"Das ist ein Alarmzustand" Krill flieht Richtung Südpol
23.01.2019, 11:30 Uhr
Wichtige Nahrungsquelle: Walhai bei der Jagd nach Krill im Indischen Ozean.
(Foto: imago/ZUMA Press)
Die Erderwärmung lässt Pflanzen in kühlere Bergregionen und Meerestiere Richtung Pole ziehen. Auch Krill, die Hauptnahrung vieler Fische, Pinguine, Robben und Wale, wandert. Doch irgendwann geht es nicht mehr weiter.
Die Erwärmung der Ozeane treibt die Meerestiere in kühle Regionen. Der Kabeljau etwa zieht Richtung Nordpol, das ist gut dokumentiert. Nun haben britische Forscher erstmals belegt, dass der Krill vom Südwestatlantik in Richtung Süden zieht - zur antarktischen Halbinsel. Die höchste Konzentration der Krebstierchen, die Nahrungsgrundlage für etliche Meerestiere sind, liege jetzt 440 Kilometer weiter südlich als noch vor 90 Jahren, schreiben die Forscher um Angus Atkinson vom britischen Plymouth Marine Laboratory im Fachjournal "Nature Climate Change".
Es sei die erste Studie, die solche Verschiebung von Krill so deutlich nachweise, sagte Krill-Expertin Bettina Meyer vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven, die nicht an der Untersuchung beteiligt war. Bislang habe es zu solchen Wanderungen nur Vermutungen gegeben. "Das ist ein Alarmzustand, da die Studie belegt, dass die Verschiebung durch den Klimawandel verursacht wurde", sagte Meyer. "Die Antarktis ist einer der unberührtesten Flecken, die wir haben. Es ist sehr bedenklich, zu sehen, wie sich dort der Klimawandel bemerkbar macht."
Zentrale Rolle als Nahrung

Der Antarktische Krill, nur wenige Zentimeter groß, ist ein wichtiger Teil des sogenannten Zooplanktons.
(Foto: imago stock&people)
Der Antarktische Krill (Euphausia superba) spielt eine zentrale Rolle als Nahrung für viele Fische, Pinguine, Robben und auch Wale, die diese Krebstierchen mit ihren Barten kiloweise aus dem Wasser filtern. Auch der Mensch fängt Krill, der dann etwa als Fischfutter in Aquarien oder Aquakulturen landet oder auch in Kosmetikartikeln und Nahrungsergänzungspillen.
Seit den 1970er-Jahren habe die Krilldichte im gesamten analysierten Gebiet abgenommen, im Norden mehr als im Süden. Es gebe vor allem weniger Jungtiere, die erwachsenen Tiere aber nähmen an Größe zu, schreiben die Forscher. Für beides gibt es keine eindeutigen Gründe. Beim Rückgang der Jungtiere könnte unter anderem ein stärker werdendes Windphänomen eine Rolle spielen, vermuten die Forscher, die positiven Phasen des sogenannten Southern Annular Mode (SAM). Sie brächten Wärme, Wind und Wolken und damit ungünstige Bedingungen für die Eierproduktion und die Larven.
Überwiegender Teil der Verlagerung seit 1970er-Jahren
Das Team hatte Daten des Krillbase-Projekts ausgewertet. Es enthält Fangwerte der Krebstiere von 1926 bis 2016 von der Insel Südgeorgien, die 1400 Kilometer vor Argentinien liegt, bis zur Westantarktischen Halbinsel. In den 1920er- und 1930er-Jahren lag die höchste Krilldichte bei der Insel Südgeorgien im nördlichen Teil des Beobachtungsgebiets, seitdem habe sie sich vor die Westküste der antarktischen Halbinsel verlagert. Der ganz überwiegende Teil der Verlagerung sei seit den 1970er-Jahren geschehen.
Aufgrund ihrer Daten schließen die Forscher aus, dass die Krillfischerei Ursache für die veränderte Dichte der Krebstiere ist. So habe es beispielsweise im indischen Teil des Südpolarmeers, wo die Temperaturen und das Schelfeis stabiler geblieben seien, keine solche Wanderung gegeben wie im sich rasch erwärmenden Südwestatlantik.
Die Studie wird sicher zu großen Diskussionen bei der Kommission zur Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis (CCAMLR) führen, sagte Meyer. Man müsse die darin gemachten Beobachtungen im Hinblick auf die Fischerei ganz genau im Auge behalten.
Die Flucht vor der Wärme habe noch ganz andere Folgen, bemerken die Studienautoren: Aufgrund der Form der Erde ziehe der Krill bei der Verlagerung Richtung Südpol schon aus geografischen Gründen in eine immer kleinere Fläche. Letztendlich werde ein weiterer Rückzug in den Süden irgendwann durch den antarktischen Kontinent gestoppt.
Quelle: ntv.de, Simone Humml, dpa