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Sonderfälle der Medizin Startup sammelt Daten von Krebsüberlebenden

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Die mikroskopische Aufnahme zeigt ein kleinzelliges Lungenkarzinom.

Die mikroskopische Aufnahme zeigt ein kleinzelliges Lungenkarzinom.

(Foto: picture-alliance / OKAPIA KG, Germany)

Krebs ist für Betroffene und deren Angehörige eine Schockdiagnose. Doch es gibt immer wieder Menschen, die trotz schlechter Prognose vollständig genesen. Wie es dazu kommt, wollen Fachleute wissen und machen sich mit einem Startup auf die Suche nach den Daten der Sonderfälle.

Es gibt ein paar zehntausend Menschen auf der Welt, die einen als unheilbar geltenden Krebs überlebt haben. Ein französisches Startup, an dem auch die Berliner Charité beteiligt ist, will herausfinden, warum. "Outliers", auf Deutsch "Sonderfälle", heißt das ehrgeizige interdisziplinäre Forschungsprogramm der Firma Cure 51. Sie hofft, mit den Untersuchungsergebnissen Therapien für bislang hoffnungslose Krebsfälle zu entwickeln.

Das Forschungsprojekt ist die erste globale Datenbank für Überlebende normalerweise tödlicher Krebserkrankungen. Einer davon ist der Lehrer Hervé, bei dem im Alter von 40 Jahren ein Glioblastom, die aggressivste Form eines Hirntumors, diagnostiziert wurde. Damals schloss er einen Pakt mit sich selbst.

"Ich sagte mir: Das ist zwar schlimm, aber du führst hier Krieg und du wirst ihn gewinnen. Wegen meiner Frau und meinen Kindern habe ich mir nicht erlaubt zu sterben." Hervé, der seinen Nachnamen nicht nennen möchte, wurde operiert, um den Tumor zu entfernen, und bekam danach Bestrahlung und Chemotherapie.

Nach ein paar Monaten zeigten seine MRTs immer dasselbe Ergebnis: Der Tumor war nicht zurückgekehrt. Das war vor acht Jahren. Heute will Hervé sich der Forschung zur Verfügung stellen: "Mir ist bewusst, dass ich außergewöhnliches Glück gehabt habe und dass jetzt der Moment gekommen ist, meinen Teil (zur Forschung) beizutragen."

Fokus auf drei Krebsformen

Cure 51 will sich auf drei besonders aggressive Krebsformen konzentrieren: Glioblastom, Adenokarzinom der Bauchspeicheldrüse und kleinzelliges Lungenkarzinom. "Bei allen dreien hat es in den vergangenen 15 Jahren keine wirklichen Fortschritte in der Behandlung gegeben", sagt Nicolas Wolikow, der Cure 51 vor zwei Jahren mitgegründet hat. Trotzdem haben weltweit einige zehntausend Patienten eine dieser drei Krebserkrankungen überlebt.

"Bisher haben sich alle Studien auf Patienten in Nordamerika und Westeuropa gestützt", erklärt Wolikow. "Wir werden den Bogen deutlich weiter spannen." 50 Krebszentren weltweit werden laut Wolikow mit Cure 51 zusammenarbeiten. Das in Paris ansässige Startup will die Krankenakten von bislang 1300 Patienten untersuchen, die mindestens drei bis fünf Jahre nach ihrer Krebserkrankung noch am Leben sind. Diese Zahl reicht nach Ansicht der Experten und Expertinnen aus, um Verzerrungen in wissenschaftlichen Studien zu vermeiden.

Wenn alle Patientenberichte zusammengestellt seien, werde deren Analyse beginnen. Die Probandinnen und Probanden müssten auch Fragebögen zu Lebenswandel, Schlaf, Ernährung und anderen Faktoren ausfüllen, die berücksichtigt würden.

Suche nach neuen Medikamenten

"Wir hoffen, auf eine 'molekulare Signatur' zu stoßen, die das außergewöhnliche Überleben dieser Patienten erklärt", sagt Onkologin Olivia Le Saux vom Zentrum Léon-Bérard in Lyon, die die Oberaufsicht über das Projekt hat. Im Endeffekt geht es darum, neue Medikamente oder Behandlungsformen zu finden, die die molekularen Merkmale der Überlebenden imitieren.

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Die Analysen seien jetzt möglich, weil die molekulare Sequenzierung von Proben durch technologische Fortschritte genauer und kostengünstiger geworden sei, betont Jean-Yves Blay, der Vorsitzende von Unicancer, dem französischen Krankenhausnetzwerk für Krebsbekämpfung, das an dem Projekt beteiligt ist. Künstliche Intelligenz werde eingesetzt, um gemeinsame Merkmale der Überlebenden zu finden und mit den Daten verstorbener Krebspatienten zu vergleichen.

Cure 51 hatte am Mittwoch bekannt gegeben, dass es die Zusage für 15 Millionen Euro bekommen hat. Auf längere Sicht will sich das Startup durch die Zusammenarbeit mit anderen Biotech-Unternehmen und Laboren finanzieren.

Quelle: ntv.de, Isabelle Tourné, AFP

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