nur wenige Tage überleben. In dieser Zeit nimmt er tatsächlich auch Messungen vor. Da geht es hauptsächlich um meteorologische und atmosphärische Daten, also zum Beispiel um Temperatur, Druck und Elektrizität in der Atmosphäre. Der Hauptzweck der Messungen ist aber, zu zeigen, dass die Kommunikation mit der Erde über den Orbiter funktioniert und wir erfolgreich wissenschaftliche Daten von der Oberfläche sammeln und zur Erde senden können. Es ist ein Test. Für ausführliche wissenschaftliche Untersuchungen ist der TGO da.

Der Orbiter soll Methan aufspüren und damit Hinweise liefern, ob es einst Leben auf dem Mars gab. Warum eigentlich interessiert uns das so sehr?

Wenn wir irgendwo anders Leben finden würden, wäre das sowohl wissenschaftlich als auch philosophisch etwas Besonderes für unsere Zivilisation. Auch nur ein Bakterium auf dem Mars zu finden, wäre eine Revolution. Unsere Weltanschauung würde sich verändern. Wir wären plötzlich nicht mehr alleine im Universum.

Sind Sie aufgeregt, wenn Sie an die Landung von Schiaparelli und das TGO-Manöver denken?

Absolut! Ich hasse es, keine Kontrolle haben zu können. Mit unseren Satelliten sind wir ständig in Verbindung und steuern sie direkt. Bei der Landung von Schiaparelli ist das anders. Wir müssen darauf vertrauen, dass das Gerät über die Landesequenz autonom funktioniert und das gefällt mir nicht. Aber gut, ich habe das schon einmal erlebt: mit Philae, dem Landegerät der Kometenmission Rosetta. Da hatten wir Glück. Jetzt versuchen wir es auf dem Roten Planeten. Auf dem Mars zu landen wird wunderschön. Aber noch viel wichtiger ist es, dass wir den TGO richtig in den Mars-Orbit bringen. Er muss nach und nach eine niedrige Umlaufbahn erreichen. Daran müssen wir das ganze kommende Jahr arbeiten. Wir haben so etwas schon mal mit Venus-Express gemacht, doch der Mars ist anders. Das wird kompliziert. Ich freue mich auf 2017 mit den neuen Operationen - aber nervös bin ich schon.

Mit Paolo Ferri sprach Andrea Schorsch

Quelle: ntv.de

ntv.de Dienste
Software
Social Networks
Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen