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Drei verschiedene Stoffklassen Wie gut welcher Blutdrucksenker wirkt

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2025 werden rund 29 Prozent der Menschen auf der Welt unter Bluthochdruck leiden.

2025 werden rund 29 Prozent der Menschen auf der Welt unter Bluthochdruck leiden.

(Foto: IMAGO/imagebroker)

Zu hoher Blutdruck kann mit unterschiedlichen Medikamenten behandelt werden. In einer großangelegten Studie wird untersucht, wie gut drei verschiedene Stoffklassen wirken. Dabei werden Daten von mehr als 32.000 Menschen über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren herangezogen.

Drei wichtige Wirkstoffklassen bei blutdrucksenkenden Medikamenten sind einer Analyse zufolge auf lange Sicht im Wesentlichen gleichwertig. Dies ergibt sich aus einer Auswertung, bei der Patienten teilweise mehr als 23 Jahre nach Beginn einer klinischen Studie nachverfolgt wurden. Drei Gruppen von Patienten hatten in der ursprünglichen Studie entweder Chlortalidon, ein Diuretikum vom Thiazid-Typ, den Kalziumkanalblocker Amlodipin oder Lisinopril, einen Hemmer des Angiotensin-konvertierenden Enzyms (ACE) erhalten.

"In dieser Sekundär-Analyse einer randomisierten klinischen Studie an einer erwachsenen Population mit Risikofaktoren für Bluthochdruck und koronare Herzkrankheit war die Sterberate aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in allen drei Gruppen ähnlich", erläutert das Team um Jose-Miguel Yamal vom University of Texas Health Science Center in Houston (USA) im Fachjournal "JAMA".

Die aktuelle Untersuchung basiert auf der ALLHAT-Studie, einer der größten Untersuchungen zur Behandlung von Bluthochdruck. Für sie wurden zwischen Februar 1994 und März 2002 an 623 medizinischen Zentren in den USA und Kanada mehr als 42.000 Patienten nach einem Zufallsprinzip einer Gruppe zugeordnet, die jeweils mit einem bestimmten Medikament behandelt wurde.

Die Probanden waren damals mindestens 55 Jahren alt, hatten einen leicht oder mittelgradig erhöhten Blutdruck sowie mindestens einen weiteren Herz-Kreislauf-Risikofaktor, wie Herzinfarkt, Diabetes und andere. Die letzte Nachuntersuchung erfolgte im Mittel nach 4,9 Jahren. Es wurden zahlreiche Daten bei den Patienten erhoben, um etwa Unterschiede nach Geschlecht, Alter, ethnischer Zugehörigkeit, Vorerkrankungen, Cholesterinspiegel und anderen Merkmalen berücksichtigen zu können.

Verschiedene Wirkstoffe, verschiedene Wirkungen

Die in der ALLHAT-Studie untersuchten Medikamente wirken auf unterschiedliche Art und Weise. Ein Diuretikum wie Chlortalidon regt die Nieren dazu an, mehr Salz auszuscheiden, woraufhin sie dem Körper Wasser entziehen; die Blutmenge reduziert sich und der Blutdruck sinkt. Ein Kalziumkanalblocker wie Amlodipin verhindert, dass sich die Muskeln in der Blutgefäßwand zusammenziehen, was typischerweise bei Bluthochdruck sehr früh passiert; der größere Gefäßdurchmesser lässt den Blutdruck sinken. Auch das Protein Angiotensin II verengt die Blutgefäße, was ein ACE-Hemmer wie Lisinopril unterbindet.

Yamal und Kollegen griffen auf die Daten der ALLHAT-Studie zurück. Sie verfolgten die damaligen Untersuchungsteilnehmer bis zum Ende des Jahres 2017 anhand von medizinischen Unterlagen des amerikanischen Gesundheitsdienstes Medicare. Da rund 80 Prozent der Patienten bereits gestorben waren, besorgten sie sich in vielen Fällen die Sterbeurkunden, um die Todesursache zu ermitteln. Auf diese Weise konnten sie die Nachverfolgung von 32.804 Probanden aus der ALLHAT-Studie auf teilweise mehr als 23 Jahre ausweiten.

Die Sterblichkeitsrate aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen betrug 23 Jahre nach der Zufallseinteilung 23,7 Prozent bei der mit dem Diuretikum Chlortalidon behandelten Gruppe. 21,6 Prozent waren es bei der Kalziumkanalblocker-Gruppe (Amlodipin) und 23,8 Prozent bei der ACE-Hemmer-Gruppe (Lisinopril). Die Unterschiede zwischen den Werten sind minimal und könnten auch zufälliger Art sein. Es fanden sich keine auffälligen Unterschiede im Hinblick auf Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit und zahlreiche andere erhobene Merkmale. Zudem gab es keine Anzeichen dafür, dass einer der Wirkstoffe das Risiko einer Krebserkrankung erhöht.

Keine Medikation ist einer anderen überlegen

"Das Interessante an der Analyse ist der sehr lange Nachverfolgungszeitraum", sagt Markus van der Giet von der Berliner Charité, Präsident der Deutschen Hochdruckliga. Die Untersuchung zeige, dass keine der Medikationsarten der anderen überlegen sei und dass es nicht nach vielen Jahren noch zu unerwarteten Risiken bei einem bestimmten Wirkstoff komme. "Im Grunde ist das Ergebnis ein Plädoyer für eine frühzeitige und sorgfältige Einstellung des Blutdrucks", betont van der Giet.

Für Ralf Dechend, Forscher an der Charité und am Max-Dellbrück-Zentrum Berlin sowie Oberarzt im Helios Klinikum Berlin-Buch, bietet das Untersuchungsergebnis die Möglichkeit für eine personalisierte Medizin. "Wenn die Wirkstoffe gleichwertig sind, dann kann dem Patienten das Medikament verschrieben werden, das am besten zu seinen Vorerkrankungen passt oder das er am besten verträgt", erläutert Dechend.

Roland Schmieder, Oberarzt am Uniklinikum Erlangen, ergänzt, dass beispielsweise bei Herzinsuffizienz in der Regel ein ACE-Hemmer oder ein Betablocker verabreicht wird, weil er auch gegen diese Erkrankung hilft. Ein Kalziumkanalblocker wäre bei Herzinsuffizienz hingegen kontraproduktiv. Bei Diabetes wiederum solle ein Diuretikum vermieden werden.

Medikamentenwechsel statt Dosiserhöhung

Eine im April in "JAMA" vorgestellte Studie hatte ergeben, dass Bluthochdruck-Patienten durch einen Wechsel ihres Medikaments möglicherweise weitaus größere Verbesserungen erfahren als durch eine höhere Dosis. Die Wirkung gängiger Medikamente unterschiedlicher Wirkstoffklassen - Thiaziddiuretika, ACE-Hemmer, Angiotensin-II-Antagonisten und Kalziumantagonisten - war von Person zu Person sehr unterschiedlich, bestimmte Patienten erzielten mit einem Medikament einen niedrigeren Blutdruck als mit einem anderen. Darüber hinaus wirkte sich ein Medikamentenwechsel für viele Probanden stärker aus als die Verdoppelung der Dosis des aktuellen Medikaments, berichtete ein Team um Johan Sundström von der Universität Uppsala (Schweden).

Eine Auffälligkeit im aktuell präsentierten Ergebnis, die Yamal und Kollegen selbst gleich wieder abschwächen, ist ein um 19 Prozent erhöhtes Risiko für einen Schlaganfall in der Lisinopril-Gruppe gegenüber der Chlortalidon-Gruppe. "Nach Berücksichtigung mehrerer Vergleiche war dieses erhöhte Risiko nicht mehr signifikant", schreiben die Studienautoren. Schmieder kritisiert dennoch, dass dieses Ergebnis im Fachartikel hervorgehoben wird. Denn es gebe keine wissenschaftlich seriösen Hinweise darauf, dass ACE-Hemmer das Schlaganfallrisiko erhöhen. Entscheidend sei die Blutdrucksenkung.

Schmieder, einer der Autoren der Nationalen Versorgungs-Leitlinie "Hypertonie" (Bluthochdruck) und den aktuellen Europäischen Leitlinien "Hypertonie 2023", bemängelt an der "JAMA"-Studie, dass die Nachbeobachtung nur anhand von medizinischen Unterlagen erfolgt ist. "Es ist nicht bekannt, welche Medikamente die Patienten nach Beendigung der ursprünglichen Studie genommen haben, wie sie gelebt haben, welchen Blutdruck sie hatten und auch sonst gibt es kaum Informationen über die Follow-up-Phase", hebt Schmieder hervor. Aus diesem Grund könnten Aussagen wie die zu den ACE-Hemmern irreführend sein.

Je früher, desto besser

Nicht untersucht wurde in der ALLHAT-Studie die Lebensführung der Patienten. Van der Giet, Dechend und Schmieder betonen die Bedeutung einer gesunden Ernährung, des Rauchen-Aufgebens und ausreichender Bewegung für die Höhe des Blutdrucks. "Beim Lebensstil ist es ähnlich wie bei der Medikamentenbehandlung: Je früher die Lebensstiländerung stattfindet und je eher der Blutdruck sinnvoll eingestellt wird, desto besser", fasst van der Giet zusammen. Schmieder berichtet, dass eine Gewichtsabnahme um fünf Kilogramm den systolischen Blutdruck im Durchschnitt um zehn Millimeter-Quecksilbersäule senkt.

Neu sei die Erkenntnis, dass nicht nur dynamische Sportarten, sondern auch isometrische Sportarten, wie etwa das Anspannungstraining im Fitness-Center, den Blutdruck senken können, sagt Schmieder. Dechend warnt allerdings davor, nur auf Sport und Ernährungsumstellung zur Blutdrucksenkung zu setzen und auf Medikamente zu verzichten. Entscheidend sei ein gut eingestellter Blutdruck.

Reduzierung des Salzkonsums

Erst kürzlich hatte eine Studie, ebenfalls in "JAMA", ergeben, dass eine starke Verringerung des Salzkonsums schon nach einer Woche bei drei Vierteln der 213 Teilnehmer zwischen 50 und 75 Jahren eine blutdrucksenkende Wirkung zeigte. Dies galt selbst bei den Patienten, die bereits blutdrucksenkende Arznei zu sich nahmen. Der Effekt war außerdem unabhängig von Alter, Geschlecht, ethnischer Gruppe, Body-Maß-Index und Diabetes. Die Studie stammt von einer Gruppe um Norrina Allen von der Northwestern University in Chicago (USA).

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Nach einem im September vorgestellten Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist Bluthochdruck ein "stiller Killer", weil vier von fünf Betroffenen nicht richtig behandelt werden. Mit besserer Aufklärung, Diagnose und Behandlung könnten nach Schätzung der WHO bis 2050 weltweit 76 Millionen Menschenleben gerettet werden. Zudem würden 120 Millionen Schlaganfälle und 79 Millionen Herzinfarkte verhindert.

Jeder dritte Erwachsene weltweit sei von Bluthochdruck betroffen, hieß es. Er kann zu Schlaganfällen, Herzinfarkten, Herz- und Nierenversagen und vielen anderen Krankheiten führen. Als überhöht gilt nach WHO-Definition ein Blutdruck von mehr als 140 zu 90. Zu den Risikofaktoren zählen sehr salzhaltiges Essen, wenig körperliche Betätigung und zu viel Alkohol.

Quelle: ntv.de, Stefan Parsch, dpa

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