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Besorgniserregende Entwicklung Immer mehr alte Menschen stecken sich an

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Für Menschen über 70 Jahre ist das Risiko einer schweren Covid-19-Erkrankung besonders hoch.

(Foto: imago images/CTK Photo)

Die Zahl der Neuinfektionen in Deutschland wächst weiter steil an. Auch immer mehr alte Menschen stecken sich an, sogar unter den Über-80-Jährigen gibt es zunehmend Covid-19-Fälle. Noch sterben wenige von ihnen, aber das könnte sich bald ändern.

Das Robert-Koch-Institut zählt inzwischen fast täglich deutlich mehr als 7000 Neuinfektionen und wahrscheinlich werden die Zahlen trotz der jüngst beschlossenen Gegenmaßnahmen zumindest vorerst weiter kräftig steigen. Bisher hat diese Entwicklung zwar kaum zu mehr Covid-19-Toten geführt, doch das könnte sich schon bald ändern. Das liegt nicht nur an der schieren Masse der Neuinfektionen, die zwangsläufig mehr schwere Erkrankungen mit sich bringt. Es stecken sich seit Ende August wieder zunehmend ältere Menschen an, auch in der besonders gefährdeten Gruppe der Über-80-Jährigen.

"Seit der Meldewoche 36 stieg die Inzidenz in den Altersgruppen der über 60-Jährigen ebenfalls erstmalig seit dem Frühjahr wieder an", schreibt das RKI in seinem Lagebericht vom Dienstag. Seit der Meldewoche 40 sei ein zunehmender Anstieg in allen Altersgruppen zu verzeichnen, aber "insbesondere die Anstiege in den Altersgruppen der 60- bis 79-Jährigen und der über 80-Jährigen müssen genau beobachtet werden."

Durchschnittsalter deutlich gestiegen

Auch das Durchschnittsalter der Neuinfizierten ist trotz der Häufung der Ansteckungen bei 20-bis 40-Jährigen in den vergangenen sechs Wochen von 32 auf 39 Jahre gestiegen. Besonders stark betroffen waren zuletzt Menschen zwischen 50 und 59 Jahren. In der vergangenen Woche gab es bei ihnen mit fast 6400 Neuinfektionen nach den 20- bis 29-Jährigen (8600) und 30- bis 39-Jährigen (6800) die drittmeisten Fälle.

Seit der Woche vom 21. bis 27. September hat sich aber auch die Zahl der neu infizierten Menschen zwischen 60 und 69 Jahren auf zuletzt rund 3300 Fälle ungefähr vervierfacht. In der Altersgruppe darüber steckten sich in der 39. Kalenderwoche noch knapp 500 Menschen an, vergangene Woche waren es rund 1790. Einen starken Anstieg gab es ebenfalls bei den 80- bis 89-Jährigen von 330 auf etwa 1330 Neuinfektionen. Und auch noch ältere Menschen sind zunehmend betroffen. Bei den Über-90-Jährigen kletterte die Zahl der Neuinfektionen seit dem 27. September von 94 auf 397, unter ihnen 13 Menschen, die älter als 100 Jahre sind.

Zunahme der Todesfälle könnte verzögert kommen

"Das ist keine gute Entwicklung", twittert dazu SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. "Es zeigt sich, dass erneut der Schutz der Älteren nicht zu gelingen scheint. Die hohe Altersgruppe wird, wenn wir das nicht stoppen, die Sterblichkeit treiben." Bisher ist die Anzahl der Todesfälle aber nicht entsprechend der Zunahme der Fälle in den Altersgruppen jenseits der 70 Jahre gestiegen. Vor einem Monat starben innerhalb einer Woche etwa 80 Menschen mit oder an Covid-19, zuletzt zählte das RKI 55 Tote.

Und die Anteile der Fälle unter den Neuinfektionen, die hospitalisiert werden mussten oder starben, blieben seit August durchweg niedrig. So mussten seitdem nie mehr als 7 Prozent ins Krankenhaus, und die Fallsterblichkeit sank sogar unter 0,5 Prozent.

Das RKI weist allerdings darauf hin, die Daten der vergangenen drei Wochen seien nicht aussagekräftig, da der Ausgang der Erkrankungen noch unklar sei. Soll heißen: Man weiß noch nicht, wie viele der in dieser Zeit neu infizierten Menschen schwer erkranken und vielleicht sterben.

Dafür, dass die Zahl der Corona-Opfer steigen könnte, spricht die deutliche Zunahme der Menschen, die im Krankenhaus behandelt werden müssen. Sie stieg von knapp 700 Patienten in der 39. Kalenderwoche auf fast 1360 in der vergangenen Woche.

Intensivmediziner warnen vor Engpässen

Außerdem warnte gestern die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie & Intensivmedizin (DGAI) vor Engpässen bei der Versorgung von Covid-19-Patienten in den kommenden Monaten. Das Problem bei der Versorgung könnten diesmal nicht die Intensivbetten oder Beatmungsgeräte werden, heißt es in der Pressemitteilung. Derzeit seien noch rund 8000 Intensivbetten in Deutschland frei, weitere 12000 könnten innerhalb von sieben Tagen zusätzlich bereitgestellt werden.

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DGAI-Sprecher Gernot Marx erwartet mögliche Schwierigkeiten eher beim Personal, bei Pflegekräften und Ärzten: In Herbst und Winter seien grundsätzlich mehr Mitarbeiter krank als in anderen Jahreszeiten. Hinzu komme: Wer sich mit dem Corona-Virus infiziere oder mit einem der vielen Infizierten in Berührung komme, müsse erst einmal in Quarantäne: "All diese Fachkräfte fallen dann aus."

Steigen die Neuinfektionen bei älteren Menschen weiter so stark an wie zuletzt, ist ein Intensiv-Notstand also möglicherweise kaum abzuwenden. Das würde dazu führen, dass Patienten nicht ausreichend versorgt werden können, was wiederum zur Folge haben könnte, dass wieder mehr Menschen an Covid-19 sterben. "Unsere einzige Chance ist die Vorbeugung von Fällen", twittert dazu Karl Lauterbach. "Bei der Therapie zeigen die Studien für schwere Fälle kaum Fortschritte."

Quelle: ntv.de

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