Strahlendosis und Krebsrisiko Wie gefährlich sind CT-Untersuchungen bei Kindern?
28.04.2023, 10:55 Uhr (aktualisiert) Artikel anhören
Röntgenassistentinnen bereiten einen Computertomographen für eine Untersuchung vor. Solche Untersuchungen bringen eine höhere Strahlenbelastung als gewöhnliche Röntgenaufnahmen mit sich - und damit auch ein erhöhtes Risiko für Tumore.
(Foto: picture alliance / dpa)
Bei manchen Untersuchungen ist eine Computertomographie das Mittel der Wahl - doch ein CT bringt immer eine Strahlenbelastung mit sich. Was das für das Krebsrisiko von Kindern bedeutet und wie groß die Gefährdung ist, diesen Fragen gehen mehrere Studien nach. Zu welchem Schluss kommen sie?
Bei manchen Verletzungen oder Erkrankungen können Untersuchungen per Computertomographie (CT) wichtige Erkenntnisse liefern. Allerdings gehen solche Untersuchungen mit einer höheren Strahlenbelastung einher als gewöhnliche Röntgenaufnahmen - und damit auch mit einem erhöhten Risiko für Tumore. "Es gibt einen Zusammenhang zwischen Strahlung und Krebs", sagt Michael Hauptmann vom Institut für Biometrie und Registerforschung der Medizinischen Hochschule Brandenburg in Neuruppin. "Die Frage ist: Wie groß ist die Gefährdung?"
Dazu gab es in der Vergangenheit verschiedene Studien - insbesondere zu Kindern und Jugendlichen. Nun berichtet ein Forschungsteam aus Taiwan, dass mehrere CT-Untersuchungen bei Heranwachsenden in den Folgejahren mit einem erhöhten Risiko für bestimmte Tumore verbunden sind. Die Wahrscheinlichkeit für Leukämie, Lymphom oder Hirntumore steige mit der Zahl solcher Untersuchungen.
Methodik der Studie aus Taiwan wirft Fragen auf
Tomographie-Untersuchungen sollten bei Heranwachsenden nur zurückhaltend eingesetzt werden, schreibt die Gruppe um Yu-Hsuan Joni Shao von der Universitätsklinik Taipeh im "Canadian Medical Association Journal" ("CMAJ"). Allerdings wirft die Methodik der Studie Fragen auf.
Die Forscher werteten ein Datenregister von Taiwan aus. Dazu entnahmen sie Daten von Menschen, bei denen von 2000 bis 2013 vor dem Alter von 25 Jahren entweder eine Leukämie, ein Lymphom oder ein Hirntumor diagnostiziert worden war. Solche Tumore zählen in diesem Alter zu den häufigeren Krebsarten. Jeden dieser rund 7800 Patienten verglich das Team dann mit zehn ähnlichen Menschen gleichen Alters und Geschlechts, aber ohne Krebserkrankung - damit umfasste die Kontrollgruppe gut 78.000 Menschen.
Resultate: Für Heranwachsende mit einer einzelnen CT-Untersuchung wurde kein erhöhtes Risiko für Hirntumore, Leukämie oder Lymphom beobachtet. Bei zwei bis drei CTs war das Risiko für Hirntumore erhöht, nicht aber das für Leukämie oder Lymphom. Bei Menschen mit mindestens vier CTs war das Risiko für die drei untersuchten Krebsarten um durchschnittlich den Faktor 2,3 erhöht.
"Clevere Idee", aber Teilnehmerzahl niedrig
In dieser Gruppe ab vier CTs stieg das Krebsrisiko, je jünger die Kinder bei diesen Untersuchungen waren. "Das deutet darauf hin, dass jüngere Kinder verletzlicher sind als ältere", schreiben die Autoren. Unnötige CTs sollten vermieden werden. Auf Menschen, die mehrere CTs benötigten, müsse man verstärkt achten. Die Gruppe räumt jedoch selbst ein, dass die Zahl solcher Teilnehmer recht niedrig war.
Genau das bemängelt auch der Brandenburger Experte Hauptmann. Zwar lobt er die "clevere Idee", Gesundheitsdaten der Bevölkerung auszuwerten. Aber die einzelnen Teilgruppen seien viel zu klein, um daraus valide Schlüsse ableiten zu können. So waren in der Patientengruppe zwar 2245 Menschen mit Hirntumoren, aber nur 38 von ihnen hatten jemals eine CT-Untersuchung bekommen. In der Leukämiegruppe waren es 36 von insgesamt 3631 Patienten.
"Auf dieser Datenbasis zu behaupten, dass ein einzelnes CT das Tumorrisiko nicht erhöht, ist für mich schwer nachvollziehbar", sagt Hauptmann. Zumal bei den 38 Teilnehmern mit Hirntumoren und vorheriger CT-Untersuchung nicht berücksichtigt wurde, ob die CTs den Kopf betrafen oder eine andere Körperregion.
Daten von mehr als 600.000 Kindern
Hauptmann ist Erstautor einer wesentlich größeren Studie, die im Dezember 2022 Ergebnisse zum CT-bedingten Risiko für Hirntumore von Kindern im Fachblatt "The Lancet Oncology" veröffentlicht hatte. Untersucht wurden darin Daten von 658.752 Kindern, die mindestens eine CT-Untersuchung erhalten hatten.
Dieser Studie zufolge ist bei etwa einem von 10.000 Kindern, die eine CT-Untersuchung des Kopfes erhalten, innerhalb der folgenden 5 bis 15 Jahre ein strahlenassoziierter Hirntumor zu erwarten. Das wären für Europa, wo bei Heranwachsenden pro Jahr schätzungsweise eine Million CT-Untersuchungen am Kopf vorgenommen werden, etwa 100 Erkrankungen. In den USA - fünf Millionen solche CTs pro Jahr - wären es rechnerisch sogar 500 Hirntumore.
Hauptmann warnt allerdings davor, CT-Untersuchungen grundsätzlich abzulehnen: "Wir wollen nicht, dass CTs unbegründet nicht angewandt werden." In vielen Fällen, etwa bei Verdacht auf ein Schädel-Hirn-Trauma nach einem schweren Sturz, brauche man schnell Gewissheit. Generell, so der Experte, steige das Bewusstsein unter Radiologen, CTs insbesondere bei jungen Menschen zurückhaltend einzusetzen und die Strahlendosis möglichst zu minimieren.
(Dieser Artikel wurde am Mittwoch, 26. April 2023 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de, Walter Willems, dpa