Grund chronischer Erschöpfung? Anhaltende Depressionen verändern Immunzellen
14.04.2022, 09:33 Uhr (aktualisiert) Artikel anhören
Interessenverlust, Freudlosigkeit, Antriebsmangel und erhöhte Ermüdbarkeit – all diese Beschwerden gehören zu den Hauptsymptomen einer Depression.
(Foto: IMAGO/YAY Images)
Der Zustand der Psyche beeinflusst auch das Immunsystem. Das weiß man bereits. Wie genau das passiert, wollen Forschende herausbekommen. Sie schauen sich die verschiedenen Blutzellen von Menschen mit Depressionen genauer an und entdecken Veränderungen.
Depressionen, die lange anhalten, können die Blutzellen von Betroffenen leichter verformen, was zu einer Störung des Immunsystems führen könnte. Das haben Forscher und Forscherinnen der Technischen Universität Dresden, der Universität Zürich und des Max-Planck-Instituts für die Physik des Lichts in Erlangen herausgefunden. Damit zeigt die Studie, die im Fachmagazin "Nature" veröffentlicht wurde, erstmals, dass depressive Störungen, insbesondere anhaltende depressive Störungen, welche über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren anhalten, mit einer erhöhten Deformierbarkeit der Blutzellen einhergehen.
Für die Untersuchung hatten die Forschenden die Blutzellen von 69 Menschen mit Depressionen und 70 gesunden Personen auf deren Form und mechanische Eigenschaften hin untersucht und verglichen. Mithilfe von Künstlicher Intelligenz wurden die insgesamt 16 Millionen Blutzellbilder ausgewertet. Dabei sahen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei Menschen mit jahrelangen Depressionen Veränderungen bei drei bestimmten Arten von Blutzellen: bei den sogenannten Monozyten, also bei den Vorläufern der antibakteriellen Fresszellen, die sogenannten Neutrophilen, also bei den weißen und bei den Erythrozyten, also bei den roten Blutzellen.
Alle drei Arten von Blutzellen sind maßgeblich an der Immunabwehr beteiligt. Sie seien leichter deformierbar im Vergleich zu den Blutzellen von Gesunden. Diese mechanischen Veränderungen der Immunzellen könnten "für eine anhaltende Immunreaktion ursächlich sein" und womöglich auch die chronische Erschöpfung vieler depressiver Menschen erklären, werden die Forscher in einer Mitteilung der TU Dresden zitiert.
Für Dr. Andreas Walther, der maßgeblich an der Studie beteiligt war, entstehen aus den Ergebnissen Chancen, um neue therapeutische Ansätze zu entwickeln. Allerdings müssten dafür Psychologen, Biologen, Pharmakologen und weitere Experten interdisziplinär zusammenarbeiten. "Meines Erachtens lässt sich nämlich nur in einem holistischen Ansatz dieses komplexe Störungsbild verstehen und effizient therapieren und hoffentlich in Zukunft viel Leid verhindern."
(Dieser Artikel wurde am Dienstag, 12. April 2022 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de, jaz