Weitreichende ökologische Folgen Fischerei lässt Populationen kollabieren
06.04.2015, 21:38 Uhr
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Die Folgen der Fischerei sind dramatischer als bisher angenommen. Das belegen Forscher in einer großangelegten Untersuchung. Ein einfaches Frühwarnsystem könnte den Zusammenbruch von Schwarmfischbeständen verhindern
Die intensive Fischerei auf kleine Schwarmfische trägt maßgeblich zu Zusammenbrüchen der jeweiligen Populationen bei. Das folgern US-Forscher aus Datenanalysen zu Fangmengen und Beständen diverser Arten in unterschiedlichen Meeresregionen. Ein Kollaps dieser Bestände gefährde zudem die Nahrungsgrundlage von Raubfischen, Meeressäugern und Seevögeln, mahnen die Wissenschaftler um Timothy Essington von der University of Washington in Seattle. In den "Proceedings" der US-nationalen Akademie der Wissenschaften ("PNAS") schlagen sie vor, ein Frühwarnsystem einzurichten, um schnell auf sinkende Fischbestände reagieren zu können.

Ein Frühwarnsystem könnte helfen, den Zusammenbruch von Fischbeständen zu verhindern.
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Kleine Schwarmfische wie Heringe, Sardinen, Sardellen, Lodden oder Makrelen stellen fast ein Drittel der weltweit angelandeten Fischmasse. Gleichzeitig sind sie auch ein wichtiger Teil der Nahrungskette, von dem sich Raubfische, Säugetiere und Vögel ernähren. Daher hätten Zusammenbrüche der Bestände weitreichende ökologische Folgen, schreiben die Forscher.
Solche massiven Rückgänge sind zwar schon oft beobachtet worden. Welche Rolle die Fischerei aber gerade bei diesen kleinen Fischen spielt, war jedoch umstritten, da die Bestände auch starken natürlichen Schwankungen unterliegen. Dies galt bisher als der entscheidende Faktor. Die Forscher um Essington analysierten nun die Entwicklung von 55 Fischpopulationen über Zeiträume von mindestens 25 Jahren. Die untersuchten Bestände - darunter auch Lodden und Bunker - stellten seit dem Jahr 2000 knapp zwei Drittel der weltweiten Fänge an kleinen Schwarmfischen.
27 der untersuchten Populationen, also etwa die Hälfte, brachen dann zusammen, wenn die Menge der durchschnittlichen Biomasse einen Schwellenwert von 25 Prozent unterschritt. Fast ein Drittel der Populationen kollabierte erst bei einem Rückgang auf 15 Prozent. Dies galt für den gesamten Zeitraum seit den 1950er Jahren sowie für das Mittelmeer und die verschiedene Teile von Atlantik und Pazifik.
Fischerei nicht direkt verantwortlich
Den Einfluss der Fischerei untersuchten die Wissenschaftler anhand jener 15 der insgesamt 27 betroffenen Populationen, für die gute Daten zu Fischereimenge und Bestandsentwicklung vorlagen. Bei ihnen ging dem Zusammenbruch eine Fischereirate voraus, die um 50 bis 200 Prozent über dem langjährigen Durchschnitt lag.
Die Daten deuten darauf hin, dass die Fischerei den Kollaps nicht unbedingt direkt verursacht, aber bei einem natürlichen Rückgang der Population den Ausschlag geben kann. Denn der Einbruch der Bestände deutete sich gewöhnlich schon zwei bis drei Jahre zuvor durch einen Rückgang der Biomasse an. Die Fangmengen sanken aber erst dann, als die Bestände eingebrochen waren. Simulationen der Forscher deuten darauf hin, dass ohne Fischerei nur 4 der 15 Bestände eingebrochen wären. Im Mittel erholten sich die Populationen nach etwa neun Jahren wieder.
Gegenmaßnahmen ökonomisch realisierbar
Die Wissenschaftler schlagen ein Frühwarnsystem vor, um auf einen sich anbahnenden Kollaps zu reagieren. So könne man etwa die Befischung aussetzen, sobald sich die Biomasse einer Population halbiert hat. Damit könne man die Zahl der Zusammenbrüche um 64 Prozent senken, kalkulieren die Autoren. Der wirtschaftliche Schaden solcher Maßnahmen wäre begrenzt, weil die Fangmengen in dieser Zeit ohnehin schnell abnähmen.
"Unabhängig davon, ob man Fischerei gar nicht mehr oder nur in begrenztem Umfang zulässt, hätte eine Einschränkung der Fischerei bei einer Verknappung von Beutefischen wenig Einfluss auf die Fangmengen und böte gleichzeitig substanzielle ökologische Vorteile", schreiben sie.
Die Studie sei ein wichtiger Beitrag und zeige erstmals, dass die Fischerei auf die kleinen Schwarmfische noch viel früher reduziert werden müsse, sagt Christopher Zimmermann vom Rostocker Thünen-Institut für Ostseefischerei. "Wir müssen da sehr aufpassen, wenn die Bestände sinken", betont der Experte. Dies gelte vor allem für jene Populationen von Schwarmfischen, die allein in einem Areal auftreten und damit für Vögel und andere Räuber extrem wichtig seien - etwa Sardellen vor der Küste von Peru. Ein Frühwarnsystem sei auch deshalb extrem wichtig, weil diese Fische mit ihren riesigen Schwärmen auch bei sinkenden Beständen einfach zu orten und zu fangen seien.
Quelle: ntv.de, ail/dpa