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Die Physik der Atmosphäre November bricht Wärme-Rekord

Einen Tag vor dem meteorologischen Winteranfang blüht am 30.11.2015 in Kassel eine Zierkirsche.

Einen Tag vor dem meteorologischen Winteranfang blüht am 30.11.2015 in Kassel eine Zierkirsche.

(Foto: dpa)

Hierzulande könnte der November der wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen werden, sagt n-tv Meteorologe Björn Alexander. Und dennoch könnte der Klimawandel dafür sorgen, dass die Winter bei uns kälter werden.

n-tv.de: Björn, 2015 soll weltweit gesehen das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen werden. Gilt das auch bei uns?

n-tv Meteorologe Björn Alexander

n-tv Meteorologe Björn Alexander

Björn Alexander: Auch bei uns wird in der Endabrechnung es ein extrem warmes Jahr werden. Das ist ein Trend zu höheren Temperaturen, der auch hierzulande seit Ende der 1980er-Jahre besteht. Denn seither steigt die Kurve der Mitteltemperaturen stetig aufwärts. Gemessen am langjährigen Vergleichszeitraum waren in diesem Jahr nur der September und der Oktober etwas zu kalt. Ansonsten war es zu warm bis deutlich zu warm. Vor allem im Januar, im Juli und im August sowie jetzt im November. Gerade der November ist dabei, der wärmste November seit Beginn der Aufzeichnungen zu werden: derzeit mit einer positiven Abweichung vom über 3,5 Grad über dem langjährigen Mittelwert.

Weltweit gesehen steht uns ein Rekordjahr bevor?

Das ist sicher. Zum einen befinden wir uns in Sachen globale Mitteltemperaturen genauso wie hier bei uns auf einer zwar leicht schwankenden, aber kontinuierlichen Aufwärtskurve. Zum anderen erleben wir den stärksten El Nino seit Beginn der Wetterbeobachtungen.

Wie äußert sich das und was hat das mit der Rekordwärme zu tun?

Eine der maßgeblichsten Auswirkungen des El Nino ist ein deutlich zu warmer Pazifik, beziehungsweise: das kalte Wasser aus dem tieferen Ozean kommt nicht mehr in gleichem Maße an die Oberfläche wie in Nicht-El-Nino-Jahren. Das gilt besonders im Bereich des Äquators. Dieses Mehr an Wärme heizt zusätzlich die Atmosphäre an.

Werden damit die teilweise sehr düsteren Prognosen einiger Klimaforscher wahr?

Zumindest lässt sich an diesen Fakten nicht viel rütteln - auch nicht von denjenigen, die den Klimawandel kleinreden oder die Messmethoden infrage stellen.

Warum gibt es darüber überhaupt unterschiedliche Meinungen?

Grundsätzlich gab es immer schon einen natürlichen Klimawandel. Und es wird ihn immer geben. Mit Warmzeiten, Eiszeiten und allem, was dazwischen liegt. Das wissen wir. Dann gibt es aber eben noch den anthropogenen, also den durch den Menschen verursachten Anteil am Klimawandel. Die Industrialisierung hat einfach mal deutliche Spuren hinterlassen. Wir bringen langfristig gebundenes CO2 zurück in die Atmosphäre, wenn wir Öl oder Kohle verbrennen. Das ist eine ganz andere Sache als das Verbrennen von Holz, in dem CO2 kurzfristig gebunden wird. Wir verschieben durch unser Handeln die natürlichen Kreisläufe. Teilweise sehr massiv, teilweise weniger massiv. Unterm Strich greifen wir aber in die Chemie und die Physik der Atmosphäre ein.

Und das bleibt nicht folgenlos.

Wobei sich die Auswirkungen nicht einfach zusammenfassen lassen. Einerseits, weil die Prozesse sich nicht immer ohne weiteres in Modellen zur Berechnung abbilden lassen. Andererseits lernen wir bei den Zusammenhängen im System Erde-Ozeane-Atmosphäre immer noch dazu. Es gibt noch sehr viel, was wir nicht wissen.

Wie könnten denn die Auswirkungen des Klimawandels in Deutschland und Europa aussehen?

Maßgeblich verantwortlich für unser Klima in Europa ist der Golfstrom. Sein Verhalten entscheidet, wie mild oder kalt es bei uns wird. Solange er bis herauf nach Island reicht, sind die Veränderungen wahrscheinlich erst einmal nicht so extrem. Sollte er aber weniger weit nach Norden reichen und zum Beispiel schon vor der Iberischen Halbinsel abknicken, dann könnte es bei uns - trotz weltweit zulegender Temperaturen - kälter werden.

Überall wird's wärmer und bei uns kommt der Dauerwinter?

Das ist nur eine Möglichkeit, die beispielsweise wiederum vom Abschmelzen der Gletscher abhängig ist. Und natürlich wird sich eine solche drastische Änderung der maritimen Transportbänder auch auf die Atmosphäre auswirken. Klimakonstanten wie das Islandtief oder das Azorenhoch könnten sich komplett verschieben. Mit weiteren Auswirkungen auf die gesamte atmosphärische Zirkulation, die zeitliche und räumliche Verteilung der globalen Niederschläge und so weiter. Kurzum: Eigentlich wissen wir nicht, wohin die Reise wirklich geht. So oder so ist es aber sehr sinnvoll, mit den Ressourcen vernünftig und nachhaltig umzugehen. Die sind nämlich garantiert nicht unendlich. Wenn wir damit noch die weltweite Erwärmung abbremsen, dann ist das umso besser.

Quelle: ntv.de

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